Читать книгу Der Agonist - David Goliath - Страница 15
Happen
ОглавлениеWährend Samor Nimmersatt im frisch gewaschenen, frisch gewachsten August Däumchen drehend eine Siesta genoss, spazierte der dicke Namron in ein gut besuchtes, gut betuchtes Restaurant, das Teufels Stube hieß. Namrons krumme Hakennase tauchte mit aufgeblähten Nüstern in ein Schlaraffenland aus Schweineschinkenkeulen und Hartkäseblöcken ein. Sein Doppelkinn brandete gegen seinen Unterkiefer, als er mit Übergewicht durch das pittoreske Innenleben waberte, vorbei an filigranen Holzskulpturen Klampfe zupfender Meerjungfrauen und gut situierten Gourmets, die dieses lukullische Flaggschiff kulinarischer Perversionen beehrten.
Zielgerichtet steuerte er einen Mann an, der verlassen an einem großen, runden Tisch Spaghetti gabelte, flankiert von zwei stämmigen Söldnern, die, eingehüllt vom Dunst der Gerichteküche, hungrig ihren Sold abstanden. Eine fleckige Serviette schützte den Stehkragen des Mannes vor umherspritzender Tomatensoße. Die Position des Tisches war ausgeklügelt. Die Küche befand sich in unmittelbarer Nähe, inklusive Hinterausgang, und obwohl man den gesamten Raum überblicken konnte, speiste man nahezu unsichtbar, geschickt umzäunt von mannhohen Trennelementen.
Namron setzte sich mit schmarotzenden Blicken gen Teller Hartweizengrieß grußlos dem Mann gegenüber, der es nicht für nötig erachtete, seinem Gast Respekt zu zollen. Statt einer Geste der Begrüßung hatte der Mann nur Augen für seine Mahlzeit. Umgehend kreiste ein Kellner wie eine Scheißhausfliege um den Scheißhaufen, getarnt als Tisch mit weißer Tischdecke. Der Gast erhielt ein Glas Wasser.
»Die Schwestern Anorexie und Adipositas. Ist mein Revier wieder sauber?«, schmatzte es düster. Die Tonlage stellte unmissverständlich klar, wer hier der Boss war. Der Mann hob seinen finsteren Blick. »Seit wann trennen sich denn die Unzertrennlichen? Wo hat die fette Krähe ihre dürre Vogelscheuche gelassen?«
»Wir haben einen dieser Hunde erwischt«, antwortete Namron ehrfürchtig, ohne auf die gemeine Bemerkung einzugehen. »Aber der hatte nur ein paar Flaschen dabei und ist lieber gestorben als uns etwas zu sagen.«
Stille.
Silberbesteck knallte auf Porzellan. Die Serviette rieb die Mundwinkel sauber.
»Und wo ist der Rest der Lieferung? Wie kann ein Lkw einfach so spurlos verschwinden? Schon mal daran gedacht, dass man euch gelinkt haben könnte? Eine Fährte für Idioten, um vom Honigtopf abzulenken?« In Rage schlich sich ein kleines Lispeln ein.
Namron fürchtete sich vor nichts – außer vor dem Teufel, der ihn gerade zur Schnecke machte. Theodor Teufel war mächtiger als Gott und bösartiger als das Duo Infernale in Gestalt der Gebrüder Nimmersatt. Das karge Licht am Tisch trug zum theatralischen Spiel der Gesichtsmuskeln bei. Zorn und Furcht saßen sich gegenüber.
»Patron, entschuldige, es war helllichter Tag, mitten in der Stadt und die Polizei-«
»Namron«, unterbrach Teufel wie ein Opa, der den Nachbarsjungen beim Klauen von Kirschen erwischt hat.
»Jeder von uns hat eine Aufgabe.« Er zeigte auf seine beiden Leibwächter. »Wilhelm und Hagen beschützen mich.« Dann zeigte er auf den Kellner, der sich in eine Nische zurückgezogen hatte und auf ein Signal seitens Teufel wartete. »Fritz erfüllt meine Wünsche.«
Namrons Magen knurrte. Die Spaghetti mit Tomatensoße rochen unwiderstehlich. Seine Augen huschten zu oft auf den Teller. An dem Glas Wasser hatte er dagegen kein Interesse.
»Ich sorge dafür, dass Neu-Berlin leben kann«, ergänzte Teufel bescheiden und zeigte anschließend auf Namron. »Und ihr habt dafür zu sorgen, dass ich mir keine Sorgen machen muss.« Er verstärkte seine Stimme. »Denn wenn ich mir Sorgen mache, bekomme ich Sodbrennen.« Der halbvolle Teller flog vom Tisch. »Und mir vergeht der Appetit!«
Namron war der einzige Anwesende, der zusammenzucken musste, als das Porzellan auf dem Boden zerschellte. Der Rest vom Lokal machte ungestört weiter, auch wenn unter einigen Tischen einige Knie schlotterten.
Teufel fickte Namron mit Blicken schierer Wut. »Hätte sich dein dämlicher Bruder nicht linken lassen, müsste ich nicht hungern! Wenn ein Lastwagen zu spät kommt, hat das meistens einen Grund. Und unter Umständen kann das einen Hinterhalt bedeuten. Ihr zwei seid manchmal einfach zu überzeugt von eurer Gabe und verliert den Blick für Ungereimtheiten. Findet endlich das Zeug und kümmert euch um diese Hanswurste oder ich lasse euch zu Zwillingszwirn verarbeiten!«
Er machte eine Geste, die es jedem untersagte, etwas anderes außer Aufstehen und Fortgehen zu tun.
Namron ließ einen kleinen Zettel zurück. Darauf standen ein Name in säuberlicher Schrift sowie eine Adresse in krakeligem Geschmiere.
Teufel suchte Rat bei Fritz. »Wer ist das?«
Der Kellner kam aus seiner Nische und beugte sich zum Patron. »Das ist der neue Prohibitionsagent von Neu-Berlin.«
»Und?«, zuckte Teufel mit den Schultern.
»Die beiden Brüder haben uns die Adresse besorgt. Nur für den Fall der Fälle.«
Man sah dem Patron an, dass dies seine Wut etwas linderte.