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Hintern

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Riesige Buchstaben erhellten die Nacht: Inferno. Schon von weitem konnte man den rötlich flackernden Schriftzug aus hunderten Glühbirnen erkennen, der eine magische Anziehungskraft besaß, wie Speck für Maden. Zwei taghelle Scheinwerfer strahlten vom Dach gen Himmel. Hoch oben über der Stadt kreuzten sich die gebündelten Lichtstrahlen, bevor sie in der Wolkendecke verschwanden. Der Klub Inferno befand sich im Zentrum von Neu-Berlin. Das flache, eingeschossige Gebäude beanspruchte ein von vier Straßen umschlossenes Flächenquadrat für sich. Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs und ein großzügiger Parkplatz sorgten für beste Voraussetzungen, den Klub mit tanzwütigen, durstigen Menschen zu füllen.

Saxophon und Trommeln dröhnten nach draußen; der Kontrabass brachte den Boden zum Schwingen. Vorm Klub hielten ein paar düstere Gestalten Wache. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatten sich mehrere Polizeifahrzeuge positioniert. Die Beamten machten aber einen entspannten Eindruck. Höflich grüßten sich Gesetzeshüter und Türsteher, ohne gegenseitigen Argwohn zu schüren.

Im Klub herrschte Trubel. Die Meute auf der vollen Tanzfläche glich einem Volk Dohlen, wild und unabhängig flatternd, aber dennoch als Schwarm auftretend. Konfetti und Seifenblasen heizten der Meute ein, die sich mit epileptischen Bewegungsmustern den Klängen hingab, die von der mehrköpfigen Kapelle orchestriert wurden. Die Tische an den Rändern der Tanzfläche waren restlos belegt. Klatschend begleiteten die sitzenden Gäste ihre Artgenossen beim Steppen. Auf den Tischen standen Gläser mit goldenem Sprudelwasser. Die ausgelassene Stimmung basierte größtenteils auf dem tolerierten Zuckerkonsum. Der Klub Inferno zählte zum rechtsfreien Raum. Paradoxerweise waren Produktion, Einfuhr, Verkauf und Verzehr von Limonade seit dem Beschluss untersagt. Einzig im besagten Etablissement war es gestattet, zu kaufen und zu verzehren. Wie der Stoff dorthin gelangte oder wo er her kam, wollte aber niemand wissen. Die Laderampe des Klubs war jedenfalls immer nur nachts frequentiert und der Kellerbereich, der noch einmal so groß war wie der Klub darüber, wurde streng bewacht. Selbst die Exekutive traute sich nicht in die Niederungen des Infernos. In zivil traf man aber Beamte aus allen Schichten von Exekutive, Judikative und Legislative an den Tischen und auf der Tanzfläche an.

In einem separierten Bereich neben der Bühne genossen Teufel, Blutmond und Pfeffer bei gekühlten Getränken und Schokolade die Atmosphäre. Godot lag dösend in der Ecke, glücklich glucksend. Hagen bewachte die hüfthohe Absperrung zum übrigen Innenraum. Sein verschlossener Blick und die starre Haltung täuschten gut darüber hinweg, dass er mit dem Fuß im Takt wippte.

»Ihre kleine Konkubine macht eine gute Figur, Patron«, bemerkte Pfeffer anerkennend. Die drei Männer waren gebannt von Donnas Bewegungen auf der Tanzfläche. Wie eine La-Ola-Welle pflanzte sich die betörende Schwingung von ihren Beinen über ihr Becken und ihre Brust zu ihrem Kopf fort, während ihre Arme kreisende Beschwörungen vollführten, ähnlich der Schlangenhaare der Medusa. Wilhelm stand neben ihr wie ein steinerner Wasserspeier und passte auf, dass keiner ihren Bewegungsablauf störte.

»Ich beneide Sie«, ergänzte Pfeffer, »Dieses Mädchen, dieser Klub, das Restaurant und Ihre Limonaden. Wie machen Sie das?«

»Sie haben die Spinnerei vergessen, Peter«, schmunzelte Teufel und wusste, dass purer, gefährlicher Neid aus Pfeffer sprach. »Ein glückliches Händchen, würde ich sagen. Ein guter Riecher. Fügung. Und natürlich loyale Gefolgsleute und aufrichtige Geschäftspartner«, klopfte er nacheinander Bürgermeister Blutmond und Pfeffer auf die Schultern. Die Männer lachten, Teufel düsterer als der Rest.

»Werden Sie Silberstern auch hier im Inferno anbieten?«, wollte Pfeffer spitzfindig wissen.

»Goldblume verkauft sich wie warme Semmeln. Das will ich noch eine Zeit lang ausnutzen. Sobald Silberstern die nötigen Chargen erreicht hat, werden Sie der erste Nutznießer sein. Ein Testlauf sozusagen.«

Pfeffer rieb sich die Hände. »Wie kann ich mich erkenntlich zeigen, Patron?«

»Manus manum lavat«, antwortete dieser gefällig, »Irgendwann brauche ich Sie. Ich hoffe, Sie werden sich dann an mich erinnern.«

»Selbstverständlich. Sie brauchen es nur zu sagen und ich werde Ihnen mit allem, was ich beisteuern kann, beistehen.«

Blutmond pochte auf den Tisch. Die Gläser wackelten. »Einer mehr in Ihrem Schweif, Patron.« Dann hob er den Zeigefinger gen Himmel. »Das ist sein Geheimnis. Er hilft den Menschen.«

Pfeffer schaute fragend. »Sie auch, Bruno?«

»Ohne Ihn säße ich jetzt nicht im obersten Stock des Rathauses, sondern noch auf dem Gehweg davor als Schuhputzer.« Er hob sein Glas für einen Salut. »Auf Teufels Gnade! Auf den Patron!«

Teufel wackelte belustigt mit den Augenbrauen, weil er die Verwirrung in Pfeffers Augen bemerkte.

»Schuhputzer?«, lautmalte dieser baff.

»Die Sterne sind für jeden greifbar, egal woher er kommt.« Teufel kippte das Zuckerwasser diabolisch grinsend hinunter.

Der Agonist

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