Читать книгу Der Agonist - David Goliath - Страница 25
Hürde
ОглавлениеAuf dem Weg zu Nessels Apartment entdeckten Max und Walter eine Gestalt am Wegesrand, die sich kaum noch rührte. Die Dunkelheit der Nacht sowie der Umgebung begünstigten das einsame Dahinscheiden der Gestalt.
»Lauf weiter zu Nessel! Die Straße runter zu dem neuen Apartmentblock. Ich sehe, was ich für ihn machen kann. Wir werden sie finden!«, feuerte Walter Max an und widmete sich der Gestalt. »Himmel, was haben sie nur mit dir angerichtet?«
Was Walter in der Abwesenheit von Licht erkennen konnte, machte ihm wenig Hoffnung. Der Gestalt wurden beide Kniescheiben zertrümmert, wodurch die Beine eine abnormale Stellung angenommen hatten. Zudem waren die Klamotten zerrissen und voller Matsch. Den Schleifspuren nach zu urteilen, hatte die Gestalt einige Kilometer im Kriechgang hinter sich gebracht. Neben dem getrockneten Dreck im Gesicht, der eine spontane Identifizierung unmöglich machte, musste die Gestalt auf den Kopf gefallen sein. Ein großes Hämatom bedeckte die Hälfte der Stirn und sorgte für ein angeschwollenes Auge. Eine Hand wies eine mehrfach gebrochene Haltung und tiefe Wunden auf.
Walter dachte nach. Selbst ohne eingegipstem Arm hätte er diesen Hünen nicht sehr weit ziehen können. Die nächste Ambulanz befand sich zwar im angrenzenden Viertel, doch unter den Umständen würde er an seine körperlichen Grenzen gehen müssen. Ein Garant für das Überleben dieses geschundenen Mannes wäre das nicht.
Oder sollte er einen Bürger aus dem wohlverdienten Schlaf reißen und sich auf die Bürgerpflicht berufen? Man könnte ihm beim Transport helfen oder man könnte sich um den Mann kümmern. Beides würde Walters Kreislauf erheblich entlasten. Die zunehmend flachere Atmung der Gestalt machte Walter Beine. Er packte ihn am Kragen und schleifte ihn zum nächsten Mietshaus. Dort trommelte er gegen die erstbeste Fensterscheibe im Erdgeschoss. Aufglühender Kerzenschein zeigte ihm nach einer Weile, dass er erhört wurde. Ein Vorhang wurde leicht verschoben und ein schmales Gesicht einer älteren Dame blickte ihn verschlafen an. Walter zeigte auf den sterbenden Mann. Seine Dienstmarke wäre jetzt Gold wert gewesen.
Das Fenster öffnete sich einen Müh. »Ja?«, ertönte die Stimme der Frau, der die Hälfte der Zähne fehlte.
»Der Mann ist verletzt. Können Sie mir helfen? Ich bin Polizist.«
»Wo ist Ihre Uniform?«
»Gute Frau, ich bin gerade nicht im Dienst und unpässlich«, nickte Walter auf seinen Gips, »aber dieser Mann hier wird sterben!«
Die Frau sah auf die Gestalt am Boden, während sie ihre Kerze aus dem Fenster hielt.
»Warten Sie«, erwiderte die Frau, schloss das Fenster und verschwand in der Wohnung.
»Verflucht«, murmelte Walter, als eine gefühlte Ewigkeit nichts passierte, und suchte schon nach einer Alternative, bevor sich das Fenster wieder öffnete.
»Gehen Sie zur Haustür«, zeigte die Frau zur Seite, »Bringen Sie es zurück und stellen es wieder dorthin, wenn Sie fertig sind.« Sie musterte den Verletzten reserviert. »Sie sollten sich beeilen. Er sieht nicht gut aus.« Das Fenster wurde geschlossen, die Kerze ausgepustet und die Frau verschmolz mit der Schwärze ihrer Wohnung.
Walter schaute ratlos zum Fenster, danach zur Haustür, die nur angelehnt schien. Wie die Tür jemand geöffnet hatte, war ihm anscheinend entgangen. Hastig lief er hinüber und schob die Tür vorsichtig auf. Neben der Innentreppe entdeckte er einen einachsigen Karren mit großspeichigen Holzrädern. Seine Augen weiteten sich. Ein Seufzer verließ seinen Schnurrbart. Ihm stand eine Menge Arbeit bevor.