Читать книгу Der Agonist - David Goliath - Страница 6
Hähne
ОглавлениеLimonadenlimitierung.
Polizeidirektor Gordon Godot starrte auf die reißerische Schlagzeile der Tageszeitung. An seiner Brust funkelte eine silberne Polizeimarke, die einzig von den goldenen Knöpfen auf seinen Schultern überthront wurde. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Da schien etwas in Gang geraten zu sein, was ihn nicht erfreute. Zum einen der Mehraufwand an Polizeiarbeit, den ein jedes Verbot mit sich brachte. Zum anderen eine Illegalisierung seiner liebgewonnenen Gewohnheit. Zum jetzigen Zeitpunkt wusste er noch nicht, mit welcher neuen Sucht er die zukünftig fehlende Befriedigung seiner Leidenschaft für Zuckerwasser kompensieren konnte. Hahnenweitwurf vielleicht.
Und obwohl er den Neu-Berlin Herold schätzte, würde er das einzige Druckerzeugnis der Stadt am liebsten in der Luft zerreißen wollen. Allein die Tatsache, dass Bürgermeister Bruno Blutmond mit seinen Fingern auf der Zeitung verweilte, hinderte den Polizeidirektor daran.
»Ein herber Schlag«, murmelte der Bürgermeister zerknirscht. Angesichts der steigenden Kriminalität und dem zunehmenden Verfall wurde das Sekret des Satans per Dekret zur Sünde erklärt. Der Erlass überstieg seine Gehaltsstufe und kam von ganz oben vom Reichspräsidenten.
Neu-Berlin war mittlerweile zu einem fettleibigen Abszess von hyperaggressiven Suchtkranken verkommen, deren Exzess des flüssigen Goldes monochrome Tristesse einkehren ließ. Die Karotten verrotteten in den Auslagen der sterbenden Gemüsehändler und lockten weiteres Ungeziefer an, während den Ansässigen die Zähne ausfielen und Durchfall die Kanäle verstopfte.
»Ein bitterer Verlust«, stimmte Gordon Godot nun auch verbal in den traurigen Tenor ein.
Ein halbleeres Glas stand auf dem Schreibtisch. Das grelle Gelb der Flüssigkeit stach in die Augen, lockte aber gleichzeitig die Schwachen an. Das stetige Blubbern der spritzenden Kohlensäurebläschen klang wie ein Kinderlied. Es animierte und ließ Herzen höher schlagen. Ein süßlicher Geruch überlagerte den Gestank alter Männer und die abgestandene Luft im Raum. Die beiden Statthalter schauten wehmütig und doch lüstern auf das Glas. Speichel sammelte sich in den Mündern. Blutmond, sitzend und mit kürzerem Abstand zum Glas, griff zu und trank die Limonade auf ex. Godot, vorm Schreibtisch stehend mit einer Hand daran abgestützt wie ein debiler Schoßhund, konnte nur neidisch zuschauen. Sein Glas hatte er schon vor einer ganzen Weile geleert. Jetzt bereute er seine ungebremsten Gelüste. Hätte er sich doch noch einen Schluck aufgehoben, wie es der Bürgermeister getan hatte. Weitsichtigkeit unterschied die beiden Veteranen. Deshalb war Gordon Godot auch nur die Nummer zwei von Neu-Berlin.
»Andererseits stehen uns erträgliche Zeiten bevor«, sprach Blutmond nun lauter und selbstsicher. »Steuern werden dokumentiert und zu einem Großteil zur Deckung öffentlicher Interessen verwendet. Schmiergeld fließt direkt an uns. Wir müssen dies weder irgendwo verzeichnen noch für Straßenbau oder die Bibliothek aus dem Fenster werfen. Stattdessen kann ich mir mein Privatdomizil zu einem Schloss umbauen lassen. So wie es einem Fürst gebührt.«
Blutmond kippelte entspannt mit dem vierbeinigen Stuhl. Seine Hände waren über seiner Wampe ineinander gefaltet.
Godot wischte sich Sabber vom Mundwinkel. »Klingt gut. Aber Schmiergeld müssen wir teilen. Jeder meiner Männer hat viele Münder zu stopfen. Viel wird da für Ihr Schloss und meine Wettschulden nicht übrig bleiben.«
Blutmond hörte auf zu kippeln und lehnte sich mit Kalkül über den Tisch. »Niemand muss davon wissen. Durch die Prohibition werden wir an Transport und Verkauf verdienen. Dafür müssen wir nur Patrouillen und Razzien zu unseren Gunsten umleiten«, er machte eine abwehrende Handbewegung und schmatzte. »Wir begründen das mit anderen Gefahrenschwerpunkten oder Personalmangel. Ihnen, mein lieber Gordon, wird da schon etwas einfallen.«