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Der Ungeduldige
ОглавлениеMohammad saß gelangweilt auf dem Hocker an der Theke und schaute sich die vorbeilaufenden Touristen an. Korfu war zu dieser Jahreszeit regelrecht von den Urlaubern belagert. Es war die Mittagszeit, alle Tische waren besetzt, nicht ein einziger Stuhl war frei. Die Gäste saßen unbekümmert und genossen die Spezialitäten. Sein Restaurant lief ausgezeichnet. Das Essen, besser gesagt die Köche, wurden auf der ganzen Insel gelobt. Mohammad hob die Mokkatasse und trank den Rest des abgekühlten Getränks aus. Die Kirchenglocken läuteten noch immer, das störte ihn. Das ist ein gutes Jahr, dachte Mohammad, ein sehr gutes Jahr. Er hat bis jetzt mehr Umsatz gemacht, als im ganzen Jahr davor. Wenn das so bleibt …
Die Glocken hörten auf zu läuten. Mohammad schaute auf die große Wanduhr über der Theke, anscheinend war er sich irgendwie unsicher. Wie lange haben sie eben geläutet? Mohammad stand auf und lehnte sich mit beiden Ellbogen auf die Granitplatte. Wie versteinert starrte er auf die Uhr über der Theke. Das machte er jedes Mal, wenn er die Glocken hörte. Einer seiner Kellner lief mit Tellern beladen vorbei und fragte sich, ob es dem Chef nicht gut gehen wurde, verwarf diesen Gedanken und lief weiter. Nichts Neues, der Chef spinnt wie immer.
Keine Glocken mehr. Mohammad richtete sich auf und ging hinter die Theke, in diesem Moment klingelte sein Handy. Mohammad holte sofort das Gerät aus seiner Hosentasche heraus und schaltete es ein.
»Ich bin da«, meldete er sich, ohne nachzudenken.
Nach dem Code Satz des Anrufers antwortete Mohammad umgehend:
»Ich bin derjenige, der seine Pflicht tun wird.«
Mohammad hörte zu, nach etwa einer Minute sagte er:
»Ich brauche etwa vierzig Minuten. Mich gibt es! Und wie es mich gibt!«
Mohammad machte das Handy aus und steckte es in seine Hosentasche ein, stürmte in den Büroraum hinter der Theke. Hinter der Tür im Büro befand sich ein alter Tresor. Mohammad wühlte in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel, fischte ihn heraus und machte den Tresor auf. Von der obersten Ablage suchte er eine dicke Mappe aus und stecke sie in seinen Hosenbund ein, von einer der unteren Ablagen nahm er einen dicken Briefumschlag, machte den Tresor zu und verließ wortlos sein Restaurant. Mohammad lief er zum Haus gegenüber, nahm die schmale Steintreppe zum ersten Stock. Ohne anzuklopfen, machte er die Tür auf und platzte unangemeldet in den Raum. Als er den Raum betrat lass der ältere untersetzte Mann hinter dem Schreibtisch die Tageszeitung.
»Ja, was ist denn los? Sind die Ehemänner jetzt endlich dahinter gekommen?« Halb im Ernst, halb im Spaß, fragte er den Besucher.
»Nein, nein«, sagte Mohammad und setzte sich in den Sessel am Schreibtisch. »Karamakis, es ist so weit. Jetzt wirst du mir helfen können, mein Freund«, sagte Mohammad und knallte die Mappe auf den Tisch. Den Tresorschlüssel legte er neben der Mappe. Mohammad verdrehte den Kopf, als ob er auf etwas wartete. Er wartete tatsächlich, dass die Glocken wieder erklingen, was sie aber nicht taten.
»Ich muss weg, sofort. Kümmere dich bitte um das Restaurant. Die Leute wissen was sie zu tun haben, aber, du weißt ja, wie es ist. Ist der Chef nicht da …«, Mohammad machte kurze Pause, »sollte ich in einem Monat nicht wieder da sein, öffne den Umschlag. Alles steht drin. Hier ist der Schlüssel vom Tresor, mache ihn aber auch erst in einem Monat auf. Kann sein, dass du seltsame Dinge drin findest. Das Geld für die laufenden Kosten nimm bitte aus der Kasse, die Vollmachten hast du bereits.«
»Hey, was soll das, mache jetzt keine … Haben sie dich gefunden?« Der man sprang auf und ging um den Tisch herum. Sein riesiger Bauch schwabbelte hin und her. Mohammad stand auf und als der Mann bei ihm war umarmte er ihn fest.
»Tue, was du kannst. Alles steht drin. Du bist sicher, mit dir hat es nichts zu tun. Dich hat niemand im Visier. Vielleicht sehen wir uns wieder, mein Freund. Ich danke dir für alles«, sagte Mohammad und drückte den dicken Mann noch fester an sich.
Karamakis verstand die Situation, sie war mehr als Ernst.
»Ich werde alles tun, … was ich kann. Was da drin steht. Aber ich bete, dass ich es nicht muss«, schluchzte Karamakis betroffen, »und werde zu allen Göttern, die ich kenne, beten. Zu allen, von welchen ich je gehört habe.«
»Tu das, mein Freund, ich werde es brauchen«, sagte Mohammad, ließ seinen Freund los, drehte sich um und verließ den Raum.
»Passe gut auf dich auf, du hast nur noch ein Leben, … mein Freund!«, rief Karamakis hinter ihm her. Der dicke man blieb im Raum stehen und fragte sich, ob er seinen Freund je wieder sehen wird.
Mohammad nahm an der nächsten Ecke ein Taxi und ließ sich zum Flughafen fahren. Am Flughafen ging er zur Information. Ein Mann in Pilotenuniform wartete bereits auf ihn. Nach kurzem Wortwechsel verließen sie die Halle, stiegen in ein Auto mit Flughafenbezeichnung und fuhren auf das Vorfeld. Im Fahrzeug sagte der Pilot zu Mohammad:
»Ich habe eben meine Passagiere rausgeworfen. Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, ich will es auch nicht wissen. Sie sagten, sie würden mir den dreifachen Preis zahlen. Stimmt das?«
»Wenn sie das gesagt haben, dann wird es so sein«, antwortete Mohammad leicht gereizt. »Wir halten unser Wort. Flieg und halte die Klappe. Wenn wir gelandet sind, dann wirst du dein Geld bekommen. Wenn wir in Athen sind.«
Am Vorfeld stiegen sie in ein mittleres Flugzeug mit zwei Propellermotoren. Die Tür war noch nicht zu, als die Maschine zu rollen anfing, einige Sekunden später war sie bereits in der Luft.
Als das Flugzeug zum stehen kam, sich die Tür öffnete, sprang Mohammad heraus und rannte zu einem etwa dreißig Meter entfernt wartenden Learjet. Mohammad nahm im bequemen Ledersessel Platz, er war der einzige Passagier. Der Pilot rief aus der Kabine nach hinten, begrüßte Mohammad und sagte, das Ziel sei Bucharrest.
Als der Pilot Vollschub gab um die Maschine abzuheben, wurde Mohammad regelrecht in den Sitz gepresst. Der Druck erinnerte Mohammad an die Explosion, an seinen Vater, wie das Leben begann. Wie das Töten begann …
Die Erinnerungen waren da, fühlbar, greifbar, er erlebte sie zum hundertsten Mal … wieder.