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Schlangengrube
ОглавлениеStammhotel von Sir Gallmann in Frankfurt war das Kempinski, in Gravenbruch. Er bevorzugte dieses Hotel, da es außerhalb der Stadt lag und seinen Ansprüchen entsprach. Paparazzi hatten keine Möglichkeit an die Gäste dran zu kommen, daher war er ungestört. Die neueren, genauso gute Hotels in Frankfurt, mied er. Dort würde er mit Sicherheit bekannte Gesichter treffen.
Frau Groß ging auf alle Reisen mit, hatte aber nie den Zugang zu den Treffen der Gruppe. Sie war noch nie dabei gewesen, hatte keine Vorstellung, was dort ablief. Sie musste, wie immer, im Hotel bleiben und warten. Ihre Aufgabe war die Koordination und Kommunikation unter den Gruppen aus Frankfurt, Zürich und London, sowie die Kommunikation dieser Gruppen zu einigen bestimmten Organisationen. Auch zu den Ermittlern n Frankfurt, welche den Mann gefunden haben und nun beschatteten. Mehr wird sie nicht erfahren. Als Hand wusste sie nicht, was der Kopf denkt.
Die Fahrt vom Kempinski nach Königstein dauerte nur 20 Minuten. Vor einigen Jahren wurde die Autobahn Richtung Königstein ausgebaut, was die Fahrt enorm verkürzte und erleichterte. Mark bremste sanft vor dem eisernen Tor des Anwesens vom Herrn Mayer. Das Anwesen war sehr groß, durchgehend von drei Metern hohen Mauer umgeben und ideal für konspirative Treffen, Sicherheit und Vertraulichkeit waren mehr als garantiert. Mark musste die Klingelanlage nicht benutzen, jemand überwachte ständig die Kameras. Alsbald die Besucher erkannt wurden, öffnete sich das Tor automatisch. Mark fuhr langsam durch das Tor und parkte den BMW direkt vor der Treppe des Haupteingangs.
Sir Gallmann war diesmal schneller, Mark schaffte es nicht, wie üblich, vorher auszusteigen und dem Sir Gallmann die Tür aufzumachen. Bis Mark um die lange Limousine herum kam, lief Sir Gallmann bereits die wenigen Stufen zum Eingang der Villa empor. Dann eben nicht, meinte Mark. Er wusste, was er jetzt zu tun hatte: warten. Also, gar nichts. Als Mark die Eingangshalle der Villa betrat, war Sir Gallmann in einem der Räume verschwunden. Mark erkannte den Mann an der Tür. Er war einer der Fahrer und Bodyguard vom Hausherrn, dem Herrn Mayer. Anscheinend waren alle erwarteten Gäste bereits da, da der Bodyguard vom Herrn Mayer zu Mark sagte, er solle ihm folgen. Beide Männer gingen in einen kleineren Raum seitlich vom Eingang, die Überwachungszentrale des Hauses. An den Wänden hingen mehrere Bildschirme, zeigten die Aufnahmen der Überwachungskameras. Auf einem Panel war die Skizze des Hauses und des Anwesens, unzählige Lämpchen der Überwachungssensoren auf dieser Skizze läuteten grün. Sollte sich etwas bewegen, dann werden die Sensoren rot aufleuchten und sofort Alarm auslösen. An der Wand lehnte ein geräumiger Arbeitstisch mit vier Laptops, separaten Tastaturen, Telefone, zwei Handys in Ladestationen sowie eine Maschinenpistole. Gegenüber der Wand mit den Monitoren waren mehrere Sessel und eine Couch, eine Minibar, daneben auf einem Beistelltisch eine vollautomatische Kaffeemaschine. Vier Leibwächter der bereits anwesenden Gäste ruhten vor sich hin in den Sesseln und lasen Automagazine. Mark vermutete, dass im Nebenraum weitere Bodyguards ebenfalls warteten und ihren Job gerade verfluchten. Jedenfalls, er tat es.
Mark lief zur Kaffeemaschine, machte sich einen Cappuccino und richtete sich in einem der Sessel bequem ein. Der Bodyguard vom Herrn Mayer nahm am Arbeitstisch vor den Überwachungsmonitoren seinen Platz ein. Die Männer im Raum kannten sich vom Sehen, hatten aber zueinander nichts zu sagen.
Sir Gallmann hatte das Haus vom Herrn Mayer sehr gut in Erinnerung, die Treffen der Gruppen wurden meistens hier abgehalten. Ohne eine Notiz von dem Bodyguard an der Tür zu nehmen, lief Sir Gallmann gezielt durch die repräsentativ gestaltete Empfangshalle durch und nahm die Treppe zum ersten Stock. Der Konferenzraum war mit erwarteten Teilnehmern bereits gefüllt. Sir Gallmann kam wie immer als Letzter, die Gruppe war nun vollständig.
Einige der Herren standen im Raum herum und unterhielten sich, die anderen waren am Büffet beschäftigt. Obwohl es kein üblicher Gästeempfang war, organisierte Herr Mayer bei jedem Treffen der Gruppe sein berühmtes kaltes Büffet. Die Köstlichkeiten ließ er sich von einem Feinkostladen aus Frankfurts Sachsenhausen anliefern. Das Feinkostgeschäft hatte den gleichen Namen wie Herr Mayer, daher war das Geschirr des Feinkostgeschäfts mit Mayer gekennzeichnet. Das hinterließ bei den unkundigen Gästen, welche das Geschäft nicht kannten, den Eindruck, als ob das Geschirr für den Herrn Mayer extra angefertigt wurde. Herr Mayer wusste, seine Gäste werden die Gelegenheit nicht versäumen, um sich an den ausgesuchten Spezialitäten gut zu tun, bis auf den Sir Gallmann. Dieser fasste nie etwas an. Eigentlich hat ihn Herr Mayer noch nie etwas essen gesehen, wahrscheinlich auch keiner der anderen anwesenden Männer. Sir Gallmann betrat den Konferenzraum, die Gespräche erlöschen, alle drehten sich ihm zu.
»Guten Tag die Herren«, begrüßte Sir Gallmann die Anwesenden.
Die Herren am Büffet erwiderten die Begrüßung und stellten ihre Teller und Bestecke ab. Ohne Anweisung liefen sechs der anwesenden Männer aus dem Konferenzraum hinaus. Sie werden im Nebenraum das Ende der Besprechung abwarten und erst danach zu den drei Männern im Saal zurückkehren, um für sie bestimmte Informationen zu erhalten. Inzwischen werden sie untereinander ihre Geschäfte ausbauen.
Die im Raum verbliebenen drei Männer nahmen Platz in bequemen Lederstühlen am großen runden Konferenztisch. Sir Gallmann, Herr Mayer und Herr Bennstein saßen im Dreieck am Tisch und schauten sich nicht besonders freundlich an. Sir Gallmann mochte keinen der Anwesenden, das gab er ab und zu deutlich zur Kenntnis.
Sir Gallmann war der Boss der Bosse. Er führte das Triumvirat der drei Familien an, die Gruppe der Neun. Es gab nur noch drei Familien im Spiel. Jede Familie hatte in einer der Gruppen, der Deutschen, der Englischen oder der Schweizerischen jeweils einen eigenen Vertreter. An der Spitze dieser drei Gruppen stand ein Vorsteher aus jeweils einer anderen Familie, somit hatten die einzelnen Familien gleiche Machtverhältnisse und Überblick. Das einzige direkte Familienmitglied war Sir Gallmann, besaß als solcher das Vetorecht. Letztendlich, es wurde immer das gemacht, was er befahl. Alle Männer leiteten ihre kleinen Imperien, welche allesamt den Familien gehörten. Die Männer hatten den Ruhm, verdienten Millionen, waren gierig auf noch mehr, aber der wahre Gewinn floss durch verschleierte Kanäle an die Familien ab. Die Männer verließen die Gruppe nur tot und machten nur so den Platz für einen Nachfolger, die nächste Marionette der Familien. Wie jemand manchmal verstarb, das wurde nie bekannt. So wurde es seit immer gemacht.
»Ich freue mich, dass sie alle gut angekommen sind. Wir kommen gleich zur Sache«, sprach Herr Mayer als Gastgeber die Herren an, nickte höflich dem Herrn Bennstein und Sir Gallmann mit dem Kopf zu. Herr Bennstein fing mit seinem Bericht an.
»Endlich haben wir den Volltreffer. Die Spur zu den gesuchten Ikonen ist mehr als heiß. Ich werde es nun begründen und um die Ergebnisse zu untermauern werde ich in der Vergangenheit nachgraben. Die Ikonen wurden bereits 1966 entwendet. Wir erfuhren von deren Existenz erst 1969. Der Diebstahl als solcher wurde offiziell erst 1970 verzeichnet, als das Museum renoviert werden sollte. Vor 1975 hatten wir keine Möglichkeit der Angelegenheit nachzugehen. Die erste Untersuchung von 1975 brachte absolut keine Ergebnisse. 1983 haben wir die erste heiße Spur gehabt, wir haben einen der Täter entlarvt, wegen seines Kampfsports als "Meister" genannt. Als 1985 endlich alles vorbereitet war, versuchten wir ihn zu entführen, dabei hat er alle unsere Männer getötet. 1987 haben wir ihn ergriffen, leider ist er nicht lebend in unsere Hände gefallen. Die Untersuchungen wurden auf seinen Kreis ausgeweitet. Wie beschlossen wurden alle welche im Jahr des Diebstahls, also 1967, im Alter zwischen achtzehn und sechzig waren gründlich überprüft, egal ob männlich oder weiblich. Das ergab keine neuen Erkenntnisse, wir hatten nichts, absolut nichts. 1987 haben die Engländer die Suche übernommen. Dabei kam heraus, dass der Meister einen alten Mann kannte. Dieser alte Mann soll in den 50-er und 60-er Jahren sehr engen Kontakt zum Meister gehabt haben, danach nicht mehr, deren Kontakt wurde abrupt abgebrochen. Dieser alte Mann war 1987 bereits weit über achtzig Jahre alt. Also, er war 1967 in unserem Altersraster nicht berücksichtigt worden. Wir gingen nun davon aus, dass dieser alte Mann der Helfer bei dem Diebstahl war, oder sogar einer der Vertrauten. Er könnte etwas wissen. Wir gingen die ganze Zeit davon aus, dass die Ikonen weder rausgeschmuggelt, verkauft, noch vernichtet worden sind. Sie müssten noch im Lande sein, versteckt bei einer vertrauenswürdigen Person. Wie zum Beispiel bei diesem alten Mann. 1987 hatten wir die Möglichkeit an den alten Mann dran zu kommen. Er war aber im gleichen Jahr bereits verstorben. Wir vermuteten damals, dass die Ikonen eventuell in seiner Hinterlassenschaft sein könnten. Weitere Nachforschungen ergaben, dass der alte Mann eine Tochter und zwei Enkelsöhne hatte. Die Durchsuchung der Wohnung der Tochter brachte keine Ergebnisse. Die zwei Enkelsöhne konnten wir nicht finden, ihre Adressen führten ins Leere. Da bei der Tochter des alten Mannes nichts gefunden wurde, es ausgeschlossen war, das sie persönlich mit der Sache etwas zu tun hatte, betrachteten wir diese Spur als erloschen. Diese Frau war damals geschieden, die Enkelkinder waren 1967 jünger als achtzehn Jahre. Wie sie alle wissen, jede Nachforschung im Land war zu der Zeit so gut wie unmöglich, sogar äußerst gefährlich für uns. Bei der Nachforschung im Jahr 2000 fanden wir endlich die Enkel des alten Mannes. Der Ältere lebte 1987 beim Vater. Weil die Eltern geschieden waren, haben wir vorher nach dem Vater zuerst gar nicht gesucht. Sehr verworrene Familiengeschichte, extrem undurchsichtig. Der ältere Bruder war Arzt, Chirurg, während des Balkankrieges nachweislich an der Front umgekommen. Über den zweiten Enkel war nichts bekannt. Nichts. Die Quellen berichteten uns, er soll ein Krimineller gewesen sein und bei den Beutezügen im Balkankrieg ebenfalls umgekommen sein. Er existierte nicht mehr. Das war der letzte Stand der Erkenntnisse. Dieses Jahr haben wir, die Schweizer, die Suche übernommen. Wir knüpften an alle bisher verfügbaren Ergebnisse an, überprüften erneut. Wir sind bei dem angeblich verschollenen zweiten Enkel hängen geblieben.«
»Herr Bennstein, kommen Sie bitte auf den Punkt, jeder in der Runde kennt das und blickt nicht mehr durch, das will doch keiner wissen«, sagte Sir Gallmann deutlich genervt.
Herr Bennstein zuckte zusammen und fuhr schnell fort.
»Die Eltern haben sich scheiden lassen, der ältere Enkelsohn ist beim Vater geblieben, das war der Chirurg. Der Zweite blieb bei der Mutter. Die Mutter sprach sieben Sprachen, hier wurden wir stutzig. Seltsam, sieben Sprachen? Sie heiratete wieder, ihr neuer Mann war ein hoher Vertreter der chemischen Industrie. Sie gingen ins Ausland, die Familie hatte einen Diplomatenstatus. Die Familie war meistens im Ausland, in verschiedensten Ländern der Welt. Wir vermuten, dass dieser neue Ehemann für die Regierung mit Waffen gehandelt hatte. Daher wurden alle Spuren dieser Familie von Amtswegen gelöscht und verschleiert. Deswegen fand niemand den jüngeren Sohn, den Enkelsohn des alten Mannes. Als sein Großvater starb, da hat der ältere Enkelsohn, der Arzt, die Wohnung des Großvaters aufgelöst. Dabei kam er in den Besitz der Ikonen. Sein jüngerer Bruder war viel unterwegs, was er konkret machte, das wissen wir nicht. Er ist jedenfalls 1994 in Frankfurt aufgetaucht. Davor hat er in Dänemark geheiratet, bestimmt, weil dort kaum Unterlagen verlangt wurden. Er nahm den Familiennamen seiner Frau an. Bis 2000 verliert sich seine Spur erneut. Wir wissen jetzt etwas mehr. Seine Frau ist kurz nach der Heirat in Afrika umgekommen, sie war Ärztin im Hilfschor. Für die Behörden seines Landes war er nicht mehr existent, da er die Namensänderung in seinem Land nicht angegeben hatte. Irgendwie wurde er als im Krieg als verstorben betrachtet. Als der ältere Bruder an der Front starb, erbte die Mutter alles. Sie hielte die Wohnung des Sohnes weiter aufrecht, zahlte die Rechnungen, usw. Als dann auch die Mutter verstarb, übernahm der angeblich verschollene und toter jüngere Sohn den Nachlass seiner Mutter, wie auch die Hinterlassenschaft des mittlerweile verstorbenen Vaters als auch des Bruders. Um alles zu beanspruchen, verkaufen, oder auszuführen, brauchte er reguläre Papiere. Er musste in Belgrad seine Namensänderung angeben. Er bekam einen auf seinen neuen Namen ausgestellten Pass, sowie die Genehmigung die Hinterlassenschaft in das Ausland zu verbringen. Wir haben herausgefunden, dass sein Vater ein Kunstsammler war. Er war Zahnarzt, ließ sich die Arbeit oft mit Kunstgegenständen bezahlen. Der jüngere Sohn hat den Transport von diversen Kunstgegenständen organisiert. Es wurden zwei große Kisten, von mehreren Kubikmeter, zuerst per Lastwagen nach Budapest transportiert, dann nach Wien geschmuggelt. Aus Wien per Luftfracht nach Frankfurt. Wir haben sogar die Kopien der Zollunterlagen. Offensichtlich hatte er die Ausfuhrgenehmigung aus dem Land manipuliert, jemanden bestochen um diese Genehmigung zu bekommen. Man hätte sonst nie erlaubt, dass solche Kunstgegenstände aus dem Land ausgeführt werden. Die Ikonen stehen nicht auf der Liste, was aber nichts heißt. Zollanmeldung erhielt eine genaue Bezeichnung des Inhalts. Es waren der Unterlagen, Manuskripte, Zeichnungen, Gemälde, usw. Weiterhin, verzeichnet sind zwei kleinere Holzkisten und ein Lederkoffer, voll mit Unterlagen. Wir denken, der Lederkoffer, das waren unsere Ikonen. Sogar die Beschreibung des Koffers trifft zu. Auf alle Fälle, der Mann lebt jetzt in Frankfurt, die Sendung muss bei ihm sein, oder … er kann uns den nächsten Hinweis geben.«
Herr Bennstein schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank es aus. Er war kein großer Redner, hörte meistens nur zu und gab seine Kommentare ab.
»Über seine Person liegt Folgendes vor. Als er in Frankfurt auftauchte, arbeitete er zuerst in einem Antiquitätengeschäft. Davor muss er schwer krank gewesen sein, vermutlich ein Unfall, wir wissen es nicht genau. Er soll angeblich fast querschnittgelähmt gewesen sein. Seine Kontoüberprüfung ergab, dass er von der Rente seiner Frau lebt. Das Konto ist seit Jahren an der Minusgrenze, er besitzt keine einzige Kreditkarte, hat aber auch keine Kredite oder Schulden, dürfte jedoch pleite sein. Er besitzt ein nur ein altes Haus, eine alte Bahnstation. Er hat es für eine Deutsche Mark der Bahn abgekauft. Das Haus sieht von außen wie eine Ruine aus, von innen dürfte es noch schlimmer sein. Es steht eine Eintragung im Grundbuchamt, das Haus ist verpfändet. Er hat kein Internetanschluss, besitzt kein Handy, kein TV. Sein Stromverbrauch kann nur für den Kühlschrank und eventuell eine Kochplatte ausreichen. Der Mann ist, meiner Meinung nach, ein Verlierer. Noch besser, er ist ein Alkoholiker. In seinem Müll wurden etliche Wodkaflaschen gefunden. Er wird uns keine Schwierigkeiten machen. Überzeugen sie sich selbst, hier sind die Aufnahmen der Überwachung.«
Herr Bennstein drehte sich im Sessel um und schaltete mit der Fernbedienung den großen Monitor an der Wand ein.
Das Bild zeigte ein altes Haus, welches ausgezeichnet als die Kulisse für einen Gruselfilm herhalten könnte. Im Hintergrund sah man den Bahndamm mit den Stromleitungen. Das Bild wurde eingezoomt, nun sah man etwas deutlicher die Haustür und einzelne Fenster. Die Fassade war in keinem guten Zustand. Die nächste Sequenz zeigte eine Fernaufnahme zweier Männer am Bahndamm.
»Er ist der Rechte, links ist unser Mann«, sagte Herr Bennstein zur Aufklärung.
Der linke Mann rannte gleichmäßig und kräftig, der Rechte hüpfte merkwürdig voran, war mal schneller, mal langsamer, seine Schritte waren unregelmäßig. Auf einmal blieb dieser stehen.
»Schauen Sie, der kann nicht mehr«, kommentierte Herr Bennstein.
Der rechte Läufer fasste sich mit einer Hand an seinen Bauch. Es sah so aus, als ob er ohne Puste wäre und Schmerzen erleide. Er schaute kurz nach hinten, dann in seine Laufrichtung, lief endlich langsam weiter. Die zwei Jogger liefen aneinander vorbei. Das nächste Bild zeigte aus etwa einhundert Meter Entfernung den vorher rechten Läufer von vorne.
»Die Kamera zeigte die Aufnahme aus dem Blickwinkel unseres Läufers. Unser Mann hat eine verdeckte Kamera bei sich gehabt, um die Zielperson frontal aufzunehmen.«
Der Mann kam immer näher, jetzt sah man seine schmale Gestalt genauer. Was sofort auffiel, das waren die Augen. Der Mann hatte einen abwesenden und verzehrten Blick. Seine Augen glühten wie bei einem Irren. Herr Bennstein ließ seine Bemerkung nicht aus.
»Das ist es, was ich meinte, schaut euch seine Augen an. Er ist sogar jetzt total betrunken. Der wird uns keine Schwierigkeiten machen.«
Die nächste Sequenz zeigte den Mann wieder aus der Ferne. Er lief auf sein Haus zu, um eine niedrige Mauer herum, blieb vor der Haustür stehen und stolperte. Was die Kamera wegen des Blickwinkels und der Mauer nicht erfassen konnte, der Läufer hatte die Laufschuhe gegen die Stufen getreten, um die Erde und den Matsch abzuschütteln. Der Läufer verschwand im Haus.
»Wir haben den Vermittler für solche Zwecke eingeschaltet, er hat die Beschattung organisiert. Das hat er bereits öfters für uns und immer mit Erfolg erledigt, er ist absolut vertrauenswürdig und loyal. Er ist der Einzige der Kontakt zu uns hat. Sollte etwas schief gehen, dann wissen seine, von ihm eingesetzte Leute, von nichts. Das wird aber nicht passieren, sie haben es selbst gesehen warum. Das Haus und die Zielperson sind mehr als entgegenkommend für unsere Aktion«, legte Herr Bennstein seine Gedanken dar.
»Gut, ich sehe und begrüße es, sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet«, sagte Sir Gallmann, sein Lob war echt gemeint. »Ich gehe ihrer Erläuterung nun nach, dass diese Person unsere Ikonen hat, oder uns zu ihnen führen kann. Persönlich, denke ich, er hat sie. Sonst wären sie bereits irgendwo aufgetaucht. Wahrscheinlich weiß er gar nicht, was er hat. Was haben sie als Nächstes geplant, ihr Vorschlag?«
»Danke Sir Gallmann. Ich bin mir absolut sicher, wir sind kurz vor dem Ziel. Bevor ich unser Vorgehen weiter erkläre, haben sie eventuell noch Fragen?«, erwiderte Herr Bennstein erfreut. Lob vom Sir Gallmann zu bekommen, das war nun wirklich etwas Besonderes. Herr Mayer meldete sich mit kurzem Kopfnicken zum Wort.
»Sie erwähnten, man wisse nicht, was unsere Zielperson bisher alles gemacht hat. Viele Jahre fehlen. Sie sagten, er wäre kriminell gewesen. Erstens, ist etwas davon wahr, haben sie konkrete Anhaltspunkte? Zweitens, wie können Jahre seines Lebenslaufs fehlen?«
»Wie ich bereits sagte, sein Stiefvater hat höchstwahrscheinlich für die Regierung gearbeitet, daher wurden die Familiendaten geschützt, außerdem hatten sie den Diplomatenstatus. Niemand aus einer Handelsorganisation bekommt einfach so, für Chemikalienhandel, diesen Status, außer er hat etwas mit dem Staat zu tun. Und seine angeblich kriminelle Vergangenheit beruht auf alten Recherchen. Er soll im Balkankrieg mitgemacht haben, wahrscheinlich wie alle anderen geplündert. Es liegt zum Teil an der Mentalität des Landes, einer nimmt einen Apfel und gleich ist er ein Dieb, nimmt er zwei, dann ist er ein Krimineller. Wenn er ein Krimineller gewesen sein soll, dann bestimmt ein schlechter. Sie haben gesehen, wie er aussieht, wo er wohnt. Er hat im Jahr weniger zur Verfügung, als sie in einem Restaurant zum Abendessen ausgeben. Es wird eine leichte Aufgabe sein von ihm das zu bekommen, was wir wollen«, erklärte Herr Bennstein theatralisch. »So, oder so.«
»Nun gut, wie geht es jetzt weiter?«, fragte Sir Gallmann ungeduldig.
Herr Bennstein schaute in der Runde, da es keinen weiteren Fragen gab, fuhr er fort.
»Ich schlage vor, unser Vermittler soll die Zielperson bei nächster Gelegenheit direkt am Haus abpassen. Nicht verfolgen, nicht unterwegs, sondern direkt am Haus, wenn er alleine ist. Das Haus liegt abgelegen, wir hätten es nicht besser wünschen können. Die Zielperson lebt alleine, niemand wird etwas mitkriegen. Unser Mann soll die Zielperson in das Haus reinholen und zum Reden bringen, egal wie. Ich gehe auch davon aus, dass die Zielperson die Ikonen noch im Besitz hat, dass sie im Haus sind. Wir dürfen schon deswegen keine Aufmerksamkeit erregen, je weniger bei der Aktion dabei sind, umso besser. Wenn unser Mann die Ikonen hat, und er wird sie bekommen, dessen bin ich mir sicher, dann soll er die Zielperson eliminieren. Anschließend auch alle seine Leute. Keine Spur darf übrig bleiben. Die Ikonen soll er am besten gleich hier zum Herrn Mayer bringen. Da wir nicht wissen, wann es so weit sein wird, das kann schon in wenigen Stunden sein, vielleicht auch erst in ein-, zwei Tagen, sollte die deutsche Gruppe, bis es so weit ist, hier warten. Dann können wir in aller Ruhe die Ikonen in die Schweiz bringen.« Herr Bennstein legte sein Plan vor und pustete sich am Ende wie ein Pfau auf.
»Herr Mayer, steht etwas im Wege, wenn die deutsche Gruppe, bis es so weit ist, hier bei Ihnen im Haus verbleibt?« Sir Gallmann fragte nicht, er erwartete das.
»Hm, gut, dann haben wir es im Auge. So habe ich es mir zwar nicht vorgestellt, aber es ist ein recht guter Plan. Ich habe im Gästehaus Platz, die Unterkunft wäre somit geklärt. Ich muss …, wir müssen nur unsere Termine verschieben«, antwortet Herr Mayer widerwillig. Er kannte andere Männer gut, aber dass sie bei ihm wohnen, wenn auch nur für kurze Zeit, das war ihm nicht recht.
»Warum Schweiz, Herr Bennstein?« Sir Gallmanns Stimme wurde eisig. »Warum sollten wir die Kisten in die Schweiz bringen lassen?«
»Da sind sie am sichersten«, antwortete Herr Bennstein sofort.
»Gut, und dann? Was nutzt uns dieses am sichersten? Was sollen wir in der Schweiz mit den Kisten dann anfangen?«
»Das ist richtig, wir haben in der Schweiz keine Fachleute,« fügte Herr Mayer bereitwillig zu. »Das geht nicht. Wir sollen die Kisten hier in Deutschland belassen, wir können sie hier verarbeiten. Wir haben dafür ausgezeichnete Fachleute.«
»Nein, weder … noch.« Die Stimme vom Sir Gallmann klang bestimmend. »In der Schweiz haben wir keine Fachleute, nur Angeber. Und hier sind die Leute nicht besonders verlässlich. Wir haben hier genug Probleme mit diversen Bewegungen, Parteien. Sie wissen es selbst, hier versickern die Informationen. Nein, wir bringen die Kisten nach London. Von dort weiter in die USA, dort ist unsere Spielwiese, da haben wir unsere Leute.« Sir Gallmann schaute in die Runde. »Hat jemand einen besseren Vorschlag?«
Es war mehr als eindeutig, den Männern passte es nicht, was Sir Gallmann verlangte. Da aber niemand einen besseren Vorschlag, oder überzeugendere Argumente hatte, gaben die Männer mit dem Kopfnicken ihre Zustimmung.
»Dann wurde ich sagen, die deutsche Gruppe bleibt hier, die anderen sollen sofort abreisen. Wenn die Kisten da sind, dann werden sie nach London gebracht. Ich werde meine Gruppe benachrichtigen, sie die ihren. Ich bleibe einige Tage hier. Falls es schnell geht, dann werde ich die Ikonen persönlich mitnehmen. Sonst wird mein Leibwächter hier bleiben, wenn die Kisten da sind, sie abholen und nach London bringen. Sie beide sollten als Begleitung und wegen der Sicherheit mit ihm mitfliegen. Danke für ihr Kommen, meine Herren.« Sir Gallmann stand auf und ging aus dem Raum, ohne auf die Gegenreaktion zu warten. Er war der Boss, alle fügten sich seinen Entschlüssen.