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Selbst Schicksal macht Fehler

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»Er lebt, aber nicht mehr lange. Passt auf ihn auf, mal sehen, ob von ihm noch etwas zu erfahren ist«, sagte der Mann, welcher mit seinem Stiefel den Mohammad umgedreht hatte.

»Was soll der schon sagen, was wir nicht wissen«, meinte jemand.

»Ach, lass uns lieber weiter gehen und die Anderen erwischen, sie sind nicht weit gekommen.«

»Nein, passt auf ihn auf, ich will ihn für Zoran, vielleicht spricht er noch etwas«, ordnete der erste Soldat an. Als er den Namen Zoran erwähnte, zuckten alle zusammen, keiner der Anwesenden widersprach.

Einer der Soldaten blieb neben Mohammad knien, schussbereit mit seinem Gewehr in Anschlag.

Die Sonne geht unter, stellte Mohammad fest, in diesem Land wird es schnell dunkel. Er sah die Sonne nicht mehr.

Zwei Männer in Tarnanzügen glitten entlang der Häuser und blieben im Schutz einer Mauer unweit von Mohammad gebeugt stehen. Sie riefen den Soldaten neben Mohammad zu sich.

»Bleib hier, wir haben noch drei entdeckt, sie sind zurückgekommen. Bleib in Deckung. Es sind zu wenige für einen Angriff, sie suchen wahrscheinlich ihren Freund«, sagte einer der Scharfschützen und zeigte auf Mohammad.

Von der anderen Straßenseite, etwa einhundertfünfzig Meter entfernt, wurde das Feuer eröffnet. Die Schüsse galten nicht den drei Männern hinter der Mauer, sie galten Mohammad.

»Bleib hier und bewache ihn, wir machen das, los«, sagte Zoran und gab das Zeichen.

Die zwei Nachzügler in Tarnanzügen überprüften die Ladung ihrer Gewehre, verschwanden hinter der nächsten Mauer. Nach etwa fünf Minuten kamen sie zurück, hielten sich vorsichtshalber noch in Deckung.

»Die haben wir. Wir müssen schauen, wer der Mann da vorne ist, sie wollten ihn erledigen, nicht uns. Etwas stimmt nicht«, sagte der Scharfschütze und schlich zum Mohammad.

Zwischen den Häusern erschienen weitere Kämpfer in Tarnanzügen, versammelten sich um Mohammad. Der Wortführer beugte sich langsam über Mohammad. Er sah auf den ersten Blick, die Wunde war sehr schwer, dass der Mann am Boden überhaupt noch lebte, das war ein Wunder. Der Treffer muss ihm durch die Druckwelle den halben Brustkorb beschädigt haben, inklusive der Lunge. Der Lungendurchschuss war schon schlimm genug, stellte der Scharfschütze fest, jedoch schlimmer waren die Nebenschäden, den hydrostatischen Schock inbegriffen. Er fing an Mohammad zu durchsuchen und fand in der Jackentasche einen elektronischen Funkfernzünder.

»Kirche … Kirche«, keuchte Mohammad mit seiner letzten Kraft in Englisch und verlor das Bewusstsein.

Der Mann richtete sich auf und rannte auf die Kirche zu, blieb an der Tür abrupt stehen, als ob er ein grausames Bild dahinter vermutete. Sehr langsam öffnete er die Tür und betrat vorsichtig die Kirche. Nach einigen Sekunden hörte man bis auf die Straße unendliche Schreie, das Weinen unzähliger Menschen. Einige Männer von der Straße rannten auf die Kirchentür zu, konnten aber nicht mehr rein, da eine unvorstellbare Menschenmenge aus der Kirche herausströmte. Der Mann im Tarnanzug, der Scharfschütze, er wurde von der Menschenmenge aus der Kirche auf die Straße hinausgedrängt.

»Zoran, Zoran«, schrie eine Stimme aus der Kirche. Der Arzt aus der Kirche drängte sich durch die Menschenmenge und viel dem Scharfschützen um den Hals.

Zoran umarmte den Arzt, beiden Männern liefen Tränen über die Gesichter.

»Idiot, verdammter Idiot!«, schrie Zoran den Arzt erleichtert an.

»Ich habe dich nicht gerufen, danke … dass du da bist. Du bist ein Idiot, weil du wie ich selbst hier bist«, erwiderte der Arzt.

Durch die Reihen der Kämpfer auf der Straße ging ein einheitlicher Siegesschrei hoch. Sie haben ihr Ziel erreicht, sie haben den Bruder von Zoran gefunden.

Zoran und sein Bruder liefen durch die erschöpfte Menge durch, die Masse jubelte und hieß sie hochleben, obwohl sie nicht einmal wussten, wer sie befreite, oder wer die Befreier überhaupt waren. Als Zoran mit seinem Bruder an Mohammad vorbei kam, sagte Zoran:

»Es sieht nicht gut aus, er hat es nicht mehr lange. Es ist meine Schuld, hätte ich besser gezielt … wurde er sich jetzt nicht mehr quälen. Hast du etwas für ihn dabei, etwas was ihm helfen könnte?«, fragte Zoran seinen Bruder.

Der Arzt schaute auf Mohammad und erlitt offenbar einen Schock, denn er schrie laut auf:

»Los, helft mir, helft mir, dieser Mann muss am Leben bleiben!«

Ohne zu überlegen fasste Zoran die Beine von Mohammad an, auf seinen Blick sprangen zwei seiner Männer und halfen ihm mit.

»Schnell, in die Kirche, rein, rein, schnell!«, krampfhaft schrie der Arzt die Männer an.

Die Männer trugen Mohammad in die Kirche rein und legten ihn in den hinteren Bereich auf die Bänke hin. Hier hat Zorans Bruder die Patienten vorher versorgt, alle seine Sachen lagen noch ausgebreitet da. Zorans Bruder machte sich an die Arbeit. Eine der Helferinnen kam eilig in die Kirche, sah was los war, rannte weg. Nach einigen Minuten kam sie mit frischem Verbandszeug und Wasser. Gleichzeitig kam der Sanitäter vom Zorans Trupp, packte seine Ausrüstung aus und half mit. Während des Eingriffs erklärte Zorans Bruder in kurzen Sätzen was passiert war.

Zoran drehte sich um und fing an die Kirche zu durchsuchen, fand sechs Sprengpakete. Die Sprengkapseln waren nicht richtig angeschlossen, statt in die Sprengpakete waren sie eindeutig absichtlich einige Zentimeter weiter in die Rillen zwischen den Steinen gesteckt worden. Alles war exakt so, wie sein Bruder erzählte. Zoran schickte zwei seiner Männer los, um die Straße zu kontrollieren. Nach einigen Minuten kamen die Männer zurück und erstatteten Bericht. Auf einer Straßenseite wurden die Minen, Panzerfallen und Sprengfallen zuerst verlegt, dann deaktiviert. Auf der anderen Straßenseite wurde alles korrekt verlegt. Die Fallen auf der anderen Straßenseite haben sie beim Vorrücken selbst entdeckt und in die Luft gejagt, die anderen Mienen wurden bereits entweder deaktiviert oder gesichert.

Der Arzt, sein Bruder, kam auf Zoran zu.

»Ein sauberer Durchschuss, so was habe ich noch nie gesehen. Hat echt Glück gehabt. Der Einschusswinkel war eins von einer Million, nichts Ernsthaftes zerstört, die Lunge ist auch nicht kollabiert, nichts. Nicht einmal ein hydrostatischer Schock! Er hat unvorstellbares Glück gehabt, gut, dass du so schlecht schießt. Die Chancen stehen trotzdem nicht gut für ihn. Er hat schon zu viel Blut verloren, obwohl weder eine Vene noch Arterie beschädigt ist. Aber, wer weiß? Er braucht Infusion, Blut, Pflege, richtige Medikamente, er sollte schnellstens ins Krankenhaus. Ich glaube es einfach nicht, aber er ist bei Bewusstsein, komm mit …«

Zoran folgte seinem Bruder. Mohammad murmelte etwas vor sich hin, niemand verstand, was er sagte. Zoran beugte sich zu ihm und erwiderte in mildem Ton:

»Sei unbesorgt mein Freund, niemand wird dir etwas antun. Wir werden dir helfen, wir bringen dich ins Krankenhaus. Du hast vielen unschuldigen Menschen das Leben gerettet, auch wenn sie es dessen nicht bewusst sind. Du hast richtig gehandelt, wie ein Mann, wie ein Krieger, wie ein Heiliger. Du bist ein Heiliger! Nun hast du eine reine Seele, egal was du vorher getan hast. Ich danke dir, wir danken dir. Verzeihe mir bitte! Ich hätte es nicht wissen können! Verzeih mir bitte! Es tut mir so leid.« Zoran drehte sich um. Er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Mohammad verlor das Bewusstsein.

»Wir müssen sofort weg«, sagte Zoran zu seinem Bruder.

»Bist du verrückt, er wird sterben.«

»Du kannst hier nichts mehr tun. Wenn sie dich schnappen, dann bist du dran, er sowieso. Ihn werden sie bei lebendigem Leibe zerstückeln. Wir nehmen ihn mit, ich will ihm das Leben retten, wiedergeben, nicht nehmen«, erklärte Zoran bereits leicht zornig und beendete die Diskussion.

In der Ferne hörte man die Motoren schwerer Fahrzeuge, wahrscheinlich Panzer. Zoran lief mit seinem Bruder aus der Kirche, hinter ihnen trugen mehrere Männer Mohammad auf einer Trage. Geländewagen mit Blauhelmsymbolen warteten bereits vor der Kirche. Als alle in den Fahrzeugen einstiegen, fuhr die Kolonne mit Vollgas los.

Fünf Minuten später kam die Kolonne von Fahrzeugen und den Begleitsoldaten, bejubelt von den Einheimischen. Die Soldaten konnten nicht verstehen, was los war, denn das Dorf sollte eigentlich noch immer in der Hand der Feinde sein.

»Ich suche dich seit zwei Wochen, du Idiot«, sagte Zoran zu seinem Bruder, als sie das Dorf verlassen hatten.

»Kann sein, ich hatte zu tun, das ist meine Berufung«, antwortete Zorans Bruder müde.

»Ich weiß, ich verstehe es. Ist dir eigentlich bewusst, soweit ich gehört habe, alle hegen Hass gegen dich. Du hast allen geholfen, den Einen, den anderen, auch den Dritten. Weiß Gott, vielleicht auch den Vierten, und den Nächsten, welche danach kommen mögen. Alle wissen es, es spricht sich rum, du stehst auf allen Listen. Egal wer dich ergreift, der wird dich kalt machen«, sprach Zoran traurig vor sich hin.

»Zoran, ich kann nicht anders«, antwortete der Arzt müde.

»Wie viele hast du gerettet, wie vielen hast du geholfen?«, fragte ihn Zoran, »bestimmt mehr als genug. Du hast genug getan. Du kannst nicht die ganze Welt retten, gehe nach Hause, bitte. Lass uns nach Hause fahren, du kannst später helfen, an einem anderen Ort. Sie wartet auch auf dich«, bettelte ihn Zoran an.

»Ja, es ist nun Zeit. Ich kann mich hier nirgendwo mehr blicken lassen. Du hast vollkommen recht, sie wird verrückt vor Sorge sein«, meinte Zorans Bruder zu der Angelegenheit. »Wo hast du diese Bande her, die Fahrzeuge?« Das Wort Bande meinte er nicht negativ.

»Eine Hälfte ist aus meiner alten Einheit, oder Männer, welche ich damals ausgebildet habe. Die andere Hälfte sind Söldner, angeheuert, Amis, Engländer, Holländer, keine Ahnung, wo die alle herkommen. Das wird sehr teuer werden, du Idiot«, erklärte Zoran grob die Umstände.

»Und die Fahrzeuge?«

»Ist schon ein Wunder, was Autolack aus der Sprühdose anrichten kann, und erst die Männer, welche alle Sprachen außer der Einheimischen sprechen«, antwortete Zoran und lachte wie ein Kind, »außerdem, was kann ich denn dafür, wenn die Leute Ihre Fahrzeuge auf der Straße stehen lassen.« Zoran machte kurze Pause und schaute seinen Bruder an. »Oh Mann, bin ich froh dich zu sehen. Es gibt nicht genug Orden auf dieser Welt um dich für deine Taten zu ehren. Ich bin stolz auf dich. Du bist trotzdem, ein Idiot, mein Idiot!«

»Ich auch«, erwiderte Zorans Bruder, »ich bin auch auf dich stolz, mein Bruder, ich liebe dich.«

Sie haben das Zischen der Granate nicht hören können, sie sahen nur grelles Licht und Blitze um sich herum. Die Granate traf neben dem Fahrzeug. Das gepanzerte Fahrzeug flog in die Luft und überschlug sich mehrmals, blieb schließlich auf dem Dach liegen. Restliche fünf Fahrzeuge fuhren ein Stück weiter und suchten Schutz im Wald, Stellung wurde bezogen, Granatwerfer aufgestellt und das Feuer erwidert. Mehrere Männer rannten zum Wrack zurück.

Der Fahrer des Wagens wurde herausgeschleudert und lag unverletzt, jedoch benommen neben dem Fahrzeug. Zoran und sein Bruder saßen noch im Fahrzeug, die Männer zogen sie aus dem Wrack heraus. Überall war Geruch vom Benzin, sie müssten umgehend weg, das Fahrzeug war voll mit Waffen und Munition, es wird sich jeden Moment anzünden und anschließend explodieren.

Zoran konnte sich kaum bewegen, er war wie gelähmt. Bei der Explosion wurde er gegen die Decke des Fahrzeugs geschleudert, hatte seinen Kopf und irgendwie auch den Hals verletzt. Er hielt noch immer den weißen und blutverschmierten Kittel seines Bruders in der Hand, ließ es nicht los. Sein Bruder hatte nur winzige Verletzungen im Gesicht, sonst war nichts zu sehen. Er war tot, sein Hals wurde beim Aufschlag und den Aufschlag gegen das Dach des Fahrzeugs gebrochen.

Die Männer trugen Zoran und seinen Bruder in den Wald und verschwanden. Was danach geschah, ist Zoran entgangen, oder er hat es einfach verdrängt. Die Anwesenden haben es nicht vergessen. Zoran hat seinen Bruder vierzig Kilometer von der Explosionsstelle entfernt mit eigenen Händen begraben. Die Stelle suchte er selbst aus, an einem Berghang, direkt unterhalb der Kuppe. Der Ausblick war atemberaubend, wie auf einer Postkarte, ein tiefes Tal mit Bergen im Hintergrund, eine saftige friedliche Wiese am Waldrand. Richtung Süden, so wird sein Bruder den ganzen Tag Sonne haben.

Als letzte Worte am Grab sprach er einen Vers seines Großvaters.

»Der Feind ist stark. Mächtig. Nicht immer können wir gewinnen. Lernen wir zu verlieren, zu überleben. Danach werden wir weiter kämpfen. Ich werde kämpfen!«

Es stellte sich die Frage wohin mit Mohammad. Sie konnten ihn nicht mitnehmen, hatten keine Papiere für ihn. Sie konnten ihn weder nach Zagreb noch nach Rijeka bringen lassen, dort würde er, da er die Sprache nicht beherrschte, sofort als Feind erkannt. Die letzte Chance für ihn war die Rückfahrt in den Kessel, wo sich genug Ärzte aufhielten, aber auch seine ehemaligen Freunde und Auftraggeber. Dort wurde er vorerst am wenigsten auffallen und hätte die besten Chancen. Vorerst.

Zwei Männer fuhren mit Mohammad Richtung Sarajevo, einer von ihnen war selbst aus Sarajevo. Sie werden Mohammad ins nächste Krankenhaus bringen, dann selbst nachkommen.

Die Gruppe von Zoran drehte nach Osten, Richtung Slowenien. Eine Stunde später stießen sie auf die Fahrzeuge der Soldaten von wem auch immer. Diese Soldaten baten Zorans Kolonne, weil sie diese für echte Blauhelme hielten, um Begleitschutz. Zoran machte mit, dadurch war es noch leichter und unauffälliger aus der Kampfzone heraus zu kommen.

Zorans Männer unterhielten sich ausschließlich in Englisch, die Freischärler in deren Sprache, sie wussten nicht, dass man sie versteht, machten deswegen den Fehler. Sie erzählten im Eifer unter sich was sie jetzt für Waffen kaufen werden, was sie für das Geld alles bekommen können. Und sie erzählten noch stolz, wie sie an das Geld gekommen waren, auch wer und was in der letzten Zeit gemacht hatte. Die Freischärler brüsteten sich mit ihren Taten, erzählten wie viele Frauen und Mädchen sie vergewaltigt, wie viele Männer sie erschossen haben. Einige andere wiederum, wie sie aus den Leuten die Geständnisse herauspressten. Wie viele Schädel sie mit dem Hammer zertrümmert haben. Sie lachten dabei.

Zorans Männer, welche die Sprache verstanden, hielten sich auf Distanz und versuchten nicht zuzuhören. Sie schauten auf Zoran und warteten auf einen Befehl, egal was für welchen, Hauptsache, dass Zoran endlich das Gerede beendet. Es kam kein Befehl.

Zoran saß inmitten der Gruppe und hörte sich alles an. Nicht einmal bei den grausamsten Geschichten verzog sich sein Gesicht. Zoran wusste es, dies waren keine Angebereien, die Geschichten waren wahr. Etwas in ihm zerbrach. Er schaute sich einen Mann nach dem anderen an, führte innerlich seine Diskussion, pro und kontra, fällte die Urteile.

In einem Wald an der Grenze zu Slowenien stellten sie die Freischärler bloß. Sie nahmen ihnen alles ab, die Waffen, Fahrzeuge, das Geld. Für Zoran stand fest, es ging nicht um das Geld, das Geld war nun mal da. Zoran nahm aus der Munitionskiste mehrere Magazine für seine Waffe, befahl seinen Leuten weiter zu fahren und am Waldrand auf ihn zu warten. Er blieb mit den Freischärlern alleine.

Zoran machte kurzen Prozess. Es war ihm vollkommen egal wer, oder was, diese Männer waren. Es war ihm egal, ob sie Freunde oder Feinde waren, ob sie Väter oder Kinder waren, ob sie Familien hatten. Diese Männer waren Bestien, keine menschlichen Wesen mehr. Zoran ließ die Männer in einer langen Reihe hinknien. Jedem Mann einzeln erklärte er, was er ihm vorwarf, klagte ihn im Namen seiner Opfer an. Er verurteilte jeden Mann im Namen der Gerechtigkeit … und schoss. Nach Zorans Ermessen war diese Strafe für die begangenen Taten die mildeste Strafe. Mit einem Markierspray schrieb er an einen in der Nähe umgefallenen Baumstamm das Wort: »Drakon«. Die Menschen werden es wissen, warum dies geschah, sie werden es verstehen. Es war eine drakonische Strafe für grausame Untaten.

Als Zoran aus dem Wald kam, da wussten seine Leute, was er gemacht hatte. Niemand stellte Fragen, niemand sagte ein Wort, niemand verurteilte ihn. Die Männer bewunderten ihn, keiner von ihnen wäre selbst imstande gewesen, kaltblütig soweit zu gehen. Er tat das, was sie selbst tun wollten, aber nicht konnten.

In Slowenien, wo sie sich sowieso wie vorbereitet auflösen wollten, teilten sie die Beute. Für jeden vielen mehr als zwei Millionen Dollar ab. Zoran erwähnte, er wurde den Männern noch den Rest des vereinbarten Geldes für die Aktion schulden, er wolle es ausgleichen. Die Männer lachten sich kaputt. Einige aus seiner alten Einheit wussten es, Zoran hatte alles was er besaß verkauft und verpfändet, nur um an das Geld für diese Aktion zu kommen. Das sprach sich herum, war allgemein bekannt. Am Anfang war das den Leuten egal, Zoran musste sie bezahlen, er wollte ja etwas von ihnen. Jetzt, nach der riesigen Beute, da hatten sie kein reines Gewissen mehr. Einer der Männer meinte, eigentlich müssten sie ihn bezahlen. Ohne sich abzusprechen, lief jeder Einzelne auf Zoran zu, legte mehrere Bündel Scheine vor ihn, auf den Tisch an welchem er saß. Das, wofür sie angeheuert wurden, das haben sie nicht erfüllt. Sie fühlten sich daher verpflichtet mindestens die Heuer zurück zu erstatten und einen Teil vom eigenen Beuteanteil abzugeben. Er war der Kopf, der Boss. Zoran sagte nichts, starrte auf den Geldberg wie in ein Feuer.

Zoran organisierte an Ort und Stelle, Mohammad sollte im Krankenhaus überwacht, beschützt, und umgehend herausgeholt werden. In Sarajevo erreichte er einen alten Freund seines Großvaters, welcher sofort zusagte zu helfen. Zoran schickte ihm über einen seiner Männer das Geld für die Ärzte, für die Beschützer, für den alten Mann selbst, sowie das Geld für die Flucht von Mohammad. Für Mohammad persönlich legte er noch mehr Geld dazu. Den Anteil für die zwei Männer welche Mohammad ins Krankenhaus brachten nahm Zoran an sich, er wird auf sie warten. Die Gruppe löste sich auf.

Als die Männer aus Sarajevo nachkamen, fanden sie Zoran orientierungslos vor, er litt unter furchtbaren Kopfschmerzen. In diesem Zustand und mit so viel Geld bei sich wurde er es nie über die Grenzen nach Deutschland schaffen. Die Männer beschlossen Zoran zu begleiten. Zoran rief einen sizilianischen Bekannten an, bat ihn um Hilfe. Sie müssten zuerst irgendwie nach Parma durchkommen. Aus der Fabrik, welche den bekannten Schinken herstellte, fuhren sie in einem Kühllastwagen über Österreich nach Deutschland. Die Fabrik schickte jeden Tag mehrere Lastwagen nach Deutschland, die Fahrzeuge wurden vom Zoll nie kontrolliert. Sie haben sich im Kühlraum eingerichtet, der Fahrer hatte die Kühlung ab und zu ausgeschaltet, außerdem waren sie entsprechend angezogen. Gleich hinter der deutschen Grenze verließen sie das Fahrzeug, ein Bekannter holte sie ab. Damit er wegen gebrochener Zollplomben keine Probleme bekommt, meldete der Fahrer bei der Polizei am nächsten Autohof einen versuchten Diebstahl an.

Seine Kopfschmerzen und Träume fingen bereits nach der Explosion an, wurden von Tag zu Tag schlimmer. Sie waren schon vorher da, aber nicht so stark! Es war ihm bewusst, er wird sich für immer verstecken müssen, unauffällig bleiben. Unsichtbar. Irgendjemand wird irgendwann die Zusammenhänge verbinden, die Personen identifizieren, die Geschichte nachvollziehen. Einige werden ihr Geld zurückhaben, die anderen sich rächen wollen. Auf diesen Tag wird er vorbereitet sein. Wer auch immer kommt, er wird es mit Zoran nicht leicht haben. Egal wann und warum, der Geschickte wird kommen. Er wird genauso schuldig sein, so schuldig wie die Männer, welche er im Wald hingerichtet hatte. Zoran wird für niemanden mehr eine Gnade haben.

Die Worte seines Großvaters klangen in Zorans Ohren nach. Hat er ihm damals sein Schicksal prophezeit, oder ihn gewarnt? Er hat ihm so viel gesagt …

»Ich muss unerkannt bleiben, wie alle bisher …«

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