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Handlanger
ОглавлениеSie befanden sich im vierunddreißigsten Stock eines der Bankhochhäuser, standen dicht am Fenster und betrachteten die Skyline von Frankfurt. Unter ihren Füßen lagen die Dächer der Stadt. Der Main leuchtete trübe und teilte die Stadt in zwei Hälften. Niemand reagierte auf das leise Klopfen an der Tür. Das Klopfen wiederholte sich, wurde aber nicht lauter. Einer der Männer ging zur Tür und öffnete sie ruckartig. Die adrett gekleidete Angestellte kam einen Schritt in den Raum hinein und blieb scheu stehen. Sie hatte Bedenken weiter zu gehen, denn ihr Chef war an diesem Morgen merkbar aufgeregt, nicht gut zu sprechen. Dieser sprach sie sanft an, er merkte ihre Konfusion:
»Ja Frau Kohlmann, was ist?«
Die Frau wurde noch unsicherer, streckte abwehrend ihre Hand vor sich hin und antwortete:
»Ein Bote ist für Sie da, Herr Mayer, er ist gerade gekommen.«
»Lassen Sie ihn herein«, erwiderte ihr Herr Mayer.
Die Sekretärin trat zurück und ließ den Boten an sich vorbei. Der Mann war unscheinbar, um die Vierzig, angezogen wie ein üblicher Büroangestellter. Bis auf seine Schuhe, er trug eine Art Sportschuhe. Der Mann übergab Herrn Mayer einen Mikrochip, drehte sich um und verließ den Raum ohne das ein einziges Wort gefallen war. Frau Kohlmann wusste, was sie zu tun hatte, sie machte die Tür hinter sich leise zu.
Herr Mayer drehte sich um und spielte mit dem Chip zwischen seinen Fingern, holte schließlich aus seiner Jackentasche das Handy heraus und steckte das winzige Ding hinein. Er las die Nachricht, schüttelte mit dem Kopf, fing an zu grinsen, dann zu lachen, drehte sich zu seinem Besucher und sagte vorwurfsvoll:
»Wir haben ihn. Nein, Zürich hat ihn! Hier, vor unserer Nase! Hier, in Frankfurt!« Herr Mayer wurde lauter, sein Gesicht errötete sich. Einen Teil der Nachricht las er laut vor. »Träger gefunden. Frankfurt. Bestätigt. Treffen 18:00 Uhr. Frankfurt.« Herr Mayer ging zu einem Stuhl am langen Konferenztisch und setzte sich hin. Der Besucher stand zuerst wie versteinert da, setzte sich dann ebenfalls hin.
»Herr Mayer …«, sagte der Mann.
»Schweigen Sie, alles ist gesagt. Das kann doch nicht wahr sein! Hier, vor unserer Nase? Er ist hier in Frankfurt. Vielleicht sind wir schon an ihm vorbeigefahren, im gleichen Restaurant gesessen? Nein, vielleicht hat er uns sogar beim Essen bedient? Oder ist er einer unserer Angestellten? Hat bestimmt sein Konto bei uns. Nicht zu glauben! Hier? Das darf doch nicht wahr sein!«
Herr Mayer steigerte sich hoch. Die letzten zehn Jahre seiner Anstrengungen auf der Suche nach der unbekannten Person kamen ihm lächerlich vor, seine ganze Wut brach aus ihm heraus. Er sprang auf, schnappte den Stuhl, auf dem er saß, fing an gegen die Wand zu schlagen, gegen die Rollläden, den Tisch. Erst als der Metallrahmen des Stuhls komplett verbogen war, brach er ab, warf das zerstörte Möbelstück in eine Ecke, setzte sich auf einen anderen hin. Sein Anzug unter den Armen war gerissen, was er gleich bemerkte. Er zog sein Jackett aus und warf es dem Stuhl hinterher. Der Inhalt der Taschen flog durch die Gegend, Brieftasche, Zigaretten, Feuerzeug, Füller. Herr Mayer zerrte an der Krawatte und riss sie ab, rollte die Ärmel des blauen Hemdes hoch. Die sichtbaren Schweißspuren unter den Armen störten ihn nicht, für ihn war der Tag bereits gelaufen.
»Wir haben zu tun«, sagte er zu seinem noch immer fassungslosen Besucher. »Holen Sie den Boten rein! Ich kann es noch immer nicht fassen, für wie bescheuert werden sie uns halten? Sie werden uns auslachen. Aber … für uns wird auch etwas abfallen. Jetzt werden wir alle reich, unendlich reich!«