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1. Tatbestandliche Voraussetzungen
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Wie bereits erwähnt, stellt die Vorschrift des § 255 StGB eine Qualifikation des § 253 StGB dar. Von der (einfachen) Erpressung, § 253 StGB, unterscheidet sich § 255 StGB lediglich durch die Verschärfung des Nötigungsmittels. Statt „Gewalt“ muss der Täter „Gewalt gegen eine Person“ anwenden bzw. statt „mit einem empfindlichen Übel“ muss der Täter „mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ drohen. Diese Nötigungsmittel sind ihrerseits identisch mit denen des Raubes, § 249 StGB, weshalb sich gerade in dieser Konstellation die bereits mehrfach erwähnte Abgrenzungsfrage von Raub und (räuberischer) Erpressung stellt.[331] Die räuberische Erpressung baut als Qualifikation lediglich auf die Tatbestandserfüllung des § 253 StGB auf, sodass die besondere Bestimmung der Rechtswidrigkeit über die in § 253 Abs. 2 StGB enthaltene Verwerflichkeitsklausel nicht übertragbar ist.[332] Allerdings dürfte eine solche Verwerflichkeit mit Hinblick auf die qualifizierten Nötigungsmittel auch stets vorliegen.
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Gewalt gegen eine Person zeichnet sich – im Gegensatz zur „einfachen“ Gewalt im Sinne des § 253 StGB – dadurch aus, dass sie sich gegen einen Menschen richten muss.[333] Nach der hier vertretenen Ansicht, die (auch) für die räuberische Erpressung eine Vermögensverfügung voraussetzt,[334] kommt als Gewalt nur vis compulsiva in Betracht. Oben[335] wurde bereits aufgezeigt, dass insoweit eine „einfache“ Gewaltanwendung i.S.d. § 253 StGB, die sich nicht gegen Personen richtet, kaum einmal vorkommen wird. Sie ist an sich nur denkbar, wenn durch die Einwirkung auf Sachen mittelbar auf den Körper des Opfers eingewirkt, d.h. nicht nur eine rein psychische Zwangswirkung ausgelöst wird.[336] Die Gewalteinwirkung muss dabei eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten.[337]
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Die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben kann auch konkludent erfolgen,[338] etwa durch das bloße Vorhalten einer Waffe. Sie muss einen Menschen betreffen, die Drohung mit der Tötung eines Hundes (oder eines sonstigen Tieres) reicht also z.B. nicht aus. Zudem ist die Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich.[339] Damit ist gemeint, dass die angedrohte Gefahr für Leib oder Leben bei ungehindertem Verlauf nach menschlicher Erfahrung als sicher oder sehr wahrscheinlich anzunehmen ist. Ausreichend ist das Vorliegen einer sog. Dauergefahr, wenn diese zu einem späteren Zeitpunkt in einen Schaden umschlagen kann.[340] Dabei erfordert es der wirksame Schutz von Erpressungsopfern, den Begriff der Gegenwärtigkeit angedrohter Gefahren nicht zu eng zu verstehen.[341] Wie auch bei § 253 StGB kann sich die Gewalt auch gegen dritte Personen richten.[342]