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Harald Schmitt – der Fotograf

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Auf der anderen Seite wartet Harald Schmitt. Harald, der junge Fotograf, ein Dreißigjähriger, charmant, höflich, gute Manieren. Schmitt fühlt sich „in der Hauptstadt“, wie er Ostberlin nennt, heimisch. Seit zwei Jahren lebt er hier, zufrieden, wenig beschäftigt. Nick Barkow, der bisherige Korrespondent, Müllers Vorgänger, konnte nur wenige Geschichten platzieren, nachdem vor ihm Eva Windmöller und ihr Mann Thomas Höpker die DDR als kleinbürgerliche Idylle dargestellt hatten, ein biederes Land mit biederen Menschen – die Klorollen auf der Ablage ihrer Kleinwagen unter Häkeldeckchen verborgen, dickbäuchige Handwerker der Mangelwirtschaft, gemütliche Brigaden und Kleingärtner in ihren Wochenendhäusern, die sie, nach russischem Vorbild, Datschen nennen. Beschauliches Deutschland, nicht so ganz demokratisch, wissen wir, wollen wir, drüben, in der alten Bundesrepublik eigentlich auch gar nicht wissen. Es soll nur schlimm sein dort. Keine Freiheit.

Thomas Höpker hatte die DDR als das „langweiligste Land der Welt“ bezeichnet. Welch ein Irrtum. Die DDR ist spannend, aufregend, irritierend. Ein politisches Labor für den „real existierenden Sozialismus“, eine Diktatur, die Einparteienherrschaft der SED, ein Überwachungsstaat. Unverändert. Müller ist hier aufgewachsen. Ein Wiedersehen. Aufmärsche, Paraden, Kinder mit Pionierhalstüchern, die Hand zum Gruß an der Mütze, Jugendliche in blauen Hemden, massenhaft, bestellt, aufgestellt. Es wird marschiert, Tribünen mit dem Vorsitzenden der Genossen, dem Ministerrat. Militärkapelle. Parade mit den bewaffneten Streitkräften. Schmitt fotografiert das alles. Ohne Auftrag. Ein Chronist. Harald Schmitt kennt sich mittlerweile aus. Verhaltensregeln, Vorzüge, Vorschriften, Einschränkungen. Nach zwei Jahren beherrscht er den Alltag, weist den Neuen ein. Müller ist nicht fremd. Aber es sind alte Bilder, Erlebnisse, die 23 Jahre zurückliegen.

Schmitt ist ein Bildersammler, der Menschen mag, sich ihnen freundlich nähert, sie erkennt, für sich gewinnt, sie ermuntert, einen Augenblick in ihrem Leben. LPG-Bauern am Feldrain, unbekümmert fröhliche Jugendliche auf dem Weg nach Berlin, Maler in ihrem Atelier, Autobastler mit ihrem Trabant, Diplomaten staatsmännisch und den Staatsratsvorsitzenden in Afrika. Er denunziert nicht, er findet das Besondere. Dazu die Kuriositäten und Schäden dieses unbekannten Landes: Parolen, Schaufensterauslagen, Briketts auf Bürgersteigen, verdreckte Fabriken, verfallene Häuser. Schmitt und Müller – zwei Geschichtensucher auf dem Weg.

Das Honecker-Attentat und andere Storys

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