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Zwischen den Welten

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Ist er aus Sehnsucht nach Heimat in dieses Land zurückgekehrt, hat er deshalb sich abgewendet von den Bequemlichkeiten Hamburgs, dort alles zurücklassen? Wie gemächlich kommod war es dort gewesen, an Alster und Elbe, in dieser Meeresstadt am großen Strom. Joggen rund um die Außenalster, Spaziergänge in Övelgönne, am großen Fluss, mit Paolino am Wasser, mit dem Chinesen im Kiez von St. Pauli, Hafenrundfahrten, mit der besseren Gesellschaft der Opernbesucher, Zadeks Othello und Hamlet, Peymanns Faust im Schauspielhaus, Boy Gobert am Thalia-Theater, mit Antonio in seinem „Erdbeerparadies“, mit dem Markt unter der U-Bahn, mit dem Fünf-Minuten-Fußweg von der Hansastraße zum Rothenbaum ins Studio, Sendungen morgens, mittags, abends, nachts, geregelt mit Dienstplänen, Begegnungen mit den Honoratioren der Freien und Hansestadt. Partys, Wochenenden im alten Land, bei den Malern und Dichtern in Lüchow-Dannenberg. Hamburg, eine sichere, angenehme, abwechslungsreiche Stadt mit Flair, mit dem Hafen, dem Geruch von Fluss und Meer, für Müller eine der schönsten Hafenstädte der Welt.

Müller erzählt der neuen Frau aus dem Osten aus seinem fernen Leben, von seiner Zeit im Westen, den 23 Jahren zwischen Abkehr und Rückkehr, von der gemütlichen fränkischen Kleinstadt Schwabach und seinen ersten Reportagen für die Zeitung, von seinem Wechsel in die Bischofsstadt Limburg an der Lahn, nach Hannover, Hamburg, Berlin, von seinen gescheiterten Ehen, von der Bindungsunfähigkeit, die er bei sich vermutet, von den Fluchten.

„Und dann kommst du ausgerechnet zu mir?“, fragt ihn Brigitte B.

„Es sollte wohl so sein“, antwortet er.

„Du wirst nicht bleiben. Du kannst nicht bleiben“, sagt sie.

Er weiß, sie würde ihn gehen lassen.

Müller erzählt, von anderen nach seiner Biografie gefragt, Geschichten, die den Bewohnern in diesem Land zwar aus dem Fernsehen bekannt sind, die ihnen dennoch unglaublich erscheinen, die sie nun aber von einem hören, der dabei gewesen ist: bei den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, gegen den Schah-Besuch, gegen die Berichterstattung der Springer-Presse, gegen die Haftbedingungen der Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe, von einem, der die Straßenschlachten in Westberlin, die Proteste gegen die Atommülldeponie in Gorleben im Wendland und gegen den Bau von Brockdorf miterlebt hat.

Manches Mal ertappt er sich zu spät dabei, dass er seine Zuhörer verletzt, ein Angeber, erzählt er von Taucherlebnissen auf den Malediven oder im mexikanischen Cozumel, von den Straßenküchen und den schwimmenden Märkten in Bangkok, von den Fremdenführern in Kairo, Reisen nach Bali, Hongkong, Peru. Ihnen ist alles verwehrt, selbst die nahe gelegenen Ziele: Dänemark, Schweden, Italien, die Schweiz, Österreich.

Ein Ehepaar und ein Eindringling. Der Zerstörer einer Beziehung. Aber: Der Mann von Brigitte B. lässt sie gehen, gibt sie frei. Hier gehören sie einander weniger als drüben, weniger aneinandergebunden, verbunden. Vielleicht wird alles anders. Nur eine Laune. Eine Affäre, die von den Umständen beendet wird. Oder eine Chance. Er hat sich entschieden. Für eine andere – eine, die ihm gefällt. Das Abenteuer in der Krise. Im Land der Trennungen. Land der selbstbewussten Frauen. Unabhängig, von allem, nur nicht von Gefühlen. Das schmerzhafte Ende. Der Versuch des Neuen. Der andere Wolf B., ihr Mann, der verlassene Mann kennt Marlies, eine Begegnung in Ahrenshoop, ein Wiedersehen in Berlin.

Er begehrt Marlies, er verlässt Brigitte B.

Das Honecker-Attentat und andere Storys

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