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Erfüllung unter Kontrolle

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Als sie endlich in die Stadt kommt, weiß sie, sie wird ihn nicht warten lassen, nicht länger. Die Bereitschaft, sich mit ihm einzulassen, Neugier, Interesse, ohne ahnen zu können, wohin das alles führen soll in dieser komplizierten Verbindung.

Das Ritual: Essen im Grand Hotel – asiatisch mit der Darbietung zur Benutzung von Stäbchen durch geschulte Ostberliner Kellner. Anschließend eine Vorstellung im Deutschen Schauspielhaus. Danach: Sie fahren zu ihm in den Plattenbau, passieren den Grauen vor der Tür, der gleich Meldung machen wird, benutzen den Fahrstuhl, er zeigt ihr die drei Zimmer seiner Wohnung, die er zuvor nach Männerart in Ordnung gebracht, so weit als möglich aufgeräumt hat. Als er sie in den Arm nimmt, küsst, sie auszieht, ihr sagt, wie er sich diesen Augenblick gewünscht hat, dass er sich diese Stunde mit ihr vorgestellt hat, in den Nächten der vergangenen Wochen, dass er verrückt geworden ist vor Sehnsucht nach ihr, als er ohne Hemmung ihr dies alles sagt, vergisst er die Zuhörer, die ihre Mikrofone in allen Teilen der Wohnung installiert haben.

Erst später, sie liegen nebeneinander, er streichelt sie, erinnert er sich an die Genossen und erklärt ihr, sie müsse keine Furcht haben. Zu den Unbekannten gewandt, in Richtung Zimmerdecke und zu ihr sagt er: „Sollten sie dich behelligen, die Genossen Voyeure, werden wir unsere Geschichte erzählen. Dann werde ich über uns schreiben und über euch Herrschaften und eure verantwortungsvolle Arbeit dort oben oder unten, im 13. oder im zweiten Stock. Ich werde über euch und über uns schreiben und unsere besondere Beziehung, Genossen. Drushba!“

Er spielt die Szene, spielt sich in Szene, will ihr zeigen, wie sehr er Herr der komplizierten Lage ist, wie er umgehen kann mit denen von der Staatssicherheit, die sich aber längst in sein Leben eingemischt haben, es kontrollieren und mit beherrschen. Sie hört seinen Monolog, fühlt sich beklommen amüsiert, bleibt, vergisst die Zuhörer, schläft neben dem Deutschen aus Westdeutschland.

Er weiß um ihre ständige Anwesenheit, ihr Dasein; Tag und Nacht, eingeteilt in Schichten, kommen sie zum Dienst. Sie haben gefrühstückt, die Kinder versorgt, in den Hort oder in die Schule gebracht, haben mit ihren Partnern über das Wochenende gesprochen, über Verwandtenbesuche, Familienfeste, die Zensuren der Kleinen, den Einkauf von Lebensmitteln in der Kaufhalle und im Sonderverkauf für Mitarbeiter der Organisation. Der Innendienst erfordert besondere Aufmerksamkeit, weil es gilt, aus scheinbar harmlosen Telefongesprächen mögliche Verabredungen und geheime Informationen herauszuhören und zur Überprüfung weiterzuleiten. Gründlich geschult, können sie zwischen normaler Konversation und konspirativen Unterhaltungen unterscheiden. Er hat sich bereits häufiger an sie gewandt, sie mit Bruckner in voller Lautstärke erschreckt, ihnen einen guten Morgen gewünscht, ihnen zugeprostet, auch für sie ein Glas eingeschenkt. Eines Tages haben sie sich revanchiert und auf einem Hut im Flur eine grüne Wanze hinterlassen.

Das Honecker-Attentat und andere Storys

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