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Verbstellung im Haupt- und im Nebensatz
ОглавлениеViele Sprachen haben die unmarkierte Verbstellung SVO (Subjekt-Verb-Objekt), andere haben SOV oder VSO (oder noch andere Grundstellungen), wenn aber das Objekt vorausgesetzt (topikalisiert) wird, dann kann es auch mal vorangestellt werden (that boy I’ve never seen). Im Nebensatz hat das Deutsche SOV, ähnlich wie Türkisch oder Japanisch: als wir ihn besuchen wollten, aber bei weil ist das dann manchmal strittig, und man sagt auch: weil er war nicht zuhause. Das ist die Hauptsatzstellung, die nun nicht dem Muster SVO (wie im Englischen oder Französischen) folgt, sondern der Verbzweitstellung. Das heißt, vor dem Verb muss irgendetwas stehen: das Subjekt, das Objekt oder ein Adverbial (das Subjekt selbst kann somit entweder vor oder nach dem Verb stehen):
wir besuchten ihn gesterngestern besuchten wir ihnihn besuchten wir gestern (markiert)
Das ist nun für viele eine ganz unerwartete Regularität. Käme man von einer SVO-Sprache, würde man ∗gestern wir besuchten ihn erwarten, was aber im Deutschen ziemlich verpönt ist. Käme man von einer SOV-Sprache, wäre vielleicht ∗gestern wir ihn besuchten zu erwarten, was aber bestenfalls im Nebensatz geht, nur besser mit dem Subjekt vorne: (als) wir ihn gestern besuchten. Nicht nur, dass das Deutsche zwischen Hauptsatz- und Nebensatzstellung unterscheidet; die Hauptsatzstellung steht dazu noch im Konflikt mit dem, was in den meisten anderen Sprachen gebräuchlich ist.
Verbzweit ist zwar nicht ein völliges Unikum unter den Sprachen der Welt, jedoch ein sehr seltenes Phänomen. Man findet es im Germanischen (im Deutschen und Niederländischen sowie, etwas anders gestaltet, im Schwedischen, Norwegischen und Isländischen), schon ziemlich selten in anderen indoeuropäischen Sprachen (im Bretonischen, im Altfranzösischen und im nordindischen Kashmiri) und wirklich nur als eine sehr zufällige Ausprägung in den austronesischen Sprachen Taiof (1400 Sprecher auf einer kleinen Insel bei Bougainville) und Sisiqa (einige tausend Sprecher auf einer der Salomon-Inseln) sowie in der uto-aztekischen Sprache Tonomo O’odham (14.000 Sprecher in Arizona und Mexiko). Mit anderen Worten: das uns so natürliche Verbzweit hat absoluten Minderheitsstatus unter den Sprachen der Welt und muss deshalb die meisten Ausländer sehr irritieren.