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7. Biologische und kulturelle Evolution

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Biologische Evolution führt zu Lebewesen, die am besten kommunizieren können. – Viele Lebewesen haben eine hohe Intelligenz, eine Vorstellung von sich selbst und ein differenziertes Sozialverhalten. Raben, Delphine, Elefanten, Schimpansen können sich im Spiegel erkennen, etwa einen roten Fleck auf der rechten Seite des Spiegelbildes auf ihren eigenen Körper beziehen und versuchen, ihn dort abzuputzen. Mit anderen Worten: sie haben einen Begriff von ‘ich’ im Unterschied zum ‘du’ (dem Gegenüber, der ein anderer ist), was eine ganz wesentliche Voraussetzung für Kommunikationsfähigkeit ist.

Die meisten Lebewesen kommunizieren aufgrund instinktiver Reaktionen. Sie haben ein eher kleines fixiertes Inventar an Formen + Bedeutungen; die Grillen unterscheiden beispielsweise einen Lock-, Werbe- oder Rivalengesang; die Warnrufe von Affen unterscheiden, ob die Gefahr von oben (Raubvögel), von unten (Schlangen) oder von der Seite (Tiger) naht. Elefanten müssen sehr vieles lernen (wie man sich Nahrung verschafft, wie man sich putzt, wie man mit Babys umgeht), aber dass sie, wenn sie sich verlaufen haben, Töne produzieren müssen, um von der Mutter wiedergefunden zu werden, brauchen sie nicht zu lernen. Singvögel lernen recht komplexe Signale, die sie frei verbinden können (sie lernen entweder nur einmal für ihr Leben oder sie lernen in jeder Saison erneut), aber damit sind keine Bedeutungen verbunden außer derjenigen, sich mit dem Gesang zu identifizieren und sich als begehrenswert zu präsentieren. Papageien lernen, fast jedes Geräusch zu imitieren, wie das Rattern einer Motorsäge oder das Knacken eines Fotoverschlusses oder eben die Grußformel des menschlichen Beschützers; aber damit kommunizieren sie keine Inhalte. Gut sprechen zu können, ist nur eine Art Schmuck, wie es z.B. auch große Schwanzfedern sind.

Kein anderes Lebewesen beherrscht ‘Sprache’ so komplex und so kreativ wie der Mensch; neben Lautsprachen sind auch Gebärdensprachen möglich. Diese Sprachlernfähigkeit ist ein Produkt der biologischen Evolution. Jedes Kind kann jede Sprache lernen. Die Sprache muss aber schon da sein. Wenn niemand in Gegenwart des Kindes spricht oder zeigt, hat das Kind nichts zu lernen; wenn es von einem Schimpansen aufgezogen wird, lernt es nur, was die Schimpansen ‘sagen’ oder tun.

Biologische Evolution wird über das Erbgut geregelt. Jedes Kind erhält eine Mischung aus dem Erbgut des Vaters und dem Erbgut der Mutter. Fortlaufend finden Mutationen statt; die meisten führen eher zu Nachteilen oder Behinderungen. Nur in wenigen Fällen werden die Fortpflanzungschancen erhöht; dies hat eine positive Auswahl der betreffenden Mutation zur Folge. Um Sprachlernfähigkeit im Erbgut zu kodieren, bedurfte es einer großen Zahl von vorteilhaften Mutationen, und es gab in jeder Phase wohl auch etliche Vererbungslinien, die schließlich ausgestorben sind. Gut kommunizieren und sprechen zu können, war sicher in jeder Phase ein Fortpflanzungsvorteil; man konnte besser Partner finden, man konnte sich besser über Inhalte austauschen, man konnte besser lehren und lernen. Insofern kann man sagen, dass die biologische Evolution zum Menschen auch eine Optimierung von Kommunikationsfähigkeiten darstellte.

Kulturelle Evolution führt zu Sprachen, die man (in dieser Kultur) am besten lernen kann. – Aus Sicht der Biologie gehört alles, was Lebewesen lernen müssen, zu deren Kultur. Die verschiedenen Gruppen freilebender Schimpansen haben jeweils verschiedene Werkzeuge erfunden: wie man mit einem Stein die Nuss aufbricht, wie man mit einem Stab aus einem Termitennest die Insekten herausfischt, um den Stab dann abzulecken, wie man mit einem Blatt Wasser aufnimmt, um es dann aus dem gefalteten Blatt zu schlürfen, usw. Dies sind kulturelle Leistungen, die von jungen Schimpansen gelernt werden. Der Primatenforscher kann innerhalb der Art verschiedene Werkzeugkulturen und mit ihnen einhergehende Händigkeiten beobachten. Werden aus einer Elefantenherde die älteren weiblichen Tiere herausgeschossen, wird den Elefanten ein Teil ihrer Kultur genommen; eine nur aus Jungtieren bestehende Herde vermag keinen Nachwuchs aufzuziehen, weil sie es nicht gelernt haben.

Kulturelle Evolution umfasst Änderungen des Verhaltens, die nicht durch das Erbgut bedingt sind. Der jeweilige Nachwuchs muss solches Verhalten lernen; kulturelle Evolution verändert somit auch die Lernbedingungen der Lebewesen. Die verschiedenen menschlichen Einzelsprachen gehören sehr zentral zu den verschiedenen menschlichen Kulturen.

Kulturelle Evolution vollzieht sich viel schneller als biologische Evolution. Eine Sprache kann sich schon innerhalb von drei Generationen wesentlich ändern. Die erste Generation führt die Änderung ein, die zweite praktiziert sie als hauptsächliche Variante, die dritte übernimmt sie. Damit sich eine sprachliche Änderung durchsetzt, muss sie dem Lerner einen Vorteil bringen. (Angenommen, es stimmt, dass ‘der Dativ dem Genitiv sein Tod ist’, muss die Mehrzahl der Deutschlerner diese dialektbezogene Konstruktion als einfacher, passender, häufiger gehört oder cooler empfinden als ‘der Dativ ist der Tod des Genitivs’).

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