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VORWORT

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Nicht ohne Grund gehört Religion, nach evangelischem Verständnis, ins Innere des Herzens und wird nur da sichtbar, wo sie sich von innen heraus äußert. Wie sie sich äußert, das verändert sich in der Gegenwart mehr und mehr; vormals gebräuchliche Formeln und Gewohnheiten verblassen, ohne dass sich sogleich authentische Alternativen einstellten.

Von diesem Sachverhalt innerlicher Religion, die nach ihrer Darstellung suchen muss, sind insbesondere Pfarrerinnen und Pfarrer betroffen. Denn sie sind von ihrer beruflichen Rolle her, also gemäß ihrem Amtsauftrag, für die Gestaltwerdung evangelischer Frömmigkeit zuständig. Diesem Auftrag nachzukommen, ist heute besonders voraussetzungsreich. Es gehört nicht nur ein waches Sensorium für Bewegungen und Veränderungen im geistigen Klima der Gegenwart dazu, nicht nur eine wissenschaftlich geschulte Reflexionsfähigkeit im Umgang mit religiösen Beständen, sondern auch so etwas wie eine eigene innere Repräsentanz des religiösen Themas, gewissermaßen eine angeeignete evangelische Frömmigkeit. Wie diese beschaffen ist, ergibt sich angesichts des Fehlens verbindlicher religiöser Leitbilder aus einem individuellen Bildungsprozess, in den die Faktoren der eigenen biographischen Herkunft, der aufgenommenen und verarbeiteten Studiengehalte, der bedachten und verantworteten Berufspraxis gleichermaßen eingehen.

Angesichts dieser Anforderung an die Führung des Pfarramtes unter Bedingungen selbständig zu gestaltender evangelischer Frömmigkeit ist es erstaunlich, dass wir bisher so gut wie gar nichts über diese Bildungsvorgänge und ihre Resultate wissen. Das Innenleben der im Pfarrberuf tätigen Menschen ist uns nahezu ebenso verschlossen wie die Innerlichkeit moderner protestantischer Religion überhaupt. Diese Beobachtung bildete den Ausgangspunkt für das Forschungsprojekt, dessen Resultate in diesem Buch vorliegen. Lässt sich ein Einblick in die nötigen Verarbeitungsprozesse religiösen Lebens gewinnen, das sich zugleich durch die Profession herausgefordert findet, also auf keinen Fall nur opak bleiben kann?

Um dieser Frage nachzugehen, empfahl sich unserem Forschungsteam, in dem sich soziologische und theologische Kompetenzen verbinden, ein methodisches Verfahren, das sich der Arbeitsweisen qualitativer Sozialforschung bedient. Über den Aufbau des Forschungsdesigns und die Durchführung von Befragungen und Auswertungen berichtet die Einleitung in diesem Band.

Was sich uns daraus ergeben hat, erfüllt uns mit hoher Anerkennung und Freude. Denn die von uns interviewten Pfarrerinnen und Pfarrer weisen allesamt ein spezifisches Berufsprofil auf, das sich aus ihrer individuellen Bildungsgeschichte ergeben hat. So unterschiedlich sie sind und so wenig sich ihre Bildungsresultate schematisieren lassen, so sehr zehren sie alle von einer Gestalt religiösen Lebens, die es ihnen ermöglicht, zugleich bei sich selbst und für andere offen zu sein und auf diesem Weg evangelische Frömmigkeit mit zu bilden, wie es der Zweck ihres Berufes ist. Dass dabei das wissenschaftliche Studium eine Schlüsselrolle spielt, kann nicht übersehen werden: weniger für die Bereitstellung von Gehalten als vielmehr durch die Einübung in einen methodischen Umgang mit religiösen Beständen. Dass uns so viele Kolleginnen und Kollegen einen Einblick gewährt haben in ihre persönliche und öffentliche Gestaltung des Pfarramtes, hat uns tief beeindruckt. Darum danken wir denen, die auf diese Weise an der Studie mitgewirkt haben, von Herzen. Wir sind bei ihnen auf große Bereitschaft gestoßen, zu dem Gewinn von Innenansichten beizutragen. Darum konnten wir die Anzahl der Interviews auch auf sechsundzwanzig erhöhen und damit gegenüber den ersten Planungen fast verdoppeln. Sicher wird die Lektüre der dokumentierten und anonymisierten Fallgeschichten bei allen Kundigen Resonanzen auslösen und Erinnerungen wecken; allen, denen die Welt des Pfarramts bislang fremd scheint, wird sich die Möglichkeit eines besseren Verstehens von innen her eröffnen.

Herzlich danken wir den beiden hessischen Landeskirchen, der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ebenso wie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, für die finanzielle Ermöglichung des Forschungsprojekts und die Förderung der Publikation der Ergebnisse. Wir haben in beiden Landeskirchen hochinteressierte Partner gefunden, denen es darauf ankommt, jenseits statistischer Erhebungen einen Einblick in die inneren Aufbauelemente der Pfarramtsführung zu gewinnen. Wir danken insbesondere dem Hans-von-Soden-Institut für theologische Forschung an der Philipps-Universität Marburg, das unsere Arbeit institutionell beherbergt hat, namentlich der Direktorin, Frau Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau. Frau Dr. Annette Weidhas von der Evangelischen Verlagsanstalt danken wir für die Bereitschaft, diesen Band in ihr Verlagsprogramm zu übernehmen.

Braunschweig, Marburg, Münster, Kassel,

im Juni 2017

Andreas Feige, Bernhard Dressler,

Dietlind Fischer, Albrecht Schöll, Dietrich Korsch

Innenansichten

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