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Erste Erinnerungen

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Ich wurde am 10. April 1937 in Berlin geboren. Abgesehen von sehr verschwommenen Eindrücken aus meiner früheren Kindheit erinnere ich mich an Vorkehrungen, die gegen Bombenangriffe auf Berlin getroffen wurden, an einige Bombennächte und ziemlich deutlich an eine durch Rundfunknachrichten und Meldungen vermittelte allgemeine Trauer. Mir fünfjährigem Jungen wurde zum ersten Male im Leben ein Zeitungsbild gezeigt. Zu sehen waren darauf weite Schneeflächen und eine Silhouette von Ruinen im Hintergrund. Erst später bekam dieses Bild für mich einen Namen: Stalingrad.

Im Sommer 1943 mussten meine Mutter, meine Großmutter und ich innerhalb einer Evakuierung von in Berlin entbehrlichen Personen den beginnenden Flächenbombardements auf die Stadt ausweichen und kamen in Deutsch-Nettkow beim Bruder meiner Großmutter unter, wo ich auch eingeschult wurde. Der Ort Deutsch-Nettkow/Nietkowice liegt etwa 150 Kilometer Luftlinie südöstlich von Berlin. Mein Vater musste wegen seiner Arbeit in Berlin bleiben.

Voller Angst horchten wir in manche Nacht hinein, wenn Bomberanflüge auf Berlin gemeldet waren, wir ein dumpfes Grummeln von dort hörten und sahen, wie sich der Himmel rötete. Auch andere Zeichen zeigten uns immer deutlicher die bevorstehende Niederlage Deutschlands, bis Ende Januar 1945 die Sowjetarmee das Gebiet in teils schweren Kämpfen eroberte.

Nachfolgend schlossen sich mehrere Monate mit allen Nebenerscheinungen des Krieges an: Ausplünderungen, Vergewaltigungen, ihrer Kleidung beraubte, tote Soldaten in den verschneiten Wäldern, Lebensmittelmangel, eine Frau, die mit sowjetischen Offizieren schlief, um ihr Kind zu ernähren, Verrat unter Deutschen (ganz gutmütige sowjetische Soldaten wurden zum Schutz der eigenen jungen Tochter weitergeschickt mit dem detaillierten Hinweis, wo andere Frauen wären), sowjetische Soldaten, die unter eigener Gefahr Zivilisten schützten, hilfsbereite und kinderliebe Soldaten verschiedener sowjetischer Nationalitäten, ein reiches Geburtstagsmahl aus Speck für mich in einer russischen Feldküche und wütende Ukrainerinnen, die Milch lieber auf die Erde gossen („Deutsche Schweine, geht zu Hitler“), als sie uns zu geben.

Das alles ist ausführlich in meiner Broschüre „1945 – Tag der Befreiung“ dargestellt(1), ebenso ist meine Rückkehr nach Berlin-Johannisthal (Südosten von Berlin, heutiger Bezirk Treptow-Köpenick) und die weitere Schulzeit skizziert.

Hygienearzt in zwei Gesellschaften

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