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3.4.3.3 Institutionalisiertes Charisma und Charisma als Lebensform

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Eine besondere Gefährdung der «Charisma-Institution-Balance»[550] sieht Ralph Kunz im geschichtlichen Prozess der «Veralltäglichung» und «Versachlichung» des Charismas. Mit Weber unterscheidet er zwischen zwei Institutionalisierungsvorgängen. Der erste richte sich nicht prinzipiell gegen das Charisma, sondern wolle es bewahren, indem er die spontanen Beziehungen in Dauerbeziehungen überführt und so den Übergang von der charismatischen Bewegung zur charismatischen Gemeinde anzeigt. Der zweite Institutionalisierungsprozess verändere die Gestalt des Charismas. Das Charisma werde zum Amtscharisma, das grundsätzlich von jedem erworben werden kann. Dieser Prozess der Versachlichung und Veralltäglichung entzaubere das Charisma, es verliere seinen ursprünglichen Glanz und seine revolutionäre Macht. Für die Frage nach dem Gemeindeaufbau ist für Kunz entscheidend, dass in der Situation des versachlichten Charismas die Chance für erneute charismatische Einbrüche steigt. Die kirchlichen Erneuerungsbewegungen, und darunter zählt Kunz auch die Gemeindeaufbaubewegung, seien in soziologischer Perspektive charismatische Revitalisierungsversuche auf der «Suche nach dem ursprünglichen Charisma des Christlichen»[551].

Die doppelte Institutionalisierung des Charismas ist nach Kunz nicht der einzig möglich Sicherungsversuch, daneben stehe ein Konzept, im Anschluss an Winfried Gebhardt «Charisma als Lebensform» genannt werden könne. «‹Charisma-als-Lebensform›-Gemeinschaften»[552] wollen das reine Charisma bewahren, ohne es durch Institutionalisierung zu entschärfen und zu entradikalisieren. Dazu müssen Strategien entwickelt werden, die die «Realisierung der charismatischen Ideale im alltäglichen Vollzug»[553] garantieren. Das «Charisma als Lebensform» werde zur «materialen Kultur», die das ganze Leben aus dem Ideal des charismatischen Ursprungs gestalten will. Als Beispiel führt Kunz das christliche Mönchtum an, das durch Meditation, Gebet und Askese «die Totalität der charismatischen Idee alltäglich zu verwirklichen»[554] sucht.

Der Totalitätsanspruch der «Lebensform» lasse beide Sicherungsversuche in Konflikt treten: Das Amtscharisma werde zum Feind des in der charismatischen Gemeinschaft bewahrten reinen Charismas, welches sich umgekehrt gegen die Institution kehre und sich bei missglückter Integration von ihr trenne. Kunz’ Interesse richtet sich nun auf die Frage, wie die charismatische Sonderexistenz so in die Institution integriert werden kann, dass ihr Vitalisierungspotential erhalten bleibt, sich aber nicht zerstörerisch auswirkt.

Charisma als Grundbegriff der Praktischen Theologie

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