Читать книгу Strafrecht für Polizeibeamte - Elmar Erhardt - Страница 30
II.Die Struktur von Deliktsgruppen 1.Grundtatbestand und Abwandlungen
Оглавление32Meist steht am Anfang oder im Zentrum einer Deliktsgruppe ein sog. Grundtatbestand, der die Grundform einer Deliktsgruppe bildet und die Mindestvoraussetzungen enthält, die dem Delikt sein typisches Gepräge geben. Bei einem Qualifikationstatbestandhandelt es sich um eine Erweiterung des Grundtatbestandes um zusätzliche Merkmale, wobei die Strafdrohung erhöht wird. Eine Qualifikation ist also eine tatbestandliche Erweiterung um strafschärfende Merkmale. Bei einem Privilegierungstatbestand handelt es sich dagegen um eine Erweiterung des Grundtatbestandes um zusätzliche Merkmale, wobei die Strafdrohung vermindert wird. Dabei geht es also um eine tatbestandliche Erweiterung um strafmildernde Merkmale. In beiden Fällen spricht man von unselbstständigen Abwandlungen. Des Weiteren können Deliktgruppen auch Strafzumessungsregeln für besonders schwere oder minder schwere Fälle enthalten. Liegen im konkreten Fall mehrere Tatbestände aus ein und derselben Deliktsgruppe vor, gilt die Regel von der Sperrwirkung der Privilegierung.25 Diese besagt, dass die Verwirklichung eines Privilegierungstatbestandes die Bestrafung wegen anderer gleichzeitig begangener Tatbestände aus derselben Deliktsgruppe ausschließt („sperrt“).
33Übungsfall 6: „Privilegierungs-Fall“
A. wird von seinem unheilbar kranken Freund B. immer wieder ausdrücklich und inständig gebeten, ihn von seinen schweren Leiden zu erlösen. Aus Mitleid gibt A. schließlich dem flehentlichen Drängen des B. nach. Außerdem will A. aber auch die Situation ausnutzen, um sich eine wertvolle Schmuckkollektion des B., die dessen Kinder erben sollen, zu verschaffen. A. „erlöst“ den B. mit einer Giftspritze und nimmt dann den Schmuck an sich.
Wie hat sich A. strafbar gemacht?
A. hat zweifellos den Grundtatbestand des Totschlags (§ 212) verwirklicht, indem er einen Menschen vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft getötet hat. Weil es dem A. dabei auch um den wertvollen Schmuck ging, handelte er aus Habgier und hat damit auch einen Mord (§ 211) begangen. Allerdings wurde A. durch das ernsthafte und ausdrückliche Verlangen des B. zur Tat veranlasst, sodass auch der Tatbestand des § 216 (Tötung auf Verlangen) vorliegt. Aus welchem Tatbestand muss nun A. bestraft werden? Das ist eine ganz wichtige Frage, denn Mord sieht zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe, Totschlag immerhin eine Strafe zwischen fünf und 15 Jahren und Tötung auf Verlangen aber nur zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor. Die Lösung ist in der „Sperrwirkung der Privilegierung“ zu finden. § 216 stellt innerhalb der Tötungsdelikte eine Privilegierung dar und „sperrt“ damit die anderen Tötungstatbestände aus. A. wäre somit aus dem Strafrahmen des § 216 zu bestrafen.