Читать книгу Strafrecht für Polizeibeamte - Elmar Erhardt - Страница 38
2.Die Lösung (Gutachten)
Оглавление–Vorüberlegung
Für den Aufbau und die Gliederung der Falllösung sind hier folgende Beziehungen in chronologischer Reihenfolge zu unterscheiden: Zuerst verletzt A. den B., indem er diesem einen Blumentopf auf den Kopf wirft. Dann verletzt B. seine Frau F., indem er den Koffer auf ihren Fuß fallen lässt. Anschließend reagiert B. und wirft ein Scherbenstück auf A., trifft aber nicht. Außerdem sollte die Beziehung A. gegenüber F. nicht übersehen werden. Es stellt sich nämlich die Frage, ob A. auch für die Verletzung von Frau F. strafrechtlich verantwortlich ist.
–Die Strafbarkeit des A.
–Strafbarkeit des A. gegenüber B.
§ 223 (einfache Körperverletzung)
Indem A. einen Blumentopf auf den B. fallen lässt, könnte er sich gem. § 223 I strafbar gemacht haben. Das Werfen mit dem Blumentopf stellt sowohl eine „üble, unangemessene Behandlung“ (§ 223 I 1. Alt.) als auch, da B. eine beachtliche Beule davonträgt, eine Gesundheitsbeschädigung (§ 223 I 2. Alt.) dar. A. handelt vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft (nach § 230 ist Strafantrag erforderlich).
§ 224 (gefährliche Körperverletzung)
Nr. 2: Die Körperverletzung ist qualifiziert, wenn A. den B. mit einem „gefährlichen Werkzeug“ verletzt hat. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der im Rahmen der konkreten Anwendung erhebliche Verletzungen hervorrufen kann. Dies ist bei einem Blumentopf, der aus einer gewissen Höhe auf einen Menschen geworfen wird, zu bejahen.
Nr. 3: Das Merkmal eines hinterlistigen Überfalls kommt hingegen nicht in Betracht, da dieses ein planmäßiges, die wahre Absicht verdeckendes Vorgehen, also ein „listiges“ Verhalten erfordert.
Nr. 5: Ebenso wenig kann man von einer „lebensgefährdenden Behandlung“ sprechen. Eine Bedrohung des Lebens des B. liegt fern, auf jeden Fall gibt es für einen entsprechenden Vorsatz keine Anhaltspunkte.
A. hat sich somit nach § 224 I Nr. 2 (gefährliches Werkzeug) strafbar gemacht.
–Strafbarkeit des A. gegenüber F.
§ 229 (fahrlässige Körperverletzung)
Da eine vorsätzliche Körperverletzung eindeutig ausscheidet, kann sofort § 229 geprüft werden. A. müsste zunächst die Körperverletzung der F. (kausal) verursacht haben. Dies könnte fraglich sein, da die F. schließlich nicht durch den geworfenen Blumentopf, sondern erst durch das Fallenlassen des Koffers durch B. verletzt wurde. Für die Kausalitätsfrage gilt im Strafrecht die Äquivalenztheorie: Wenn A. den Blumentopf nicht auf den B. geworfen hätte, hätte B. den Koffer nicht auf den Fuß seiner Frau F. fallen lassen. Folglich hat der A. eine nicht hinwegdenkbare Bedingung für die Gesundheitsbeschädigung der F. (Bluterguss) gesetzt. Die objektive Fahrlässigkeit setzt weiterhin ein pflichtwidriges Verhalten, eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus. Dieses liegt in dem Wurf mit dem Blumentopf auf B. (strafbares Verhalten). Das Problem des Falles liegt darin, ob die Verletzung der F. objektiv voraussehbar gewesen ist. Man könnte sagen, dass die Verletzung der F. deswegen außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, weil die Verletzung auf eine ungewöhnliche Art und Weise herbeigeführt worden ist, also der konkrete Kausalverlauf nicht mehr im Rahmen der Vorhersehbarkeit liegt. Indes kommt es darauf nicht an. Es genügt, dass A. eine Handlung vorgenommen hat, die die Verletzung der F. herbeiführen konnte. Auf alle Einzelheiten des Kausalverlaufs braucht sich die Voraussehbarkeit nicht zu erstrecken. Dass F. hier getroffen wird, weil sie neben dem B. geht, liegt im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung. Eben so gut hätte auch irgendein Straßenpassant getroffen werden können. Die F. hätte auch gleich durch den Blumentopf verletzt werden können oder durch einen Splitter des zerplatzten Topfes. Die Voraussehbarkeit der bei F. eingetretenen Körperverletzung ist also zu bejahen.
Die Tat ist rechtswidrig. Die Tat ist auch schuldhaft, weil A. persönlich pflichtwidrig gehandelt hat und auch den Erfolgseintritt persönlich hätte voraussehen und vermeiden können.
A. hat sich also nach § 229 zum Nachteil der F. strafbar gemacht.
–Die Strafbarkeit des B.
–Strafbarkeit des B. gegenüber F.
Eine Strafbarkeit des B. nach § 223 oder § 229 entfällt, da das Fallenlassen des Koffers eine rein durch den Schreck hervorgerufene Reflexbewegung darstellt, die keine Handlung im strafrechtlichen Sinne ist.
–Strafbarkeit des B. gegenüber A.
§§ 223, 22 (versuchte einfache Körperverletzung)
Die Vollendung der Körperverletzung ist nicht eingetreten, da A. sich rechtzeitig ducken konnte. Die versuchte einfache Körperverletzung ist seit der Großen Strafrechtsreform von 1998 strafbar (§ 223 II).
B. hat den Vorsatz gefasst, den A. mit dem geworfenen Scherbenstück körperlich zu verletzen.
Dazu hat er auch bereits „unmittelbar angesetzt“ (§ 22), indem er die Tathandlung (Wurf) bereits ausgeführt hat. Die Tat könnte nach § 32 (Notwehr) gerechtfertigt sein. Fraglich ist aber, ob noch ein gegenwärtiger Angriff vorliegt. Gegenwärtig ist jeder Angriff, der unmittelbar bevorsteht, der gerade stattfindet oder noch andauert, der aber noch nicht endgültig beendet ist. Nach dem Sachverhalt wollte A. nur einen seiner Blumentöpfe opfern. Es ist nicht ersichtlich, dass er noch weitere Angriffe auf den B. plante. Folglich ist mit dem Wurf des einen Blumentopfes der Angriff auf die Körperintegrität abgeschlossen. Ein gegenwärtiger Angriff liegt nicht mehr vor. Die Tat ist also rechtswidrig. Die Tat ist auch schuldhaft. B. hat sich also nach den §§ 223, 22 strafbar gemacht.
§§ 224 I 1 Nr. 2, 22 (versuchte gefährliche Körperverletzung)
B. wollte den A. mit einem geworfenen Scherbenstück verletzen. Dieses stellt ein „gefährliches Werkzeug“ dar, weil es nach der konkreten Einsatzart durchaus geeignet ist, nicht ganz unerhebliche Verletzungen herbeizuführen. Deshalb ist B. auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des A. strafbar.