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1.3 Machtspiele und Partnerschaft: die integrierte Losgröße
Оглавление»The integration of all key business processes across the supply chain is what we are calling supply chain management« (Cooper/Lambert/Pagh, 1997, S. 11)
Auch im dritten Beispiel – welches hoffentlich ebenfalls dazu motiviert, sich tiefer mit Supply Chain Management zu beschäftigen – geht es um die Koordination arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozesse; konkret um die Abstimmung von Produktions-, Transport- und Bestellquantitäten zwischen einem Lieferanten und seinem Abnehmer. Grundlage des Beispiels bildet das von Banerjee (1986) präsentierte JELS-Model (Joint Economic Lot Size Model) zur Bestimmung einer standortübergreifenden, integrierten Losgröße.
Wir betrachten wieder die uns bekannte, arbeitsteilige Bier-Supply Chain, jedoch diesmal den Ausschnitt mit dem Lieferanten für Glasflaschen (hier eine Glashütte) und dem Produzenten (Brauerei), der diese Flaschen in seiner Abfüllanlage verwendet. Zur Vereinfachung betrachten wir Einweg-Bierflaschen, auch wenn dies aus Umweltgesichtspunkten abzulehnen ist ( Abb. 1-9).
Aktuell existieren in Deutschland zwei Pfandsysteme: Mehrwegpfand und Einwegpfand. Gesetzlich geregelt ist der Einwegpfand insbesondere in § 9 der Verpackungsverordnung (VerpackV). Mehrwegpfand hingegen ist ein freiwilliges System der Getränkeindustrie. Der Unterschied zwischen beiden Systemen besteht darin, dass Mehrwegpfandflaschen wiederverwendet werden, d. h. nach Rückgabe werden die Pfandflaschen umfangreich gereinigt und anschließend neu befüllt. Einwegpfandflaschen hingegen werden zerkleinert und recycelt.
Abb. 1-9: Ausschnitt der Bier-Supply Chain
Wird ein bestimmtes Produkt im Rahmen eines mehrstufigen, arbeitsteiligen Produktionsprozesses erzeugt und erfolgen die einzelnen Teilprozesse an räumlich getrennten Standorten (Werken) eines oder unterschiedlicher Unternehmen, so stellt sich das Problem der standortübergreifenden (werksübergreifenden) und wohlmöglich unternehmensübergreifenden Losgrößenplanung. Um mögliche Lösungen dieses Planungsproblems beurteilen zu können, legen wir als außenstehender Betrachter das Zielkriterium derart fest, dass sämtliche Teilproduktionsprozesse so zu koordinieren sind, dass die relevanten Gesamtkosten in dem betrachteten Ausschnitt der Bier-Supply Chain minimiert werden (Formalziel), bei vollständiger Erfüllung der Kundenanforderungen (Sachziel). Schließlich werden wir das Beispiel möglichst simpel und mathematisch einfach gestalten – für eine umfassende, spieltheoretische Analyse dieses Problems sei auf Sucky (2004b und 2004c) verwiesen.
Betrachten wir zunächst den Abnehmer, d. h. die Brauerei. Es ist festzulegen, wie oft im Planungszeitraum die fremdbezogenen Glasflaschen bestellt werden und wie hoch die jeweilige Bestellmenge ist. Zur Ermittlung dieser Bestellpolitik des Abnehmers (A) – als auch später zur Ermittlung der Produktions- und Transportpolitik des Lieferanten (P) – kann das von Harris (1913) für den Produktionsbereich entwickelte, von Stefanič-Allmayer (1927) auf den Beschaffungsbereich übertragene, aber erst durch Andler (1929) im deutschen Sprachraum bekannt gewordene Grundmodell der Losgrößenplanung (Andler-Formel, Economic Order Quantity, EOQ-Formel) herangezogen werden. Die Brauerei (A) plant ihre Bestellpolitik unter dem Ziel der Minimierung ihrer gesamten entscheidungsrelevanten Periodenkosten: die Bestellkosten und die Lagerhaltungskosten. Die variablen Beschaffungskosten je Stück werden als im Planungszeitraum konstant angenommen und sind daher nicht entscheidungsrelevant.
Der bekannte Gesamtbedarf je Periode b [ME/Periode] kann z. B. durch eine Bestellpolitik mit geringen Bestellquantitäten bei hoher Bestellfrequenz oder durch eine Bestellpolitik mit großen Bestellquantitäten bei niedriger Bestellfrequenz gedeckt werden. In Abhängigkeit der damit verbundenen Bestellquantitäten und -frequenz verlaufen die resultierenden entscheidungsrelevanten Bestell- und Lagerhaltungskosten gegenläufig. Gesucht ist die Bestellpolitik, die über einen Ausgleich dieser gegenläufigen Tendenz zu den minimalen gesamten entscheidungsrelevanten Periodenkosten führt. Unter der Annahme einer unendlich schnellen Lieferzeit sowie eines kontinuierlichen Lagerabgangs mit einer konstanten Nachfragerate ist der Gesamtbedarf b [ME/Periode] durch Bestellungen je Periode der identischen Quantität von xA [ME] zu decken. Fehlmengen treten annahmegemäß nicht auf, d. h. die Bestellmenge xA [ME] entspricht der Liefermenge und der Lagereingangsmenge. Erfolgt der Lagerabgang kontinuierlich, so beträgt der durchschnittliche Lagerbestand [ME]. Der Lagerbestandsverlauf beim Abnehmer (A), unter den gegebenen Annahmen, ist in Abbildung 1-10 dargestellt.
Abb. 1-10: Lagerbestandsverlauf des Abnehmers (A)
Pro Bestellung fallen Kosten in Höhe von B [GE] an und der Lagerhaltungskostensatz beim Abnehmer (A) beträgt hA [GE/ME und Periode]. Mit den pro Periode anfallenden Bestellkosten [GE/Periode] und Lagerkosten [GE/Periode] ergeben sich die zu minimierenden entscheidungsrelevanten Kosten im Planungszeitraum mit:
Die optimale Bestellmenge [ME] lässt sich durch Nullsetzen der ersten Ableitung der Funktion (1.3-1) nach xA ermitteln:
In unserem Beispiel benötigt die Brauerei (A) 100000 Flaschen pro Jahr. Betragen die Bestellkosten B = 10 [GE] und ist der Lagerhaltungskostensatz mit hA = 0,5 [GE/ME und Jahr] gegeben, so lautet die optimale Bestellmenge der Brauerei:
Die Brauerei möchte somit 50-mal pro Jahr mit jeweils 2000 Flaschen beliefert werden. Aus entsprechenden Bestellungen und Lieferungen resultieren die minimalen entscheidungsrelevanten Kosten in Höhe von:
Die folgende Abbildung 1-11 zeigt, dass sich die optimale Bestellmenge im Schnittpunkt der entgegengesetzt verlaufenden Lager- und Bestellkostenkurven ergibt.
Abb. 1-11: Optimale Bestellmenge und resultierende, minimale Gesamtkosten der Brauerei
Betrachten wir nun die Glashütte, d. h. den Lieferanten der Glasflaschen. Die Glashütte (P) plant ihre Produktions- und Transportpolitik unter dem Ziel der Minimierung ihrer gesamten entscheidungsrelevanten Periodenkosten: die Rüstkosten und die Lagerhaltungskosten. Ein Produktionslos ist die (positive) Quantität eines Gutes, die auf einem Produktionssystem ohne Unterbrechung zu fertigen ist. Zur Fertigung des Produktionsloses muss das Produktionssystem zunächst (um-)gerüstet werden, um für die Fertigung des Produktionsloses einsatzbereit zu sein. Diese Rüstvorgänge beanspruchen Rüstzeit und verursachen Rüstkosten unabhängig von der Quantität (Losgröße) des aufgelegten Produktionsloses. Die Versorgung des nachgelagerten Standorts (der Brauerei) mit dem zu erstellenden Vorprodukt erfolgt aus dem Ausgangslager. Durch die Lagerung der erzeugten Vorprodukte bis zu ihrem Transport zu dem nachgelagerten Standort fallen Lagerhaltungskosten (Lagerkosten i. e. S. und Kapitalbindungskosten) an.
Bezüglich der Produktionspolitik wird angenommen, dass die Glashütte eine so genannte geschlossene Produktion verfolgt, d. h. fertiggestellte Produkteinheiten eines Produktionsloses können erst an die nachfolgende Stufe – den Brauereistandort (A) – weitergegeben werden, nachdem die Bearbeitung des gesamten Produktionsloses abgeschlossen ist. Des Weiteren entspricht die Weitergabe-/Transportmenge dem Produktionslos. Das gesamte Produktionslos wird somit unmittelbar nach Fertigstellung an den Brauereistandort (A) weitergegeben. Diese Produktionspolitik wird aufgrund der losweisen Weitergabe auch Lot-for-Lot Production Strategy genannt (Toomey, 2000).
Die Periodenkapazität der Glashütte (P), gemessen in Mengeneinheiten je Periode, beträgt d [ME/Periode] und der Lagerzugang erfolgt mit einer konstanten Produktionsrate. Es gilt d > b, da für d < b der Bedarf der Brauerei (A) pro Periode nicht befriedigt werden könnte und im Falle von d = b eine kontinuierliche Produktion erfolgen müsste. Der bekannte Gesamtbedarf je Periode b [ME/Periode] der Brauerei (A) kann z. B. durch eine Produktionspolitik mit kleinen Produktionslosgrößen bei hoher Produktions- und Transportfrequenz oder durch eine Produktionspolitik mit großen Losgrößen bei niedriger Produktions- und Transportfrequenz gedeckt werden. In Abhängigkeit der gewählten Losgröße verlaufen die resultierenden entscheidungsrelevanten Rüst- und Lagerhaltungskosten gegenläufig: »To minimize set-up costs requires large batches. To minimize holding costs requires small batches« (Cox/Blackstone, 1997, S. 9.34).
Unter der Annahme einer unendlich schnellen Lieferzeit sowie eines Lagerzugangs mit konstanter Produktionsrate ist der Gesamtbedarf b [ME/Periode] durch Losauflagen je Periode der identischen Quantität von xp [ME] zu decken. Fehlmengen treten annahmegemäß nicht auf, d. h. die Produktionslosgröße xp [ME] entspricht der Transportmenge. Der Lagerbestandsverlauf beim Lieferanten (P), unter den gegebenen Annahmen, ist in der nachfolgenden Abbildung 1-12 dargestellt. Aufgrund von d > b ergibt sich ein durchschnittlicher Lagerbestand von [ME].
Abb. 1-12: Lagerbestandsverlauf des Lieferanten (P)
Die Rüstkosten, die bei jeder Losauflage in gleicher Höhe anfallen, betragen R [GE] und der Lagerhaltungskostensatz beim Lieferanten (P) beträgt hp [GE/ME und Periode]. Transportkosten berücksichtigt Banerjee (1986) in seinem Beispiel nicht explizit. Im Falle einer Lot-for-Lot-Produktionspolitik ist jedoch die Anzahl der Losauflagen je Periode identisch mit der Anzahl der Transporte je Periode. Der Rüstkostensatz von R [GE] repräsentiert daher die Summe aus Rüst- und Transportkosten je Losauflage und Transport. Mit den pro Periode anfallenden Rüst- und Transportkosten [GE/Periode] und den Lagerkosten [GE/Periode] ergeben sich die zu minimierenden entscheidungsrelevanten Kosten im Planungszeitraum mit:
Die optimale Produktions- und Transportlosgröße [ME] lässt sich durch Nullsetzen der ersten Ableitung der Funktion (1.3-5) nach xp ermitteln:
In unserem Beispiel benötigt die Brauerei (A) von der Glashütte (P) b = 100000 Flaschen pro Jahr. Die Jahreskapazität der Glashütte (P) beträgt d = 125000 [ME/Jahr]. Betragen die Rüst- und Transportkosten R = 200 [GE] und ist der Lagerhaltungskostensatz der Glashütte ebenfalls mit hp = 0,5 [GE/ME und Jahr] gegeben, so lautet die optimale Produktions- und Transportlosgröße der Glashütte:
Die Glashütte wählt somit 10-mal pro Jahr eine Losauflage von 10000 Flaschen. Aus entsprechenden Losauflagen und Transporten resultieren die minimalen entscheidungsrelevanten Kosten in Höhe von:
Die folgende Abbildung 1-13 zeigt, dass sich die optimale Produktions- und Transportmenge im Schnittpunkt der entgegengesetzt verlaufenden Lagerkosten einerseits und der Rüst- und Transportkosten andererseits ergibt.
Abb. 1-13: Optimale Produktionspolitik und resultierende, minimale Gesamtkosten der Glashütte
Verfolgt der Lieferant (P) eine Lot-for-Lot-Produktionspolitik, so entspricht die Produktions- und Transportlosgröße xp genau der Liefermenge an den Abnehmer (A). Beim Abnehmer (A) wiederum entspricht unter den gegebenen Annahmen die Bestellmenge xA genau der Liefermenge des Lieferanten (P): »This assumption of supply on a lot-by-lot basis implies that the production lot size of the vendor is equal to the order quantity of the purchaser« (Chatterjee/Ravi, 1991, S. 118). Für die Bestellpolitik des Abnehmers (A) und die Produktionspolitik des Lieferanten (P) muss somit xA = xp gelten. Die Lagerbestände des betrachteten Produkts beim Abnehmer (A) und Lieferanten (P), d. h. bei der Brauerei (A) und der Glashütte (P), nehmen für die so genannte integrierte oder gemeinsame Bestell- und Produktionspolitik xG = xA = xp die in Abbildung 1-14 dargestellten Verläufe an.
Gilt , d. h. stimmen die individuell optimalen Lösungen der Brauerei (A) und der Glashütte (P) überein, so ist das Koordinationsproblem gelöst. Für den Fall ergibt sich nur dann eine standort- bzw. unternehmensübergreifende Lösung, wenn
• die Glashütte (P) sich an die optimale Bestellpolitik der Brauerei (A) anpasst
Abb. 1-14: Lagerbestandsverläufe bei integrierter Bestell- und Produktionspolitik
• die Brauerei (A) sich an die optimale Produktionspolitik der Glashütte (P) anpasst oder
• sich die Brauerei (A) und die Glashütte (P) auf eine andere gemeinsame Bestell- und Produktionspolitik einigen
Die folgende Tabelle 1-7a zeigt die individuell optimalen Bestell- bzw. Produktionspolitiken sowie die daraus resultierenden Kosten des jeweils anderen Supply Chain-Akteurs.
Tab. 1-7a: Bestell- und Produktionspolitiken sowie resultierende Kosten
In unserem Beispiel der Bier-Supply Chain besteht offensichtlich das Koordinationsproblem, dass sich die Brauerei (A) und die Glashütte (P) auf eine gemeinsame Bestell- und Produktionspolitik einigen müssen, da gilt. Es existieren darüber hinaus konfliktionäre bzw. konkurrierende Beziehungen zwischen den (Kosten-)Zielen der beiden Akteure, d. h. mit der Erfüllung des Ziels eines Akteurs geht die Beeinträchtigung der Erfüllung des Ziels des jeweils anderen Akteurs einher. Wie kann nun dieses Koordinationsproblem bei konfliktionären Zielbeziehungen gelöst werden? Banerjee (1986) schlägt hierzu vor, eine integrierte Bestell- und Produktionspolitik derart zu wählen, dass die Summe der entscheidungsrelevanten Kosten der Akteure (A) und (P) minimiert wird:
Die optimale, integrierte Bestell- und Produktionspolitik [ME] lässt sich durch Nullsetzen der ersten Ableitung der Funktion (1.3-9) nach xG ermitteln:
Im Beispiel ergibt sich die integrierte Bestell- und Produktionspolitik mit = 6831,3 [ME]. Die Kostenwirkungen dieser Bestell- und Produktionspolitik sind in der folgenden Tabelle 1-7b sowie in der folgenden Abbildung 1-15 den Kosten der individuell optimalen Politiken gegenübergestellt.
Tab. 1-7b: Bestell- und Produktionspolitiken sowie resultierende Kosten
Mit = 6831,3 werden zwar die geringsten Supply Chain-weiten Kosten realisiert, aber im Vergleich zu den jeweiligen individuell optimalen Lösungen stellen sich beide Akteure durch die Wahl der integrierten Bestell- und Produktionspolitik schlechter, d. h. es liegt eine Lose-Lose-Situation vor. Damit die Brauerei (A) und die Glashütte (P) diese Lösung zumindest als fair empfinden, schlägt z. B. Fleischmann (1999) eine Aufteilung der Gesamtkosten im Verhältnis von vor, d. h. in unserem Beispiel im Verhältnis von
Auch wenn eine »faire« Aufteilung der Gesamtkosten einer integrierten Bestell- und Produktionspolitik erfolgt, besteht weiterhin eine Lose-Lose-Situation. Bei der
Abb. 1-15: Bestell- und Produktionspolitiken sowie und resultierende Kosten der Akteure
von Banerjee (1986) vorgeschlagenen Lösung – auch bei einer »fairen« Kostenaufteilung – handelt es sich entscheidungstheoretisch um ein so genanntes Kompromissmodell, da es die Zielvorstellungen der beiden Akteure, repräsentiert durch die Zielfunktionen (1.3-1) und (1.3-5), in der Kompromisszielfunktion (1.3-9) zusammenfasst. Das bereits oben genannte Problem der konkurrierenden Zielbeziehungen besteht jedoch weiterhin, d. h. akzeptiert ein Akteur die mit Hilfe eines Kompromissmodells generierte Lösung nicht und fordert die Realisierung einer anderen Lösung, welche ihn besser stellt, so impliziert dies zwingend, dass der andere Akteur schlechter gestellt wird, was dieser ablehnen wird (Knörzer, 2002). Sowohl die Glashütte (P) als auch die Brauerei (A) haben somit zunächst kein Interesse daran, von ihrer jeweils individuell optimalen Lösung abzuweichen und eine wie auch immer ermittelte Kompromisslösung zu akzeptieren ( Tab. 1-7c).
Tab. 1-7c: Bestell- und Produktionspolitiken sowie resultierende Kosten
Eine Möglichkeit, eine von beiden Akteuren akzeptierte Lösung herbeizuführen, sind Verhandlungen. Die Koordination in Supply Chains auf Basis von Verhandlungen ist ein weites Forschungsgebiet (Hezarkhani/Kubiak, 2010, Shen et al., 2018) und wir werden in einem späteren Kapitel näher darauf eingehen. Bereits jetzt kann jedoch festgestellt werden, dass eine Verhandlungslösung immer auch davon abhängig ist, welcher der Akteure über die größere Macht verfügt: »A firm’s power reflects its potential for influence on the decision making and behavior of another firm« (Frazier et al.,1988, S. 58).
In unserem Beispiel nehmen wir an, dass die Brauerei (A) mächtiger ist als die Glashütte (P), weil z. B. die Brauerei (A) als A-Kunde der wichtigste Abnehmer der Glashütte ist. Die Brauerei (A) besitzt somit die Macht, ihre individuell optimale Bestellpolitik auch gegen den Willen der Glashütte (P) durchzusetzen. Was kann die Glashütte (P) nun tun? Wird die individuell optimale Bestellpolitik = 2000 [ME] der Brauerei (A) realisiert, bedeutet dies Kosten in Höhe von [GE] für die Glashütte (P), d. h. ein Kostenanstieg von 6400 [GE] gegenüber der eigenen individuell optimalen Produktionspolitik Die Glashütte (P) kann jedoch der Brauerei (A) eine Lösung anbieten: Realisierung der individuell optimalen Produktionspolitik = 10000 [ME] und eine Seitenzahlung = 1600 der Glashütte (P) an die Brauerei (A), z. B. in Form eines Rabatts ( Tab. 1-7d).
Tab. 1-7d: Bestell- und Produktionspolitiken sowie resultierende Kosten
Verhalten sich beide Akteure rational – unterstellen wir mal kurz den ominösen Homo oeconomicus – so werden sie eine Bestell- und Produktionspolitik = 10000 [ME] in Verbindung mit einer Seitenzahlung [GE] akzeptieren, da dann beide Akteure (kostenmäßig) besser gestellt werden als wenn die Brauerei (A) ihre individuell optimale Bestellpolitik realisiert: Es besteht nun eine Win-Win-Situation.
Spieltheoretisch liegt hier ein so genanntes Nichtnullsummenspiel vor. Während in Nullsummenspielen die Summe der Auszahlungen (hier: die Summe der Kosten) der Akteure für alle möglichen Strategiekombinationen (hier: Bestell- und Produktionspolitiken) konstant bleibt, gibt es bei Nichtnullsummenspielen Strategiekombinationen, die für alle Akteure höhere Auszahlungen (hier: niedrigere Kosten) induzieren als andere. In Nichtnullsummenspielen existieren somit Win-Win-Situationen, in denen über die Aufteilung der Auszahlungssumme (hier: der Kostensumme) entschieden werden muss.
Diese einleuchtende Lösung hat jedoch zwei Haken. Einerseits wird die Brauerei (A) eine Verhandlungslösung mit einer möglichst hohen Seitenzahlung anstreben, während die Glashütte (P) diese minimieren möchte. Die Dauer und der Ausgang der Verhandlungen sind somit ungewiss. Andererseits muss ein Akteur zur Abgabe eines Angebots bzw. zur Beurteilung eines Angebots nicht nur seine eigene Kosten(-funktion) kennen, sondern auch die des jeweils anderen Akteurs. So stellt bereits Banerjee (1986, S. 310) die Abhängigkeit der Verhandlungslösung von den zu Grunde liegenden Informationsbedingungen der beteiligten Akteure fest: »Within the framework of an adversarial bargaining process between the buyer and a supplier, there is likely to be considerable reluctance on the part of either party to reveal the true values of its cost parameters. This can indeed be a formidable hurdle in establishing a joint optimal policy.« Bestands-, Kapazitäts- und insbesondere Kostendaten stellen hochsensible Informationen bzw. Betriebsgeheimnisse dar, sodass die Unternehmen einem Austausch dieser Informationen mit ihren Supply Chain-Partnern sehr kritisch gegenüberstehen und diesen eher ablehnen. Und selbst im Falle des Informationsaustauschs haben die Akteure einen starken Anreiz, nicht wahrheitsgemäß über ihre Kostensituation zu berichten. Karrass (1974) bemerkte daher schon: »With respect to information and backup data, buyers and sellers are on opposing sides. In my opinion, the less the seller tells the buyer, the better off he is. With respect to cost data, what is good for one is generally bad for the other.« In unserem Beispiel hat die Brauerei (A) sogar den Anreiz, für die angebotene Bestell- und Produktionspolitik höhere als ihre tatsächlich anfallenden Kosten anzugeben, um eine möglichst hohe Seitenzahlung durch die Glashütte (P) zu realisieren. Wir werden uns daher später mit einer praktikablen Lösung dieses Problems durch zielgerichtetes Supply Chain Management beschäftigen müssen.
Ein Beispiel für eine »echte« Win-Win-Situation liefert das so genannte Wasserschutzbrot (https://www.wasserschutzbrot.de/). So verzichten in Franken einige Bauern auf die letzte Stickstoff-Gabe (Dünger), wodurch sich das Risiko der Nitrat-Auswaschung in das Grundwasser verringert. Der Ernteertrag der Bauern fällt zwar etwas geringer aus, wenn die Pflanzen mit weniger Stickstoff versorgt werden, doch dieser Nachteil wird durch eine Ausgleichszahlung aufgehoben, die die Bauern von den Wasserversorgern erhalten. Außerdem sinken die Düngekosten. Die Wasserversorger wiederum sparen die teure Filterung des Nitrats aus dem Grundwasser. Ein »Spiel« bei dem alle gewinnen, nicht zuletzt die Umwelt.