Читать книгу Supply Chain Management - Eric Sucky - Страница 22
2.2.1 Supply Chain-Definition
ОглавлениеEinige Autoren richten den Fokus auf die mit der Leistungserstellung in Supply Chains verbundenen Wertschöpfungsprozesse. Eine solche prozessorientierte Perspektive findet sich bei Klaus (1998, S. 434), der in der Supply Chain eine »[…] Abfolge von Aktivitäten, die notwendig ist, um Kunden bzw. Märkte erfolgreich zu versorgen […]« sieht. Dieser prozessorientierte Supply Chain-Begriff wird auch vom Council of Supply Chain Management Professionals (CSCMP) vertreten: »The material and informational interchanges in the logistical process stretching from acquisition of raw materials to delivery of finished products to the end user. All vendors, service providers and customers are links in the supply chain« (https://cscmp.org). Für die hier zu entwickelnde Definition kann zunächst festgehalten werden, dass eine Supply Chain ein Wertschöpfungssystem ist.
Für Wertschöpfungsprozesse in Supply Chains müssen einerseits Ressourcen zur Durchführung ortsgebundener, stationärer Wertschöpfungsprozesse (z. B. Produktions- oder Lagerprozesse) zur Disposition stehen. Andererseits müssen relationsabhängige Ressourcen zur Disposition stehen oder aufgebaut werden können, um nicht-ortsgebundene, raumüberbrückende Wertschöpfungsprozesse, z. B. Transportprozesse, zu realisieren (Pibernik, 2001 und Otto, 2002). Entsprechend formulieren Simchi-Levi et al. (2008, S. 1): »The supply chain […] consists of suppliers, manufacturing centers, warehouses, distribution centers, and retail outlets, as well as raw materials, work-in-process inventory, and finished products that flow between the facilities.«
Andere Autoren stellen die institutionelle Perspektive der Supply Chain in den Vordergrund. Beispielsweise definieren Mentzer et al. (2001a, S. 4): »[…] a supply chain is defined as a set of three or more entities (organizations or individuals) directly involved in the upstream and downstream flows of products, services, finances and/or information from a source to a customer.« Supply Chain-Definitionen aus einer institutionellen Perspektive gehen auch explizit oder implizit auf den Umfang einer Supply Chain ein. So proklamiert Stevens (1989, S. 3) eine umfassende Supply Chain, sozusagen ›from sheep to shop‹ oder weitergehend ›from dirt to dirt‹: »The scope of the supply chain begins with the source of supply and ends at the point of consumption.« Werden solche umfassenden Supply Chains fokussiert, stellt sich unweigerlich das Komplexitätsproblem: Supply Chains sind hochkomplexe Gebildet, die sich einer ganzheitlichen Analyse oder gar Optimierung i. d. R. entziehen. Mentzer et al. (2001a) zeigen mit ihrem Mindestumfang einer Supply Chain (»a set of three or more entities«) implizit die Grenzen des noch für das Management beherrschbaren auf, d. h. im Kontext des Supply Chain Managements werden i. d. R. Ausschnitte der Supply Chain betrachtet. In Sinne ihrer Definition unterscheiden Mentzer et al. (2001a, S. 5) zwischen der Direct Supply Chain, Extended Supply Chain und Ultimate Supply Chain. Die Direct oder Basic Supply Chain umfasst das betrachtete Unternehmen, einen direkten Lieferanten und einen direkten Kunden (Eßig et al., 2013). Wird diese trilaterale Supply Chain um Kunden des Kunden und Vorlieferanten erweitert, ergibt sich eine Extended Supply Chain. Die Ultimate Supply Chain umfasst dann alle Supply Chain-Akteure, von den Rohstofflieferanten bis hin zu den Endkunden ( Abb. 1-26).
Abb. 1-26: Ausschnittsweise Betrachtung der Supply Chain (Quelle: In Anlehnung an Mentzer et al., 2001a, S. 5 und Eßig et al., 2013, S. 6)
Die Betonung auf mindestens drei Supply Chain-Akteure bei Mentzer et al. (2001a) zeigt auch, dass die Autoren den Endkunden explizit miteinbeziehen. Da institutionsübergreifende, zu managende Beziehungen bereits bei zwei Elementen gegeben sind, argumentiert Zitzmann (2018) daher, dass lediglich mindestens zwei Institutionen vorhanden sein müssen und folgt damit den Definitionen von z. B. Tsay et al. (1999) oder Stadtler (2015). Eine, die prozessorientierte und institutionelle Perspektive übergreifende Definition der Supply Chain liefern Schary/Skjøtt-Larsen (1998, S. 18): »[…] the supply chain embraces the entire set of processes and organizations from source to final customer.«
In der relevanten Literatur finden sich auch die Begriffe internes (bzw. internal) und externes Supply Chain Management (z. B. Knolmayer et al., 2000 und Affeld, 2002). Gegenstand des internen Supply Chain Management ist danach z. B. die Koordination der Wertschöpfungsprozesse über mehrere Abteilungen, Bereiche oder Betriebsstätten eines Unternehmens bzw. mehrerer Unternehmen eines Konzerns (Dobhan, 2012). Knolmayer et al. (2009, S. 4) formulieren daher: »Supply chains may consist of independent companies, but can also be made up of organizational entities that legally belong to one group.« Da die Besonderheit des Supply Chain Managements in dem unternehmensübergreifenden Charakter der betrachteten Problemstellungen und Aufgaben liegt, wollen wir in einer ersten Erweiterung unserer Definition definieren, dass eine Supply Chain ein unternehmensübergreifendes Wertschöpfungssystem ist.
Ein System ist ein Ganzes, das als solches bestimmte Eigenschaften (Systemeigenschaften) und Verhaltensweisen (Systemverhalten) besitzt. Konstitutive Bestandteile eines Systems sind mehrere (System-)Elemente, die untereinander in Beziehung (Interaktion, Relation) stehen, und die Existenz einer (zumindest gedanklich vorhandenen) Grenze, die das System von seiner Umgebung trennt. Die Art der Verknüpfung aller Elemente des Systems definiert die Systemstruktur und damit die Systemeigenschaften bzw. das Systemverhalten (Franken/Fuchs, 1974 und Rapoport, 1992)
Neben den aufgezeigten Perspektiven ist bei einer Definition der Supply Chain auch deren Struktur zu berücksichtigen. In der deutschsprachigen Literatur wird die Supply Chain häufig als »Lieferkette«, »Versorgungskette« oder »Wertschöpfungskette« bezeichnet (Zäpfel/Piekarz, 1996, Wannenwetsch, 2002, Kuhn/Hellingrath, 2002 sowie Wannenwetsch, 2005). Damit wird einerseits die Verkettung der einzelnen Elemente der Supply Chain hervorgehoben. In diesem Sinne definieren z. B. Berry/Naim (1996), S. 181:»From a conceptual viewpoint the ideal supply chain may be described as a pipeline with laminar flow.« Andererseits wird dadurch aber eine kettenartige, lineare Struktur der Supply Chain suggeriert. Einige Autoren weisen daher darauf hin, dass der Begriff »Supply Chain« irreführend ist, weil in der Realität keine kettenartige, sondern vielmehr netzwerkförmige Strukturen vorhanden sind (z. B. Knolmayer et al., 2009 und Vahrenkamp/Siepermann, 2007). Zwar sind kettenartige Strukturen insbesondere dann gegeben, wenn nur Ausschnitte der Supply Chain betrachtet werden, wie in unserem ersten Beispiel in Abschnitt 1.1. Durch die Verwendung des Begriffs der Kette entsteht aber ein falscher Eindruck der Material-, Informations- und Finanzflüsse in Supply Chains. Es wird eine sequenzielle Abfolge suggeriert, nachdem auf einer Stufe der Supply Chain ein bestimmter Output erstellt wird, welcher der nachfolgenden Stufe als Input dient (Marbacher, 2001). Da ein einzelnes Kettenglied, in der prozessorientierten Sichtweise beispielsweise ein Produktionsprozess bzw. aus institutioneller Perspektive z. B. ein bestimmtes Unternehmen, i. d. R. vielfältige Beziehungen zu vor- und nachgelagerten Kettengliedern (Prozessen bzw. Unternehmen) aufweist, ist der Begriff der Kette ungeeignet (Buscher, 1999). Da Supply Chains komplexe Gebilde darstellen, ist für eine aussagekräftige Beschreibung der Supply Chain-Struktur der Netzwerk-Begriff zu verwenden. Für unsere Definition ergibt sich somit: Eine Supply Chain ist ein unternehmensübergreifendes Wertschöpfungsnetzwerk.
Schließlich muss berücksichtigt werden, dass eine Supply Chain immer auf ein oder mehrere bestimmte (End-)Produkte bzw. (End-)Produktgruppen bezogen ist. Diesen Aspekt berücksichtigen explizit z. B. Swamithan et al. (1998, S. 607): »A supply chain can be defined as a network of autonomous or semiautonomous business entities collectively responsible for procurement, manufacturing and distribution activities associated with one or more families of related products.« Durch den Produkt- bzw. Produktgruppenbezug wird berücksichtigt, dass ein und dasselbe Unternehmen i. d. R. gleichzeitig Teil von mehreren, oftmals konkurrierenden Supply Chains ist (Hahn, 2000). Wenn wir beispielweise unsere mittelständische Brauerei betrachten, so wird sich die Supply Chain für alkoholfreies Lagerbier von der Supply Chain für ein spezielles Craftbeer unterscheiden. Und die betrachtete Mälzerei wird gleichzeitig Teil von mehreren Supply Chains verschiedener Biere unterschiedlichster Hersteller sein. Auch bei einem Textilunternehmen wird die Supply Chain für schwarze Herrensocken eine andere sein als die für modische Damenblusen. Und ein Großhandelsunternehmen kann dann – in Abhängigkeit des Produktsortiments – sowohl Teil einer Bier-Supply Chain als auch Teil einer Herrensocken-Supply Chain sein. Somit »[…] stellt sich die Supply Chain in der Praxis gewöhnlich als Netzwerk […] bestehend aus verschiedenen Organisationen dar, die ein Produkt erstellen und es zum Endkunden transportieren« (Busch/Dangelmaier, 2002, S. 4). Als Fazit ergibt sich folgende Definition der Supply Chain: Eine Supply Chain ist ein produkt- oder produktgruppenbezogenes, unternehmensübergreifendes Wertschöpfungsnetzwerk.
Tab. 1-8: Ausgewählte Supply Chain-Definitionen
Ausgewählte Supply Chain-Definitionen
In jüngerer Zeit etabliert sich in den Wirtschaftswissenschaften der aus dem Englischen entlehnte Begriff Ecosystem (Wirtschaftsökosystemen oder Unternehmensökosysteme) und steht dann für das Umfeld bzw. Netzwerk, in dem ein Unternehmen agiert oder anders ausgedrückt für einen Verbund von Unternehmen (Business Ecosystem). Der Begriff Ecosystem in einem wirtschaftlichen Zusammenhang wurde erstmals von Moore (1993) in seinem Beitrag »Predators and prey: A new ecology of competition« eingeführt. Moore (1996, S. 26) definiert business ecosystems: »An economic community supported by a foundation of interacting organizations and individuals – the organisms of the business world. The economic community produces goods and services of value to customers, who are themselves members of the ecosystem. The member organisms also include suppliers, lead producers, competitors, and other stakeholders. Over time, they coevolve their capabilities and roles, and tend to align themselves with the directions set by one or more central companies. Those companies holding leadership roles may change over time, but the function of ecosystem leader is valued by the community because it enables members to move toward shared visions to align their investments, and to find mutually supportive roles.« Diese Definition zeigt bereits die inhaltliche Nähe zum Begriff der Supply Chain. Zur Beziehung zwischen Supply Chain Management und business ecosystems führen Bechtel/Jayaram (1997, S. 15) daher aus: »SCM is similar to the business ecosystem concept since it looks at the interconnection between key processes both within firms and between firms. SCM crystallizes the business ecosystem idea by providing a process framework that enables firms to engage in co-evolvement rather than competition.« Allerdings legen Business Ecosystems aber einerseits eine bestimmte – bisher nicht betrachtete – Koordinationsform zu Grunde und sind andererseits und im Besonderen eng verknüpft mit der Digitalisierung und der Plattformökonomie. Wir werden daher im Kapitel »Informationssysteme des Supply Chain Managements« näher auf Gemeinsamkeiten, Überschneidungen und vor allem Differenzen der Begriffe Supply Chain und Business Ecosystem eingehen.