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2.2.4 Arbeitslosigkeit

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Die Arbeitslosigkeit war ein die Erste Republik begleitendes Problem mit mehreren Ursachen. Zum einen gab es große strukturelle Schwierigkeiten, zum anderen trug die staatliche Wirtschaftspolitik zur niedrigen Beschäftigungsrate bei.98

War die Zahl der Arbeitslosen kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auf über 350.000 angeschwollen, so fiel sie in den beiden nachfolgenden Jahren deutlich auf 78.000 (1920) und 28.000 (1921). Diese sehr erfreuliche Entwicklung hielt jedoch nicht an und in den Jahren bis 1930 lag die Arbeitslosenrate zwischen 8,3 und 11,2 %, danach stieg sie sprunghaft an, lag 1932 bereits bei 21,7 % und erreichte 1933 ihren Höchstwert mit 26 %. Im Jahr 1937 lag die Arbeitslosenrate noch immer bei 21,7 % oder 464.000 Personen, von denen nur 231.320 Personen Arbeitslosenunterstützung erhielten – der Rest galt als „ausgesteuert“ und hatte somit keinerlei Unterstützungsanspruch.99

Tabelle 2: Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Österreich 1919–1937.100


Die starken Auswirkungen – Verelendung, Hunger, Armut – der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre auf die Bevölkerung lassen sich an diesen Zahlen sehr deutlich ablesen. Emmerich Tálos beschrieb diese Entwicklung:

„Die Konsequenz dieser Politik [Anm. der Einsparungsmaßnahmen] zeigt sich unter anderem daran, daß der Anteil der Unterstützten an der Gesamtzahl der Arbeitslosen merkbar schrumpfte: 1930 betrug dieser noch 86 %, 1933 60 % und 1934 nur noch 53 %. Dies erfolgte in einem Kontext, der durch eine rapide ansteigende Erwerbslosigkeit geprägt ist: 557.000 Arbeitslose im Jahr 1933 und 545.000 im Jahr 1934 entsprachen einer Arbeitslosenquote von 26 % bzw. 25,5 %.“101

Für die Arbeiter in den Gärtnereien kann eine ähnliche Entwicklung angenommen werden.

Im Gartenbau hatten die Verantwortlichen ebenfalls mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Im Mitteilungsblatt des Gehilfenausschusses der Gärtner und Naturblumenbinder fand sich im Jänner 1926 eine kurze Notiz, die die triste Lage der Wiener Gärtnereiarbeiter beschreibt:

„Bei der Krankenkasse wurden im November 146, vom 1. bis 28. Dezember 153 Kollegen als arbeitslos abgemeldet, zusammen innerhalb der letzten zwei Monate 299. Bei rund 1000 Gehilfen (nach Abzug der Lehrlinge, Hausgehilfinnen und Söhne und Töchter der Arbeitgeber) sind dies 30 Prozent der Arbeitnehmer in den Gärtnereien.“102

Die Situation der Beschäftigten im Wiener Gartenbau war dramatisch, die Arbeitslosigkeit griff aber auch in den ländlichen Gebieten um sich. In der Zeitschrift „Allgemeine Österr. Gärtner-Zeitung“ fand sich im März 1926 ein Artikel, in dem über die Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise berichtet wurde. Unter anderem war hier zu lesen:

„Während bis jetzt in der Landwirtschaft die Arbeitslosigkeit noch einigermaßen zurückgehalten werden konnte, zeigen uns die letzten Berichte der Industriellen Bezirkskommissionen aus den Provinzgebieten, daß die Wirtschaftskrise nun auch auf die Land- und Forstwirtschaft übergreift und die Arbeitslosigkeit auch dort sich erschreckend fühlbar macht. So lesen wir in einem Bericht […] folgende unseren Beruf streifende Randnotiz: ‚Während bis in die letzte Zeit in vielen landwirtschaftlichen Großbetrieben Gärtnereien als Nebenbetrieb geführt wurden, werden sie nun durchwegs stillgelegt, und die Gärtner entlassen. Viele Unternehmer und Betriebsdirektoren haben sich Privatgärtner gehalten; auch hier sind infolge der Krise Einschränkungen auf der Tagesordnung.‘ Wir sehen also, wie auch unser Beruf in engste Mitleidenschaft gezogen wird durch die außerordentlichen Verhältnisse, welche die Wirtschaftskrise dem arbeitenden Volke auferlegt.“103

Nach einer kurzen Phase der wirtschaftlichen Erholung und damit einhergehenden sinkenden Arbeitslosenzahlen wurde ab 1929 wieder ein Anstieg verzeichnet. Im Februar 1930 wurde in einem Artikel in der Allgemeinen Österr. Gärtner-Zeitung über die „bisher noch nie verzeichnete Höhe von 749 arbeitslosen Gärtnern und Gärtnereiarbeitern in Wien und Umgebung“ berichtet104 und Nationalrat Pius Schneeberger schilderte 1932 in einer Parlamentssitzung, in der die Zuordnung des Gewerbes zur Landwirtschaft behandelt wurde, die schwierige Lage der Gärtnereiarbeiter und die Auswirkungen einer Gesetzesänderung für die Berufsgruppe:

„Die Gärtnereiarbeiter aber haben unter der Arbeitslosigkeit gerade heute furchtbar zu leiden. Für sie gibt es nicht nur die bekannte saisonmäßige Arbeitslosigkeit, die heute bei den schlechten Verdiensten und der schlechten Beschäftigungsmöglichkeit in der Saison viel schwerer zu überstehen ist als in normalen Zeiten, sondern es gibt für sie auch eine große krisenmäßige Arbeitslosigkeit, die es mit sich bringt, daß selbst während der Saison ein großer Teil der Gärtner überhaupt keine Beschäftigung bekommt. […] Die Industrielle Bezirkskommission Wien schildert die Lage des Arbeitsmarktes für die Gärtner in ihrem Bericht für 1931 mit folgenden Worten: ‚Blumengärtnergehilfen waren nur schwer unterzubringen. Ganz besonders schlecht war die Vermittlungsmöglichkeit für verheiratete Gärtner.‘ Es ist Tatsache, daß unter den arbeitslosen Gärtnern die überwiegende Anzahl verheiratete Arbeiter sind und daß heutzutage nur noch die ledigen Arbeiter hie und da Aussicht haben, eine Arbeit für kurze Zeit zu bekommen. Hier ein Gesetz zu beschließen, wodurch wieder tausende Arbeitslose um die Unterstützung gebracht werden sollen, das heißt wahrlich ein Spiel mit dem Feuer treiben.“105

Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945

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