Читать книгу Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945 - Erika Karner - Страница 36

2.4.3 Widerstand, Vertreibung, Ermordung

Оглавление

Auch unter Widerstandskämpfern, Vertriebenen und in Konzentrationslagern Internierten und Ermordeten finden sich auch einige Personen mit gärtnerischen Wurzeln – hier einige Beispiele:

Ein prominentes Beispiel für die Verschleppung in ein Konzentrationslager ist Emmerich Zederbauer. Der am 29. September 1877 in Nussdorf an der Traisen, NÖ, geborene Zederbauer studierte nach seiner Matura im Juli 1898 an der Universität Wien und promovierte an der Philosophischen Fakultät am 10. Februar 1903 mit der Arbeit: „Untersuchungen über ‚Anlage und Entwicklung der Knospen einiger Laubmoose“ im Fach Botanik.216 Er verstarb am 4. September 1950 und wurde bereits drei Tage später am Grinzinger Friedhof in Wien begraben.217 Zederbauer war von 1937 bis 1938 Rektor an der Hochschule für Bodenkultur und bereits ab 1924 Professor für Obst- und Gartenbau.218 Kurz nach dem Anschluss wurde er am 18. März 1938 festgenommen und einige Wochen später mit dem ersten Transport am 2. April 1938 von Wien aus in das KZ Dach überstellt. Er bekam die Häftlingsnummer 13788 und war der Kategorie „Schutzhäftling“ zugeteilt. Er wurde, vermutlich aufgrund seines Alters, am 20. September 1938 aus dem KZ Dachau entlassen.219 Während seiner Inhaftierung in Dachau wurde er mit dem Entwurf des Kräutergartens im KZ beauftragt, die Anlage „Freiland I“ wurde zwischen 1938 und 1940 realisiert.220

Ein Wiener Widerstandskämpfer mit Verbindungen zum Gartenbau war Franz Danimann, ein Kämpfer sowohl gegen den Austrofaschismus als auch gegen das Naziregime.221 Der am 30. August 1919 in Lugos, Rumänien, geborene Danimann absolvierte seine Gärtnerlehre vom 11. März 1935 bis 11. März 1938 bei Adalbert Worac, der eine Friedhofsgärtnerei beim Wiener Zentralfriedhof betrieb, und besuchte die fachliche Fortbildungsschule in Wien-Kagran vom Schuljahr 34/35 bis 37/38. Sein Abgangszeugnis erhielt er am 7. März 1938.222

Danimann kam über seinen Onkel und Ziehvater Eduard Kroneis in Kontakt mit der sozialdemokratischen Partei, er war während der Zeit des Austrofaschismus im illegalen Widerstand und in der nunmehr ebenfalls illegalen „Freien Gewerkschaft“ tätig. Nach dem „Anschluss“ wurde Franz Danimann 1939 von der Gestapo verhaftet und war von 1939 bis 1942 in unterschiedlichen österreichischen Gefängnissen, meist in Einzelhaft. 1942 wurde er schließlich in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 27. Jänner 1945 seine Befreiung durch die Rote Armee erlebte.223 Nach 1945 absolvierte er ein Jusstudium, war lange Zeit als Leiter des Landesarbeitsamtes NÖ tätig und einer der wichtigsten Zeitzeugen des Widerstandes.224 Er starb im Juni 2013 in Wien.225

Der Tiroler Hubert Mayr, ebenfalls gelernter Gärtner, lebte und arbeitete zwar nicht im Untersuchungsgebiet, soll hier aber trotzdem als Beispiel für Widerstandskämpfer mit gärtnerischen Wurzeln angeführt werden.226

Peter Wallgram schilderte in seiner Biografie, wie sich der junge, am 28. November 1913 in Innsbruck geborene, Tiroler während seiner gärtnerischen Ausbildung in Deutschland der Sozialdemokratie zuwandte und dem republikanischen Schutzbund beitrat. Nach dem Verbot der Sozialdemokraten 1934 ging Mayr in den Untergrund, verließ schließlich Österreich und ging nach Spanien, um sich 1937 den Internationalen Brigaden im Kampf gegen General Franco anzuschließen. Er wurde interniert und konnte nach Algerien fliehen, wo er wiederum als Gärtner arbeitete. Nach der Landung der Alliierten in Nordafrika schloss er sich den Briten an, er wurde der Einheit „Special Operation Executive (SOE)“ zugeteilt und kehrte schließlich 1943 nach Österreich – genauer Außervillgraten in Osttirol – zurück, um dort eine Widerstandsgruppe aufzubauen. Diese Gruppe wurde jedoch verraten, mehrere Mitglieder wurden erschossen und von Hubert Mayr verlor sich jede Spur. Er galt ab der Jahreswende 1944/45 als verschollen und wurde 1945 von der SOE für tot erklärt.227

Von vielen jüdischen Gärtnern sind sowohl die Lebensumstände bis zum „Anschluss“ wie auch ihr weiteres Schicksal unbekannt. Exemplarisch für zur Auswanderung gezwungene Personen seien Grete Salzer, Hanny Strauss, Paula von Mirtow und Yella Hertzka genannt – ihre Lebensgeschichten sind in Kapitel 7 genauer beschrieben.

Zwei Beispiele für die Vernichtung jüdischen Lebens sind die Gärtner Andreas Paul Glasel und Kurt Knapp.

Andreas Paul Glasel wurde am 5. Oktober 1918 in Budapest geboren und besuchte zumindest im Schuljahr 1934/35 die fachliche Fortbildungsschule für Gärtner in Wien-Kagran. Er arbeitete in der in Wien sehr bekannten Rothschild-Gärtnerei auf der Hohen Warte im 19. Bezirk und wohnte in der Amerlingstraße 1 im 6. Bezirk.228 Über seinen weiteren beruflichen Lebensweg ist nichts bekannt – seine letzte Wohnadresse in Wien war Damböckgasse 2/18, 6. Bezirk. Am 31. August 1943 wurde Andreas Glasel nach Westerbork/Auschwitz deportiert, wo er am 3. September 1943 ermordet wurde.229

Kurt Knapp wurde am 11. April 1920 in Wien geboren und lebte mit seiner Familie230 im 11. Bezirk im Barackenlager Hasenleitengasse 6–8 in Baracke 2.231 Mit 1. Mai 1936 begann er eine Lehre bei dem Simmeringer Blumen- und Gemüsegärtner Ernst Sanda, der an der Adresse Hasenleitengasse 6–8 einen Betrieb führte. Die Lehrzeit sollte vom 1. Mai 1936 bis 1. Mai 1939 dauern.232 Wahrscheinlich hat Knapp seine Lehrzeit nicht beendet, da er in den Klassenbüchern der fachlichen Fortbildungsschule nach dem Schuljahr 1936/37 nicht mehr aufscheint. Nach dem „Anschluss“ wurde Kurt Knapp im August 1940 von der Gestapo erkennungsdienstlich behandelt.

Abb. 1: Kurt Knapp. Foto aus der erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien.233

Der Eintrag in der Opferdatenbank des DÖW fasst die darauffolgende Entwicklung zusammen:

„Er [Anm. Kurt Knapp] und sein Bruder David waren landwirtschaftliche Hilfsarbeiter und wurden am 26.08.1940 wegen ‚Arbeitsverweigerung‘ festgenommen. Beide wurden am 16.10.1940 nach Dachau deportiert, und am 12.07.1941 nach Buchenwald verlegt. David wurde am 23.03.1942 ermordet, sein Bruder Kurt acht Tage später am 31.03.1942.“234

Die restlichen Familienmitglieder – Vater Leopold, Mutter Berta und die Geschwister Hermine, Ernst und Josef – wurden am 19. Februar 1941 gemeinsam mit 999 anderen Personen vom Wiener Aspangbahnhof nach Polen, in die nördlich von Krakau gelegene Stadt Kielce deportiert. Dort wurde Ende März 1941 ein Ghetto errichtet, in dem Ende 1941 rund 27.000 Juden lebten. Nur 18 von den 1.004 im Februar 1941 deportierten Juden überlebten,235 Mitglieder der Familie Knapp waren nicht darunter.236

Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945

Подняться наверх