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4.2 Behandlung und Therapie

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Es ist verständlich, dass Eltern mit Behandlung und besonderen Therapien Erwartungen und Hoffnungen auf positive Veränderungen verbinden. Bei der Auswahl einer Therapie müssen sie jedoch beachten, welche speziellen Methoden jeweils angewendet und welche realistischen Ziele damit tatsächlich erreicht werden können. Sie müssen zudem kritisch reflektieren, ob die gemachten Versprechungen glaubhaft sind. Das Down-Syndrom selbst kann nicht mit Medikamenten oder speziellen Therapien geheilt werden. Es ist keine Krankheit. Aber die verschiedenen möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die häufig mit dem Down-Syndrom verbunden sein können, sind behandelbar. Entsprechende medizinische Maßnahmen haben nicht nur die gesundheitliche Situation der Kinder deutlich verbessert, sondern auch die Lebensqualität und Lebensperspektive nachhaltig verändert. Ob vielleicht irgendwann einmal auch die speziellen Auswirkungen der Trisomie auf die kognitiven Fähigkeiten mit entsprechender Medizin verbessert werden können, ist noch völlig offen (Flamm 2015, 13 ff). Allerdings besteht »ein wachsender Optimismus in der neurowissenschaftlichen und medizinischen Fachwelt, dass … medikamentöse Therapien entwickelt werden können, die die kognitive Funktion von Menschen mit Down-Syndrom verbessern« (Garner 2015, 20). Aber es ist auch »sehr gut möglich, dass Versuche, eine neurologische Funktion in einem Teil des Gehirns zu normalisieren, sich als nachteilig für andere Gehirnfunktionen herausstellen« (Buckley 2013, 27). Ob der von zunehmend mehr Eltern ihren Kindern gegebene Grüntee-Extrakt, ob als Kapseln oder als Pulver (nicht als Getränk!), die Hirnaktivität tatsächlich aufgrund einer regulierenden Wirkung durch das enthaltene EGCG nachweislich positiv zu beeinflussen vermag, ist fraglich. Kritisch gesehen werden vor allem mögliche ungünstige Langzeiteffekte aufgrund dieser nicht nur jahrelangen, sondern eigentlich lebenslänglichen medikamentösen Behandlung.

Differenzierte Förderung und geeignete Therapien können aber – wie langjährige Erfahrungen zeigen – die Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom günstig beeinflussen und ihnen helfen, ihr individuelles Potential besser zu entfalten.

Neben konkreten medizinischen, therapeutischen und pädagogischen Maßnahmen für das Kind sind auch Angebote wichtig zur Unterstützung und Beratung der Eltern. Zudem sind angemessene Hilfen zur Integration und Partizipation des Kindes und seiner Familie im erweiterten sozialen Umfeld anzubieten.

Kindern mit Down-Syndrom haben oft verschiedene syndromspezifische, die Entwicklung beeinträchtigende Probleme, die allerdings individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Die meisten Kinder erhalten deshalb auch entsprechende Therapien, nicht nur im Kindesalter, sondern auch darüber hinaus.

Eine Befragung von über 700 Eltern zu den in Anspruch genommenen Therapien (Wilken 2002b, 144) zeigte eine große Vielfalt und spiegelte die ganze Fülle des »Angebotmarktes« wider. Insgesamt wurden 46 (!) verschiedene »Therapieformen« genannt, allerdings erhielten die meisten Kinder nur die üblichen »Standardtherapien« wie Physiotherapie (Krankengymnastik), Logopädie (Sprachtherapie) und Ergotherapie. Überwiegend hatten die Kinder wöchentlich zwei Therapieangebote.

Als problematisch ist jedoch anzusehen, wenn einige der Kinder drei bis fünf unterschiedliche Therapien in der Woche erhalten. Solche häufigen Termine belasten nicht nur das Kind erheblich, sondern auch die gesamte Familie, sowohl zeitlich als manchmal auch finanziell! Darüber hinaus können sie tendenziell dazu führen, die Verantwortung für die Entwicklung des Kindes an Professionelle zu delegieren und die wichtige Förderung im Alltagsleben zu vernachlässigen.

Förderung bedeutet nicht, alles zu machen, was man machen kann. Viel bringt nicht viel!

Aber selbst dann, wenn jede einzelne Maßnahme durchaus hilfreich sein könnte, stellt sich durch eine unreflektierte Addition mehrerer Therapien nicht unbedingt ein größerer Erfolg ein. Eine solche Therapievielfalt kann vielmehr dazu führen, dass die natürlichen Ressourcen der Familie zu wenig beachtet werden. Auch macht es wenig Sinn, eine Fähigkeit vorwiegend isoliert in besondere Therapiesituationen zu üben und zu trainieren, ohne einen Alltagsbezug herzustellen. Auch eine enge Orientierung an der durchschnittlichen Entwicklung anderer Kinder ist nicht unbedingt hilfreich, sondern kann im Gegenteil durchaus frustrierend sein. Sinnvoll ist vielmehr eine ganzheitliche, systemische Förderung der individuellen Fähigkeiten des Kindes bezogen auf seine aktuellen nächsten Entwicklungsschritte, eingebettet in Alltagshandlungen und Spiele sowie eine therapeutische Unterstützung bei aktuellen besonderen Schwierigkeiten oder Beeinträchtigungen.

Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom

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