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Vorwort

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Die Lebensbedingungen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom haben sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich günstiger entwickelt. Nicht nur die Lebenserwartung ist sehr deutlich gestiegen, sondern auch die Lebensqualität hat sich erfreulich verbessert. Menschen mit Down-Syndrom erleben heute in unserer Gesellschaft eine größere Akzeptanz. Die Inklusion in Kindergarten und Schule sowie die Teilhabe an verschiedenen sozialen Kontexten des Alltagslebens hat sich erheblich ausgeweitet.

Aber während die intensivere ärztliche Versorgung zu besserer Gesundheit und günstigeren Lebensbedingungen für alle Menschen mit Down-Syndrom geführt hat, bedeutet der medizinische Fortschritt hinsichtlich der pränatalen Diagnostik eine neue gesellschaftliche Herausforderung, die gerade für werdende Eltern oft konflikthaft erlebt wird.

Auch die positiven Erfahrungen mit der Integration und Inklusion von Kindern mit Down-Syndrom dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass manche Entwicklungen kritisch begleitet werden müssen, damit Inklusion nicht durch veränderte sozialpolitische Rahmenbedingungen zu einem Sparmodell wird und die berechtigten Ansprüche auf syndrom-angemessene individuelle Förderung auf nicht hinreichend qualifizierte Begleitung reduziert wird.

Es ist gleichwohl beeindruckend, rückblickend festzustellen, was alles in den letzten Jahren erreicht wurde. Als ich Ende der sechziger Jahre eine Sonderschule leitete, begegneten mir viele Schülerinnen und Schüler mit Down-Syndrom, die damals noch keine Frühförderung erhalten hatten. Von etlichen Schwierigkeiten, die sie zeigten, nahm ich an, dass zumindest einige durch frühe Hilfen hätten vermindert werden können. Besonders die orofazialen Beeinträchtigungen und die großen Sprachprobleme erschienen mir als Herausforderung, in intensiver Zusammenarbeit mit den Eltern Wege zu finden, um durch frühe Förderung eine günstigere Entwicklung zu ermöglichen. So entstanden erste Elterngruppen und ein Buch zur »Sprachförderung bei Kindern mit Down-Syndrom« (1973). Seit den siebziger Jahren an der Leibniz Universität Hannover, begann ich mit Forschungen zu syndromspezifischen Aspekten, insbesondere zur Sprachförderung und Sprachtherapie. Auch entstanden Projekte, die sich auf die Ausprägung syndromtypischer Merkmale und Verhaltensweisen bezogen (Wilken 1977) sowie zur schulischen Förderung von Kindern mit Down-Syndrom (Wilken 1999b), die gemeinsam mit Studierenden realisiert wurden.

Die wissenschaftliche Begleitung von Schulversuchen zur Integration und zur Fortbildung von Pädagogen, die in diesen Klassen tätig waren, in der Zeit von 1986 bis 1996 hat viele grundlegende Erkenntnisse erbracht in Bezug auf die Möglichkeiten und Chancen eines gemeinsamen Unterrichts und die dafür erforderlichen Bedingungen (Wilken 1991).

Besonders wichtig war mir immer die Kooperation mit den Eltern. So habe ich seit 1978 über 25 Jahre hin regelmäßig einwöchige Seminare für Eltern und ihre Kinder mit Down-Syndrom im Internationalen Haus Sonnenberg im Harz durchgeführt. Dadurch sind viele persönliche und auch internationale Kontakte entstanden, von denen einige bis heute bestehen und zu anregendem Erfahrungsaustausch geführt haben. Oftmals waren Eltern nach diesen Seminaren hoch motiviert, eigene regionale Elternselbsthilfegruppen zu gründen, zu denen dann langjährige Verbindungen entstanden. Eine besonders nachhaltige Zusammenarbeit hat sich so mit Cora Halder entwickelt, die 1988 mit ihrer damals zweijährigen Tochter an einem solchen Seminar teilnahm. Seit dieser Zeit haben wir viele gemeinsame Aktivitäten im In- und Ausland durchgeführt, und die Zusammenarbeit mit dem von ihr gegründeten Down-Syndrom InfoCenter hat zu etlichen wichtigen Projekten geführt. Dazu zählt vor allem die Entwicklung der Gebärden-unterstützten Kommunikation – GuK (Wilken (2000c). Auch die seit langem bestehende kollegiale Zusammenarbeit mit Babara Jeltsch-Schudel von der Universität Freiburg (Schweiz) und mit Bernadette Wieser vom österreichischen Down-Syndrom-Zentrum in Leoben hat sich immer wieder als anregend erwiesen. Besonders danken möchte ich meinem Mann Udo Wilken für gemeinsame Erfahrungen in vielen Seminaren, spannende Diskussionen und für fast fünfzig Jahre gute Zusammenarbeit.

Seit Ende der achtziger Jahre finden bei der Bundesvereinigung Lebenshilfe in Marburg regelmäßig mehrtägige Seminare für Eltern und ihre Kinder mit Down-Syndrom statt und zwar für Eltern kleiner Kinder, für Eltern, deren Kinder in die Schule kommen, und ein weiteres Seminar für Eltern von Teenagern. Zudem wurden auch Seminare durchgeführt für Jugendliche und junge Erwachsene in Zusammenarbeit mit regionalen Elterngruppen in Deutschland, der Schweiz und in Österreich (Wilken 1999a).

Alle in diesem Buch zitierten Berichte stammen aus diesen verschiedenen Seminaren oder sind mir nachträglich zugeschickt worden. Die Namen der Kinder wie auch einige spezielle Angaben zur persönlichen Situation oder zum Wohnort wurden von mir anonymisiert. Die in diesem Buch abgedruckten Bilder und Texte wurden von den Eltern für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Für die vielen vertrauensvollen Gespräche mit den Eltern und für die bereichernden Erfahrungen mit den Kindern und Jugendlichen bin ich sehr dankbar. Dabei waren für die Zusammenarbeit Freundlichkeit und Zugewandtheit sowie soziale Werte leitend und nicht primär die ›Optimierung‹ von Entwicklung oder das üblich gewordene Leistungsstreben – auch wenn es durchaus um gute Förderung ging.

So haben diese Begegnungen über viele Jahrzehnte auch mein Leben geprägt und mir ermöglicht, ›die Welt mit anderen Augen zu sehen‹.

Dieses Buch möchte deshalb über die aktuellen wissenschaftlichen Informationen hinaus die über die Jahre gesammelten vielfältigen Erfahrungen weitergeben und damit beitragen, syndromspezifische Fragen zu klären.

Bedanken möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bei den Autorinnen und Autoren der Beiträge. Sie alle fühlen sich einem Menschenbild verpflichtet, das den grundsätzlichen Anspruch auf gute familiäre, pädagogische und gesundheitliche Entwicklungsbedingungen betont und weitestgehende Selbstbestimmung ermöglichen möchte.

Gerade die aktuellen Entwicklungen der Pränataldiagnostik und die kontroversen Diskussionen zu diesem Thema zeigen, dass es wichtig ist, den Wert und die Würde von Menschen mit Down-Syndrom unabhängig von ihrer individuellen Leistungsfähigkeit anzuerkennen.

Hildesheim, im Jahr 2020

Etta Wilken

Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom

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