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2. Sachliche Zuständigkeit

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Die sachliche und funktionale Zuständigkeit der zur Entscheidung berufenen Gerichte ist im GWB geregelt. Nur diese Zuständigkeitsregelungen sind gemäß § 95 GWB ausschließlich. Diesbezügliche Zuständigkeitsvereinbarungen sind gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 ZPO unzulässig und die Zuständigkeit kann auch nicht durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache begründet werden, § 40 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit der Kartellgerichte geht anderen Zuständigkeitsregelungen vor, auch wenn diese ebenfalls ausschließlichen Charakter haben.402 Die internationale und örtliche Zuständigkeit sowie die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts können hingegen grundsätzlich vertraglich geregelt werden. Allerdings sind dabei die dargestellten strengen Anforderungen des EuGH zu berücksichtigen.403

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Die Landgerichte sind gemäß § 87 Satz 1 GWB streitwertunabhängig sachlich ausschließlich zuständig für Kartellzivilverfahren in erster Instanz. Kartellstreitsachen sind insbesondere Leistungsklagen, mit denen Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche aus §§ 33, 33a GWB i.V.m. einer kartellrechtlichen Verbotsnorm geltend gemacht werden, aber auch Feststellungsklagen und negative Feststellungsklagen, wenn der Gegenstand des Rechtsverhältnisses, dessen (Nicht-)Bestehen festgestellt werden soll, kartellrechtlicher Art ist.404 Dabei reicht ein offensichtlich unschlüssiger Klägervortrag nicht aus; es muss nach dem bisherigen Tatsachenvortrag (als zutreffend unterstellt) das Vorliegen einer kartellrechtlichen Streitigkeit zumindest hinreichend wahrscheinlich sein.405 Sollte einmal eine Gestaltungsklage vorliegen, bei welcher der Gestaltungsgrund in den Verbotsnormen des GWB oder der Art. 101, 102 AEUV bzw. Art. 53, 54 EWR-Abkommen liegt, handelt es sich ebenfalls um Kartellstreitsachen i.S.d. § 87 GWB.406

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Auch Kartellstreitigkeiten i.w.S., bei denen die Entscheidung des Rechtsstreits von einer bloßen kartellrechtlichen (Vor-)Frage abhängt, begründen gemäß § 87 Satz 2 GWB die Zuständigkeit der Landgerichte.407 So hat das BAG entschieden, dass die Arbeitsgerichte für die Entscheidung eines Rechtsstreits nicht (mehr) zuständig sind, wenn sich in dem Verfahren kartellrechtliche Vorfragen stellen und der Rechtsstreit ohne Beantwortung dieser Fragen nicht entschieden werden kann.408 Um zu verhindern, dass Kartellgerichte mit einer Vielzahl von Streitigkeiten befasst werden, die tatsächlich ohne die Beantwortung kartellrechtlicher Fragen entschieden werden können, ist § 87 Satz 2 GWB restriktiv auszulegen. Es ist nicht ausreichend, dass eine Partei behauptet, dass sich ein Einwand aus dem Kartellrecht ergibt. Erforderlich ist vielmehr der Vortrag eines Lebenssachverhaltes, der nach summarischer Würdigung nicht ohne die Berücksichtigung kartellrechtlicher Normen zu lösen ist.409

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Umstritten ist, ob ein Nicht-Kartellgericht kartellrechtliche Fragen selbst entscheiden darf, wenn sie durch die Rechtsprechung geklärt oder eindeutig lösbar sind, vergleichbar einem acte (é)claire mit Unionsrecht.410 So kann jedenfalls nach Ansicht des BAG ein Nicht-Kartellgericht dann entscheiden, wenn die kartellrechtliche Vorfrage so einfach zu beantworten ist, dass divergierende Entscheidungen nicht zu erwarten sind oder die kartellrechtliche Vorfrage durch höchstrichterliche Rechtsprechung der Kartellgerichtsbarkeit geklärt ist.411

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Die Zuständigkeit des Kartellgerichts kann auch erst im Laufe des Rechtsstreits begründet werden, z.B. durch Einbringung einer kartellrechtlichen Argumentation in das Verfahren.412 Dies kann auch noch in der Rechtsmittelinstanz erfolgen.413 Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob sich die kartellrechtliche Vorfrage aus dem Sachvorbringen des Klägers oder des Beklagten ergibt.414 Für den vorläufigen Rechtsschutz gelten keine Besonderheiten.

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Nach § 89 Abs. 1 GWB werden die Landesregierungen zum Zwecke der Rechtspflege ermächtigt, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten i.S.d. § 87 GWB einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuweisen. Es handelt sich um eine besondere Form der sachlichen Zuständigkeit.415 Diese Regelungen dienen der Konzentration der Kartellzivilverfahren bei besonders ausgewiesenen und sachkundigen Gerichten. Von dieser Ermächtigung haben die Landesregierungen wie folgt Gebrauch gemacht (Stand März 2020):

 – Baden-Württemberg (§ 13 Abs. 1 ZuVOJu):Zuständig für den OLG-Bezirk Stuttgart: LG StuttgartZuständig für den OLG-Bezirk Karlsruhe: LG Mannheim

 – Bayern (§ 33 Abs. 1 GZVJu):Zuständig für den OLG-Bezirk München: LG München IZuständig für die OLG-Bezirke Nürnberg und Bamberg: LG Nürnberg-Fürth

 – Brandenburg (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV):Zuständig für das gesamte Land: LG Potsdam

 – Hessen (§ 42 JuZuV):Zuständig für die LG-Bezirke Darmstadt, Frankfurt a.M., Gießen, Hanau, Limburg a.d. Lahn, Wiesbaden: LG Frankfurt a.M.Zuständig für die LG-Bezirke Fulda, Kassel, Marburg: LG Kassel

 – Mecklenburg-Vorpommern (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 KonzVO M-V):Zuständig für das gesamte Land: LG Rostock

 – Niedersachsen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ZustVO-Justiz):Zuständig für das gesamte Land: LG Hannover

 – Nordrhein-Westfalen (§ 1 Kartellgerichte-Bildungs-VO):Zuständig für den OLG-Bezirk Düsseldorf: LG DüsseldorfZuständig für den OLG-Bezirk Hamm: LG DortmundZuständig für den OLG-Bezirk Köln: LG Köln

 – Rheinland-Pfalz (§ 9 ZFGGZuVO):Zuständig für das gesamte Land: LG Mainz

 – Sachsen (§ 12 SächsJOrgVO):Zuständig für das gesamte Land: LG Leipzig

 – Sachsen-Anhalt (§ 6 Nr. 1 LSAZivGerZustVO):Zuständig für das gesamte Land: LG Magdeburg

 – Schleswig-Holstein (§ 1 KartsLGZustV):Zuständig für das gesamte Land: LG Kiel

 – Thüringen:Keine Zuständigkeitskonzentration. Daher ist jedes LG für seinen Bezirk in Kartellstreitsachen zuständig (LG Erfurt, LG Gera, LG Meiningen und LG Mühlhausen)

 – Berlin, Bremen, Hamburg, Saarland:entbehrlich in Ermangelung mehrerer LG-Bezirke

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In Musterfeststellungsklagen (§§ 606ff. ZPO) sind nach § 119 Abs. 3 GVG die Oberlandesgerichte am Sitz des Beklagten (§ 32c ZPO) erstinstanzlich zuständig. In kartellrechtlichen Sachverhalten kollidiert diese Zuständigkeitszuweisung mit den §§ 87ff. GWB. Insoweit dürfte sich eine Kompromisslösung empfehlen, wonach erstinstanzlich stets die Oberlandesgerichte zuständig sind, jedoch unter diesen die Kartelloberlandesgerichte.416

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Wird ein sachlich unzuständiges Gericht angerufen, kann dieses das Verfahren auf Antrag hin an das zuständige Gericht verweisen, § 281 ZPO. Die Rechtshängigkeit bleibt bestehen. Die Kosten für das Verfahren hat der Kläger zu tragen, § 281 Abs. 4 ZPO. Wird kein Verweisungsantrag gestellt, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

Kartellrechtliche Schadensersatzklagen

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