Читать книгу Speedy – Skizzen - Florian Havemann - Страница 32

Kapitel 28: Der Unbekannte

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»Darf ich erfahren, wer dieser Mann ist?«

»Laß dich überraschen. Du kennst ihn.«

Diese Auskunft war alles andere als beruhigend für mich, das machte die Sache nur noch peinlicher, beschämender – was für eine Erniedrigung stand mir bevor: Speedy, die sich eben mit mir verlobt hatte, bei einem Mann abzuliefern, den ich kannte, sie für eine Liebesnacht bei einem Mann abzuliefern, der also auch mich kennen mußte, der dann also auch um die Verbindung zwischen mir und Speedy wissen mußte und von ihr dann obendrein dann womöglich auch erfahren würde, daß sie sich gerade mit mir verlobt habe, daß sie mich heiraten wolle. Ich würde da nicht nur als schon einmal prophylaktisch gehörnter Ehemann vor der Tür dieses Mannes, des Liebhabers meiner zukünftigen Frau, stehen, ich müßte auch damit rechnen, daß am Tag danach die ganze Stadt wissen würde, wozu mich meine Zukünftige genötigt hatte, jedenfalls der Teil der Stadt, für die der Maler Schlechter kein ganz unbekannter war, meine Freunde und Bekannten und, nicht zu vergessen, die vielen Feinde, die Neider, die ich natürlich auch hatte – ich fürchtete den Skandal, die Blamage, das Gerücht und daß sich viele fragen würden, was mit diesem undurchsichtigen Schlechter los sei, der von links immer mehr nach politisch rechts wanderte, und das in seinen merkwürdigen Knöpfschuhen, die nun auch diese Speedy trug, mit der er zusammenzugehören schien, das wußte ich doch, und so eine Geschichte, die war vielleicht das letzte Puzzleteil, das noch fehlte, um mich für immer und ewig in diesen Kreisen unmöglich zu machen, die doch die Kreise waren, zu denen ich gehörte, in denen ich lebte, die mich als Künstler in meiner immer prekären Existenz auch trugen. Fieberhaft also, aber natürlich, weil so fieberhaft, erst einmal vergeblich suchte ich in meinem dafür nicht eingerichteten Kopf die Adressen meiner Freunde und Bekannten durch: wer von ihnen wohnte nur in dieser Gegend? Mir fiel niemand ein. Man traf sich doch damals auch mehr in Cafés als zu Hause in der eigenen Wohnung. Mir wollte aber wohl auch keiner einfallen. Aus Furcht, daß mir jemand einfiele, den alle kennen, der in diesen Kreisen und damit auch eine öffentlich bekannte Figur wäre, was mich noch mehr desavouiert und unmöglich gemacht hätte. Völlige Leere im Kopf, zuerst jedenfalls, und das wohl, weil ich da suchte, wo bei mir nichts zu finden war, in meinem ganz privaten und damit sehr lückenhaften Adressenverzeichnis. Aber mit einemmal machte es Klack, und plötzlich hatte ich einen Namen im Kopf, ich hatte sogar zwei, zwei Kandidaten dafür, wer Speedys Liebhaber sein könnte, und beides waren das Männer, die durchaus in dieser Gegend ihr Zuhause, ihre Wohnung haben konnten, in dieser feineren Gegend, wo man ein bißchen Geld brauchte, um sich eine Wohnung zu mieten. Und es waren beides Männer mit einem Namen und damit genau das, was ich fürchtete – aber ich kenne das doch von mir, daß ich mich auf einen mir bevorstehenden Schlag dadurch wenigstens ein bißchen vorzubereiten suche, der schlimmstmöglichen Variante ins Auge zu blicken, sie mir auszumalen, in der Hoffnung, es komme dann vielleicht doch nicht so schlimm, in der Absicht, mich innerlich ein bißchen ducken zu können. Auch wenn es in einem solchen Moment vielleicht so aussieht, als wäre ich mutig, als wäre ich ein Kämpfer – ich bin alles andere als das, und es ist die Feigheit, die pure Angst, der Wunsch, mich zu schützen, was mich in so zugespitzter Situation dazu bringt, scheinbar mutig zu agieren, mit offenem Visier. Ich komme aus der Deckung heraus, um dann besser in Deckung gehen zu können, mehr nicht. Und also sagte ich mit einem Seitenblick auf Speedy, und ich sagte es ganz spontan, ohne weiter zu überlegen, von Panik ergriffen: »Ernst von Salomon.« Und Speedy lachte, als sie diesen Namen hörte. »Du meinst ernsthaft, wir beide gehen zu Ernst von Salomon?« In ihr Lachen hinein nannte ich den zweiten Namen: »Henri Guilbeaux.« Und dieser Name, er ließ sie nur noch mehr lachen. »An wen du alles denkst … «

Speedy – Skizzen

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