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Kapitel 38: Schade um Schad
ОглавлениеDas Problem mit Schad war, daß er zu gut aussah – nichts dagegen einzuwenden, daß er gut aussah, und von mir doch nicht, der niemals so gut aussah und immer nur der häßliche, kleine, aufgeschwemmte Zwerg war, der ich jetzt noch ein bißchen mehr bin. Und schon gar nicht gegen Schad einzuwenden, daß er zu gut aussah, um nicht auch bei Speedy vielleicht Eindruck zu machen. Da hätte ich doch nichts dagegen gehabt – überhaupt nicht und umgekehrt wird da schon eher ein Schlechter’scher Knöpfschuh draus: daß nicht nur Speedy auf den Maler, der sie malen sollte, ihr Portrait und hoffentlich ein bißchen mehr von ihr, Eindruck mache, sondern dieser Maler, vor dessen Staffelei ich sie setzen wollte, dessen Pinsel ich sie ausliefern wollte, auch auf meine Frau einen gewissen Eindruck mache, darum ging es mir ja grad über das Resultat hinaus, über das Bild, das dabei entstehen sollte, und ich will mal gar nicht so tun, als wäre es mir dabei nur darum gegangen, daß meine Speedy dann sicher sehr viel freizügiger als Modell gewesen wäre und deshalb dann das Bild von ihr auch besser, wenn ihr dieser Maler, der sie malt, einen solchen Eindruck macht, daß auch sie ihm Eindruck machen will, ihm Eindruck zu machen versucht, ich will da gar nicht drum herumreden, daß meine Intentionen bei dem ganzen Manöver noch etwas weitergingen und ich darauf aus war, meine Speedy einem andern Mann, einem Malerkollegen quasi, ins Bett zu legen. Daß er sie malt, das sollte sozusagen nur die Vorstufe sein, die Vorbedingung des eigentlichen, daß er sie beschläft, sie zu seiner Maitresse macht, eine Affaire mit ihr anfängt, und das Problem mit Schad war, daß er, der Schönling, der vielfach Umschwärmte, der Liebling vieler Frauen, daraus sexuell nichts für sich machen konnte. Schad, der so viele Liebschaften hätte haben können, hatte keine, das war stadtbekannt in Berlin. Schad konnte die schönen Frauen nur malen, und dann wischte er seine Pinsel ab und machte seine Palette sauber und biß wahrscheinlich in der Nacht dann vor Wut ins Kissen wegen seiner Unfähigkeit, die Weiber umzulegen, die sich ihm liebend gern hingegeben, von ihm nur zu gern hätten umlegen lassen. Das Problem mit Schad war, daß er ein Problem hatte, ein sexuelles, ein psychologisches, und das machte ihn mir zwar sympathisch, der ich noch ein paar mehr Probleme hatte und immer noch habe, Probleme ebenso sexueller, psychologischer Natur, und gehemmt sind wir doch beide, aber deshalb fiel er natürlich aus und konnte für meine Pläne nicht der geeignete Kandidat sein – interessant ist ja auch, was aus Schad wurde, als unsere Freunde, die Nazis, die Macht an sich rissen: Schad hätte doch glattweg nach Paris ausweichen und dort mit seinen so bewundernswert glatten Oberflächen ein großer Modemaler werden können, ein größerer vielleicht sogar als Pascin zu seiner Zeit, oder wenigstens zurück in sein Italien gehen können, zu seinen Faschisten, die es doch mit der modernen Kunst nicht so genau nehmen und bierernst wie ihre deutschen Nachahmer. Aber nein, Schad blieb im Lande, und er hörte auf zu malen, stellte seine künstlerische Tätigkeit gänzlich ein und wurde stattdessen Kaufmann und wohl nach allem, was ich gerüchteweise so höre, ein gar nicht wenig erfolgreicher Kaufmann, ein Zwischenhändler für Ich-weiß-nicht-was. Das hat schon Konsequenz, das muß man dem Mann lassen. Eine entschlossenere Schlußfolgerung aus der Erkenntnis, in welch kunstfeindlichen Zeiten wir leben, dürfte schwer vorstellbar sein, aber ich erkläre das natürlich auch psychologisch und denunziere es vielleicht damit: er wird seines Erfolges nicht froh geworden sein, der arme, einsame Mann, der so viele Frauen hätte haben können, die ganze Kunst auf Dauer ein Greuel für ihn, und außerdem würde ich sagen, daß sich seine Methode wahrscheinlich doch rasch erschöpft hätte, die Glätte an und für sich, das ist es doch nicht, und ich will ihm das mal zugute halten, daß er so klug und sensibel war zu erkennen und zu ahnen auch, daß er da bald, sehr bald keine guten Bilder mehr damit würde malen können, daß seine bewundernswerte Glätte zur bloßen Manier und Manie hätte verkommen müssen, zu seinem todsicheren Erfolgsrezept, zum Tod also seiner Kunst – also war er klüger als ich, klüger und sensibler auch als ich, der ich dann diese Idiotie besaß, gerade auf seine Glätte in der Oberflächenbehandlung einzuschwenken. Aber das läßt man natürlich nicht gern auf sich sitzen, der dümmere und rohere Geselle zu sein im Vergleich mit einem Zeitgenossen, zumal, wenn der einem dann auch noch persönlich bekannt ist, und deshalb höre ich also mit einer gewissen Genugtuung, daß Schad drauf und dran sein soll, rückfällig zu werden. Er verhandele, so geht das Gerücht, was man so aus Künstlerkreisen zu hören bekommt, selbst dann, wenn man nicht mehr richtig dazugehört, mit der Stadt Aschaffenburg darüber, daß er für sie eine Kopie der Stuppacher Madonna von Grünewald anfertige, die sie dort in Aschaffenburg bei sich im Rathaus zu hängen haben und die natürlich in ein Museum gehört – die Verhandlungen ziehen sich hin, und Schad soll richtig Geld dafür verlangen, und ein paar Jährchen Arbeit dürfte das auch bedeuten. Und auch sein totales Ende als Künstler, und ob ich ihm das nun wünschen soll, ich weiß es nicht. Einer weniger – schade drum, Herr Schad. Oder doch nicht schade drum?