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b) Der im Primärrecht verankerte Schutz des Status der Kirchen – Art. 17 AEUV aa) Allgemeine Einordnung

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Nach jahrzehntelangem normativem Schweigen der EU zu ihrer Haltung gegenüber den Kirchen enthält das primäre Unionsrecht nunmehr seit Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags mit Art. 17 AEUV erstmalig eine kirchenspezifische Norm.178 Angesichts der immer zahlreicheren Regelungen des Gemeinschaftsrechts mit mittelbar staatskirchenrechtlichem Bezug war eine derartige Regelung immer notwendiger geworden. Der erste Absatz dieses sogenannten „Kirchenartikels“179 lautet:

„Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.“

Nachdem das Gemeinschaftsrecht im juristischen Schrifttum insbesondere in den 1990er Jahren zunehmend als Gefahr für die nationalen staatskirchenrechtlichen Grundordnungen angesehen worden war, wurde dieses explizite Bekenntnis der Union zur einzelstaatlichen Stellung der Kirchen zunächst als Beleg für eine Entspannung auf diesem Gebiet angesehen.180 Der insoweit gewährleistete Schutz ist spezifischer und umfassender als die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 AEUV, zu der nach allgemeiner Auffassung auch die Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche gezählt wird.181 Denn der neue „Kirchenartikel“ enthält neben der Achtung der kirchlichen Rechtsstellung auch das Gebot deren Nichtbeeinträchtigung und erweist sich schon aus diesem Grund als wirkmächtiger.

Zwar begründet Art. 17 Abs. 1 AEUV inhaltlich keine neue Regelung, da dessen Wortlaut der inhaltsgleichen Erklärung Nr. 11 zum Amsterdamer Vertrag182 entnommen wurde. Jene Erklärung hatte jedoch als „soft law“ noch keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit und ihre genaue Wirkungsweise war nicht unumstritten.183 Diesem Defizit wurde durch die Anhebung ihres materiellen Gehalts auf einen primärrechtlichen Rang abgeholfen. Die Regelung genießt infolgedessen seitdem unzweifelhaft normativen Charakter und geht dem Sekundärrecht vor. „Justiziable“ subjektive Rechte der Kirchen gegenüber der Union gewährt sie allerdings nicht.184 Objektiv-rechtlich bindet Art. 17 Abs. 1 AEUV aber sämtliche Organe, Institutionen und Einrichtungen der Union und kann insbesondere etwa im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 2 AEUV oder innerhalb eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV Wirksamkeit entfalten.185

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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