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bb) Rechtlicher Gehalt des „Kirchenartikels“

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Die Relevanz des „Kirchenartikels“ begründet sich in der Vielgestaltigkeit der einzelnen staatskirchenrechtlichen Regelungssysteme innerhalb der Unionsmitgliedstaaten. In Anbetracht dessen verkörpert Art. 17 Abs. 1 AEUV die grundlegende Intention der Gemeinschaft, diese nationale Heterogenität des Verhältnisses von Staat und den Kirchen nicht zu verletzen.186 Mückl spricht der Regelung insoweit folgerichtig eine „struktursichernde Wirkung“187 zu. Sie beinhaltet dementsprechend zunächst eine deklaratorische Bestätigung des Umstands, dass der EU nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung keine staatskirchenrechtliche Rechtsetzungskompetenz zugewiesen ist.188

Doch der Gehalt von Art. 17 Abs. 1 AEUV erschöpft sich nicht lediglich in einer derartigen (redundanten) Kompetenzklarstellung; vielmehr entfaltet der „Kirchenartikel“ hinsichtlich der mittelbaren Regelung staatskirchenrechtlicher Aspekte durch Gemeinschaftsrecht – wie etwa im Bereich des Arbeitsrechts – konstitutive Wirkung. Denn er regelt gerade diejenigen Fälle unbeabsichtigter Ingerenz der Union in nationale staatskirchenrechtliche Angelegenheiten durch scheinbar „religionsneutrales“ Recht.189 Insofern vermag Art. 17 Abs. 1 AEUV allerdings nach der ganz herrschenden Auffassung keine vollständige Bereichsausnahme zu begründen.190 Grundsätzlich unterliegen daher selbstverständlich auch die Kirchen der europäischen Rechtsetzung, sofern die einzelnen Regelungen keine Verletzung des „Kirchenartikels“ evozieren. Art. 17 Abs. 1 AEUV kann in diesem Sinne als „Kompetenzausübungsregel“191 bzw. als „negative Kompetenznorm“192 charakterisiert werden, die innerhalb ihres sachlichen Anwendungsbereichs eine Bindung der Kirchen an Gemeinschaftsrecht verhindert. Dies kann durch Sonderregelungen, also Bereichsausnahmen für religiöse Sachverhalte, sichergestellt werden.193 Darüber hinaus ist der „Kirchenartikel“ auch nach der Rechtsetzung von Bedeutung. So ist etwa die Rechtmäßigkeitsprüfung der Umsetzung einer Richtlinie im Lichte von Art. 17 Abs. 1 AEUV zu prüfen, da sich insofern Spielräume für die einzelnen Mitgliedstaaten eröffnen.194

In welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen Art. 17 Abs. 1 AEUV zur Anwendung gelangt und einen effektiven Schutz zugunsten der Kirchen bieten kann, ist durch eine Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Status“, „achten“ und „nicht beeinträchtigen“ zu ermitteln. Diese Termini stellen unionsrechtliche Rahmenbegriffe dar und unterliegen mithin dem Letztentscheidungsrecht der europäischen Gerichtsbarkeit.195 Der EuGH hat sie bislang nicht konkretisiert.

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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