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Teil 2
Länderberichte A. Deutschland – Ausgangspunkt und Vergleichsmaßstab I. Die soziale Stellung der Kirchen und ihre Rolle als Arbeitgeber

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In Deutschland besteht ein Dualismus zweier ungefähr gleich großer Kirchen, namentlich der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche. Die katholische Kirche gliedert sich in 27 Diözesen (Bistümer bzw. Erzbistümer), die evangelische Kirche ist der Zusammenschluss der 20 weithin selbständigen lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen Deutschlands (EKD). Zusammen vereinen katholische und evangelische Kirche fast zwei Drittel der deutschen Bevölkerung. Im Jahr 2015 zählte die katholische Kirche 23,6 Millionen, die evangelische Kirche 21,9 Millionen Mitglieder.222 Obwohl dieser hohe numerische Anteil eine große gesellschaftliche Bedeutung suggeriert, schwindet die Bindung der Bevölkerung an die Institution Kirche.223 Dies veranschaulicht der kontinuierliche Rückgang der Konfessionszugehörigkeiten im Laufe der letzten Jahrzehnte.224 Für diesen Trend können maßgeblich die soziologischen Phänomene der Pluralisierung, der Individualisierung und der Säkularisierung identifiziert werden.225

In scheinbarem Widerspruch zu dieser Entwicklung226 hat die Bedeutung der Kirchen als Arbeitgeber227 seit den späten 1960er Jahren in erheblichem Umfang zugenommen.228 Wegbereitend dafür war die enorme Zunahme kirchlich getragener Einrichtungen im sozialen bzw. karitativen Bereich durch die gesetzliche Etablierung des sozialrechtlichen Grundsatzes vom Vorrang privater Einrichtungen der Wohlfahrtpflege gegenüber öffentlichen Einrichtungen (sog. „Funktionssperre“).229 Auch infolgedessen sind gegenwärtig in der Bundesrepublik unzählige kirchliche Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen und Beratungsstellen lebendiger Ausdruck der karitativen Grundfunktion der Kirchen. Das auf diese Weise gestiegene Engagement im sozialen Bereich ließ die Zahl der kirchlich Beschäftigten rapide steigen. Die geistlichen Orden als traditionell wichtigste Personalressource vermochten den entsprechenden Bedarf an Arbeitskräften nicht mehr annähernd zu decken.230 Der weitaus größte Teil der Beschäftigten entstammt seitdem daher dem allgemeinen Arbeitsmarkt und ist auf Grundlage eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages angestellt.231

Als Arbeitgeber fungieren katholische Diözesen, evangelische Landeskirchen, landeskirchliche und diözesane Verbände, Dekanate, Kirchenkreise und Pfarreien sowie die ihnen zugeordneten Einrichtungen.232 Eine genaue Zahl der kirchlichen Arbeitsverhältnisse kann angesichts dieser Vielzahl kirchlicher Arbeitgeber und Einrichtungen kaum ermittelt werden. In den einschlägigen Quellen der letzten Jahre ist zumeist von 1,3 bis 1,4 Millionen233, in jüngerer Zeit sogar von 1,5 Millionen234 Arbeitnehmern die Rede – es kann somit von einer weiterhin steigenden Tendenz ausgegangen werden. Davon sind gegenwärtig knapp 700.000235 Arbeitnehmer bei der katholischen Caritas und knapp 600.000236 Arbeitnehmer bei der evangelischen Diakonie beschäftigt. Dies verdeutlicht die eminente praktische Bedeutung des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland.

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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