Читать книгу Kirchliches Arbeitsrecht in Europa - Florian Scholz - Страница 32

(1) „Status“

Оглавление

Der Schutzbereich des „Kirchenartikels“ wird definiert durch den kirchlichen „Status“. Welche Aspekte der einzelstaatlichen staatskirchenrechtlichen Systeme diesem Begriff zuzuordnen sind, wird in der Literatur nicht immer einheitlich und mit unterschiedlicher Akzentuierung beantwortet. Nach allgemeinem Konsens sind jedenfalls die fundamentalen nationalen Prämissen des Verhältnisses von Staat und Kirche geschützt, auch sofern sie in scheinbar religionsneutralen Rechtsgebieten zur Entfaltung kommen. Der materielle Gehalt des Begriffs unterliegt damit einer nicht unerheblichen nationalen Varianz. So zählt Heinig die typischen traditionellen Prägungen im Sinne der staatskirchenrechtlichen Systementscheidungen und die Kernbereiche der Ausgestaltung der Staat-Kirche-Beziehungen zum Schutz des Art. 17 Abs. 1 AEUV, wovon allerdings „Petitessen“ des nationalen Religionsrechts ausgeschlossen seien.196 Eine ähnliche, institutionell geprägte Perspektive nimmt Schmidt ein, der den Kernbereich des bestehenden staatskirchenrechtlichen Gefüges in den Mitgliedstaaten erfasst sieht.197

Die subjektiv-rechtlich vermittelte Stellung der Kirchen hingegen betont etwa Schnabel, indem er diejenigen nationalen Normen vom „Status“-Begriff umfasst sieht, die den kirchlichen Freiheitsraum begründen.198 Nach dieser Lesart muss auch das für das kirchliche Arbeitsrecht essentielle Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ihrem „Status“ nach Art. 17 Abs. 1 AEUV zugerechnet werden. Bliebe diese elementare Rechtsstellung unberücksichtigt, würde der „Kirchenartikel“ gerade aus deutscher Sicht einen ganz bedeutenden Teilbereich des kirchlichen Status ausklammern. Daher entspricht dieses Ergebnis auch der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur.199

Nur eine Mindermeinung klammert dieses sowohl für das kirchliche Wirken als auch für das deutsche staatskirchenrechtliche Grundgefüge entscheidende Fundament aus dem Schutzbereich des „Kirchenartikels“ aus.200 Deren Vertreter verkennen aber, dass insbesondere die rechtliche Existenz eines kirchlichen Selbstbestimmungsrechts einen wesentlichen Bestandteil der nationalen staatskirchenrechtlichen Identität begründet und insofern wesentlicher Ausdruck des historisch gewachsenen Verhältnisses von staatlicher und kirchlicher Sphäre ist. Entsprechend ist die außerordentliche Bedeutung dieses Freiheitsrechts im deutschen staatskirchenrechtlichen Schrifttum seit jeher unbestritten.201 Gerade eine derartige nationale Besonderheit intendiert aber Art. 17 Abs. 1 AEUV zu schützen. Wie unterschiedlich diesbezüglich die staatlichen Grundentscheidungen ausfallen können, wird noch im Rahmen des in dieser Arbeit vorzunehmenden Rechtsvergleichs dargestellt werden. Aus diesem kontrastierenden Vergleich lässt sich sodann auch ableiten, wie identitätsbildend und charakterisierend das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und deren davon abgeleitete Rechtsstellung im Arbeitsrecht für das deutsche Staatskirchenrecht ist.202

Daher kann auch nicht der Auffassung gefolgt werden, eine kirchliche Aktivität ökonomischer Prägung – obgleich karitativer Natur – sei vom Schutzbereich des Art. 17 Abs. 1 AEUV grundsätzlich nicht mehr umfasst.203 Vielmehr ist diese Ansicht als Relikt des überkommenen Ansatzes zu verstehen, dass die Kirchen insbesondere auf europäischer Ebene lange Zeit nur „im säkularen Gehäuse ihres Handelns“204 wahrgenommen wurden und dabei unberücksichtigt blieb, dass sie insofern auch glaubensverkündigend tätig werden können. Gerade diese „kirchenblinde“ Perspektive ist es aber, die durch Art. 17 Abs. 1 AEUV korrigiert werden soll. Andernfalls bliebe ein ganz wesentlicher Teil des spezifischen deutschen Schutzes kirchlichen Wirkens sowie ihres Selbstverständnisses und damit ihr spezifischer nationaler Status unberücksichtigt.205 Der „Kirchenartikel“ erfasst nämlich gerade auch diejenigen staatskirchenrechtlichen materiellen Rechtspositionen, die sich in vermeintlich religionsneutralen Bereichen auswirken und kann insofern auch insbesondere das Arbeitsrecht umfassen.206

Für dieses Ergebnis spricht auch ein systematisches Argument: Schließlich werden die Kirchen wegen der fehlenden staatskirchenrechtlichen Kompetenz der EU vor allen Dingen dann von europäischen Normen erfasst, wenn sie ökonomisch handelnd – etwa als Arbeitgeber – in Erscheinung treten.207 Würde der Schutz von Art. 17 AEUV nun gerade diesen bedeutsamen Teil kirchlichen Wirkens per se ausklammern, verbliebe vom „Kirchenartikel“ infolge seines erheblich geschrumpften Anwendungsbereichs nicht viel mehr als eine redundante Kompetenzzuweisungsnorm.

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

Подняться наверх