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Gespräch in der Kapelle

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»Ich wusste, dass du hier sein würdest.«

»Ich konnte nicht schlafen.«

»Unseretwegen?«

»Ja. Und wegen ... Und überhaupt«, sagte Xenia und wandte Marius das Gesicht zu. Sie war blass. Marius nickte. »Golo war bei mir«, sagte er und kniete sich neben sie in die Bank. Es war fast dunkel in der Kapelle. Nur zwei Kerzen am Altar spendeten ein schwaches Licht. »Er hat unseren Großvater belauscht – und den Herzog.«

»Und?«

»Großvater meint, dass dem König nicht zu trauen ist.«

»König Falk? Aber wir haben doch schon so lange Frieden. Die pax fauconia ist doch weithin berühmt!«

»Die was?«

»Die pax fauconia, der Fauconische Frieden«, erklärte Xenia. Marius zog die Augenbrauen hoch, die Mundwinkel fielen nach unten und er sah seine Base schräg an. »Was weißt du denn für Dinge?«

»Hab ich mal aufgeschnappt, als sich Großmutter mit dem Herzog unterhalten hat.«

»Ach. Und was denkt Tante Zussa – unsere Großmutter?« Marius fiel es immer noch schwer, sie als seine Großmutter anzusehen. Er hatte sie ja als Xenias vermeintliche Tante Zussa kennengelernt. Erst nach einiger Zeit hatten die beiden erfahren, dass die alte Dame tatsächlich ihrer beider Großmutter war.

»Ich vermute, sie denkt genauso wie Großvater.«

»Golo sagt, König Falk habe vor Jahren nicht gezögert, seine Truppen über den Rabenwald herfallen zu lassen, und er werde auch heute nicht zögern, wenn er sich davon einen Vorteil verspräche.«

»Wenn Ludovico dort ist, dann muss er ihn ja nicht mehr überfallen«, überlegte Xenia laut. »Er brauchte bloß den Sohn des Herzogs gefangen nehmen und seine Forderungen zu stellen.«

Eine Weile schwiegen sie. Nur der Lärm vom Festsaal war durch die dicken Mauern gedämpft zu hören. »Nein«, sagte Marius dann. »Das würde er nicht tun. Glaube ich.«

»So? Und warum nicht?«

»Weißt du, Golo hat mir erzählt, was damals wirklich passiert ist.« Er blickte Xenia in die Augen. »Hast du dich eigentlich jemals gefragt, warum im Rabenwald keine Raben leben?«

»Hm.« Xenia stutzte. »Ehrlich gesagt nein. Warum leben denn keine Raben im Rabenwald?«

Marius senkte die Stimme. »Als die fauconischen Krieger damals gegen die Rabenburg zogen ...«, fing er an. Doch Xenia hielt plötzlich den Finger vor den Mund. Marius schüttelte etwas verwirrt den Kopf. Dann setzte er erneut an: »Als also die fauconischen Ritter ...« Da griff Xenia ihm an den Arm und schaute sich erschrocken um. Ihr war, als hätte sie etwas gehört. Die Säulen neben der Pforte lagen beinahe gänzlich im Dunkeln. Auch Marius versuchte, etwas zu erkennen. Doch da war nichts als der schwache Lichtschein der beiden Kerzen, der gelegentlich über die Wände und Nischen flackerte. Nein, Marius hätte schwören können, dass dort niemand war – hätte er nicht plötzlich etwas klirren hören. Xenia schreckte hoch, Marius taumelte einen Schritt zurück und warf dabei eine Kerze um, die sogleich erlosch. Geistesgegenwärtig griff Xenia nach der anderen Kerze, um in den Raum zu leuchten. Doch sie packte das Licht zu schnell und der Luftzug blies die Flamme aus. »Xenia!«, rief Marius noch, der das Ungeschick kommen sah und in ihre Richtung stürzte. Aber da war auch die zweite Kerze schon erloschen. Wie von selbst drehte er seinen Kopf zur Pforte hin. Die Tür ging auf und ein Schatten huschte nach draußen, so lautlos, wie er wohl die ganze Zeit über gelauscht hatte.

Das Rabenorakel

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