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Unsichtbare Augen

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Schon beim ersten Schritt seines Pferdes hatte Marius das Gefühl gehabt, sie würden beobachtet. Ein mächtiger Frühlingswind bewegte die Bäume des Rabenwalds, Wolken jagten über die Baumwipfel hinweg. Sie blickten noch einmal zurück zur Burg, die den Wald weithin überragte und deren beide Türme stolz vom Ruhm des Herzogs kündeten. Bald schon würden sie den Weg in Richtung Faucas allein einschlagen, der Fürst von der Rabenburg würde mit seinen Mannen zurückreiten. Sie würden so tief in den Wald eindringen, wie noch keiner von Ihnen es jemals getan hatte – außer Golo vielleicht. Selbst Meister Goldauge, jener königliche Rabe, dessen Familie einst über das Rabenreich geherrscht hatte und der jetzt hoch über ihnen durch die Lüfte glitt, kannte das dunkle Herz des Waldes nicht.

Weit vorne ritten der Fürst und Ludovico. Heinrich von der Rabenburg sprach angeregt mit seinem Neffen, und Marius hätte gerne gewusst, worüber die beiden sich unterhielten. Einerseits. Andererseits wäre ihm lieb gewesen, wenn der Fürst seiner Umgebung etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Denn das eigenartige Gefühl, das ihn seit Schloss Falkenhorst begleitete, verstärkte sich eher noch. Es war, als würde etwas Unheimliches in der Luft liegen, etwas Unsichtbares, das jeden Augenblick sichtbar werden konnte – und gefährlich.

»Warum schaust du so finster drein, lieber Vetter?«, fragte Xenia, die auf ihrer Stute neben ihm ritt. »Es ist doch ein wunderbarer Tag zum Reisen. Kein Regen, nicht zu heiß ...«

»Mmh«, murrte Marius und sah sich kurz um. Vor und hinter ihnen ritten die schwer bewaffneten Männer in Zweierreihen. Selbst wenn eine Horde Greife sie aus dem dunklen Wald anfiele, sie würden geschützt sein. Und dennoch fühlte er sich nicht sicher. Raunte der Wald ihm – von den anderen unbemerkt – eine Warnung zu? »Goldauge ist weit voraus«, sagte er, um Xenia nicht zu beunruhigen. Sie musste sich nicht auch noch Sorgen machen

»Hast du Angst, er findet uns nicht wieder?«, amüsierte sich Xenia.

»Sehr witzig.« Marius verzog kurz den Mund und klopfte seinem Rappen mit den Stiefeln in die Seite, um ihn voranzutreiben.

»Meine Güte«, sagte Xenia und sah ihn schief von der Seite an.

»Welche Laus ist dir denn heute über die Leber gelaufen?«

Marius seufzte. »Entschuldige. Es ist nur ... Ach, nichts.«

Nein. Er würde es ihr nicht sagen. Er machte sich ja lächerlich. Ihrer Gruppe drohte keine Gefahr. Niemand würde es wagen, den Tross von Fürst Heinrich anzugreifen, kein Mensch, kein Tier. Und der Schurke Crudo, den sie kürzlich von seiner Burg und hoffentlich auch aus dem gesamten Reich verjagt hatten, hatte keine Gefolgschaft mehr. Nein, hier gab es keine Feinde. Sie lebten jetzt endlich in einem friedvollen Reich, in dem sich der Fürst und dessen Bruder, Herzog Friedbert, wieder vertragen hatten und in dem die Verschwörer, die Zwietracht säen und die Brüder entzweien wollten, endgültig besiegt waren.

Und doch: Marius war es merkwürdig zumute, ja unheimlich.

Das Rabenorakel

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