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Emerald

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»Was ist passiert? Dass du hier bist, kann nur bedeuten, etwas ist passiert.« Die Stimme kam so überraschend aus dem Dunkeln, dass Florine beinahe vom Fenstersims gefallen wäre. »Emerald!«, krächzte sie, kaum fähig, Luft zu holen.

»Wie geht es Xe ... Was ist passiert?« Der Küchenjunge trat aus dem Schatten des Turmes in das kalte Mondlicht. Der Wehrgang der Burgmauer reichte hier bis an den Turm. Florine konnte Emerald nicht ausstehen. Kein Wunder, immerhin hatte er bei der Verschwörung gegen den Herzog geholfen. Sie hätte wegfliegen können. Sie hätte ihn stehen und seine Frage unbeantwortet lassen können. Doch sein Blick hatte etwas Flehendes. Wie er dastand mit seinem kurz geschorenen blonden Haar, den Augen, die müde und zugleich besorgt blickten, und den Augenringen, die sie sogar hier im Zwielicht erkennen konnte, tat er Florine fast ein bisschen leid. Er sah wirklich aus, als meinte er es ernst. Und hatte er nicht fragen wollen: Wie geht es Xenia? Die Papageiendame sah ihn unschlüssig an.

»Du hast gelauscht«, brachte er nach einiger Zeit hervor.

»Und du? Was machst du hier im Morgengrauen?«

Emerald schwieg und schaute hinaus auf das dunkle Meer, das unter ihnen toste. »Ich mache mir Sorgen«, sagte er dann und warf ihr einen Blick zu, der ehrlich aussah. Florine hatte Emerald nie über den Weg getraut. Wie lange war er eigentlich auf der Burg? Ein Jahr? Zwei Jahre? Und wo war er hergekommen? Er gehörte zu niemandem, hatte keine Freunde, und keiner wusste, was er machte, wenn er nicht in der Küche war. Wieso eigentlich?

»Du weißt nicht, ob du mir vertrauen kannst, richtig?«, sagte Emerald. »Das kann ich verstehen. Nach allem, was geschehen ist... Und wenn ich dir das hier zeige?«

Florine betrachtete entsetzt die Narbe, die er am Unterarm trug. Das war kein versehentlicher Kratzer, keine Schramme vom Klettern auf der Burgmauer. Jemand hatte ihn tief ins Fleisch geschnitten. »Wie konnte das geschehen?«, fragte sie und fürchtete doch die Antwort, weil sie ahnte, was ihm geschehen war.

»Sie haben mich festgehalten und mir die Klinge über die Haut gezogen«, sagte er. »Curtius Drunk war es, die anderen haben meine Arme und Beine festgehalten – und den Mund zugedrückt. Damit du weißt, wie es sich anfühlt, hat Crudo gesagt Wenn du auch nur ein Wort sagst, schneiden wir ihn dir ab.« Emerald schluckte. Der Schreck stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben, jetzt, da er zurückdachte an das Geschehen.

Florine schwieg, starr vor Entsetzen. Sie konnte sich erinnern, dass Emerald einige Zeit mit verbundenem Arm herumgelaufen war. Alle hatten gedacht, es handle sich um eine Verbrennung. Und alle hatten ihre Scherze auf seine Kosten gemacht. Dass er damals nicht widersprochen, nicht gesagt hatte, es sei ein Schnitt, das sprach für die Richtigkeit seiner Geschichte. Er hatte ja nichts sagen können. Wer hätte ihm denn geglaubt, wenn er die Verschwörer beschuldigt hätte, die alle zu den Großen des Reiches gehört hatten? Nein. Sie hatten ihn erpresst. Er hatte den Verschwörern nicht freiwillig geholfen, weil er böse war, sondern weil niemand zu ihm gestanden und sich niemand für ihn richtig interessiert hatte. Er hatte keine Freunde. »Du musst mit Horatius Tyk sprechen«, sagte er.

»Vermutlich hast du recht. Aber was wird er tun?«

»Wenn ich das wüsste ... Er ist ziemlich schlau. Ihm wird sicher etwas Gutes einfallen.«

Florine nickte. »Und wir? Sitzen wir nur hier herum und warten?«

»Wir? Du vielleicht. Ich sicher nicht. Mich vermisst niemand außer Don Basilico. Jetzt, wo das Fest vorbei ist, schafft er die Arbeit in der Küche auch alleine. Bis die überhaupt merken, dass ich weg bin, bin ich schon über alle Berge.«

»Du willst dich auf den Weg machen? Wohin denn? Nach Faucas? Oder nur in den Wald? Oder wie?«

»Ja«, sagte Emerald und rappelte sich auf. Er hatte sich so hingesetzt, dass man ihn vom Hof aus nicht sehen konnte, damit sie nicht in Florines Erzählung gestört wurden.

»Ja, was?«, fragte der Vogel irritiert.

»Ja, Florine.«

Das Rabenorakel

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