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Unsanftes Erwachen

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»Wehe mir«, krächzte Goldauge und bewegte seine schmerzenden Flügel, während er, hustend und nach Luft schnappend, versuchte, auf die Beine zu kommen.

»Er kommt zu sich!«, rief einer der Jungen.

»Schade«, maulte ein anderer. »Ich dachte, wir können ihn nachher braten.«

Goldauge sprang auf und rief: »Braten? Was wollt ihr braten? Oder vielmehr wen?«

Die drei Jungen wichen erschrocken zurück und starrten den Raben an. »Du kannst sprechen?«, stotterte einer.

Goldauge richtete sich zu seiner vollen Größe auf, und obwohl der Junge ungefähr doppelt so groß war, sagte er abschätzig: »Ihr könnt sprechen?« Dabei betrachtete er seine rechte Flügelspitze, als habe er Schmutz unter den Federn. Nun waren die Jungs so verblüfft, dass sie nicht wussten, ob sie mehr auf das Feuerwerk oder auf den sprechenden Raben achten sollten. Goldberg und Bleibtreu feuerten derweil immer noch in die Luft, was sie nur feuern konnten, und der alte Quod auf dem Hof rief weiter düsteren Weissagungen mit dräuender Stimme in die Nacht:

»Und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war. Und es wurde ihm der Schlüssel zum Schlunde des Abgrundes gegeben. Und er öffnete den Schlund des Abgrundes. Und ein Rauch stieg aus dem Schlunde wie der Rauch eines großen Ofens...«

»Feu ... Feu ... Da ... da ist... ein Feu ... Feuer ...!!!«, stammelte der Page und kam mit wild wedelnden Armen auf den Hof gelaufen.

»Wissen wir, wissen wir«, antwortete einer der Knechte und alle lachten.

»Nein, nein!«, ereiferte sich der Page. »N ... Nein! Ei ... Ein F ... F ... Feuer! K ... K ... Kein F ... F ... Feuerw ... w ... werk! Da!« Er zeigte zur Küche. Tatsächlich sprang dort in diesem Augenblick die Tür auf und dichter, dunkler Qualm quoll aus der Öffnung und breitete sich über den Hof wie ein schwarzer Teppich.

»Wie der Rauch eines großen Ofens«, keuchte der alte Quod noch einmal, dann gingen seine Worte in einem großen Husten unter und er sank zu Boden.

»Feuer! Feuer!«, riefen da plötzlich die Knechte und Mägde, die Ritter und Hofdamen, die eben noch das Feuerwerk bestaunt hatten. »Feuer!«, riefen auch die drei Jungen und hatten Meister Goldauge schon vergessen.

»Feuer?« Meister Goldauge überlegte, dass vorhin noch sein Freund Marius in der Küche gewesen war. Er schwang sich auf und flog pfeilschnell zur Küche, die schräg unterhalb jenes Mauergangs lag, wo er in Ohnmacht gefallen war. Doch ehe er dort angelangt war, hatten die ersten Männer bereits Wasser mit Eimern aus dem Brunnen geschöpft und begonnen, es durch die Tür zu kippen, aus der der Qualm drang. »Mehr Wasser!«, rief einer. »Schon unterwegs!«, ein anderer. Im Nu hatten die Männer eine Kette gebildet und schütteten immer mehr Eimer Wasser durch die Tür, bis sie endlich innehielten, weil sie von drinnen die polternde Stimme von Don Basilico hörten: »Heda!«, schrie er. »Wollt ihr uns ersäufen? Bei allen Höllenhunden, was soll das werden?«

»Wir wollen das Feuer löschen«, erklärte einer der Männer. Auf dem Hof war es ganz still geworden, denn Goldberg und Bleibtreu hatten ihr Feuerwerk eingestellt. Auch der alte Quod war verstummt, und die »Ahs und Ohs«, mit denen Männer, Frauen und Kinder das Schauspiel verfolgt hatten, waren einem entsetzten Schweigen gewichen.

Der Herzog stand kopfschüttelnd oben am Fenster und seufzte: »Wenn ich mir meine Untertanen so ansehe, dann magst du recht haben, Bruder. Ludovico wird zu Faucas um einiges sicherer leben als hier auf der Burg.«

Der Fürst lachte und schlug ihm mit seiner mächtigen Pranke auf die Schulter. »In der Tat, mein Lieber, in der Tat. Das war wieder einmal eine Glanzvorstellung unserer guten Rabenwalder.«

Das Rabenorakel

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