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Ein Teufelsflug

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Meister Goldauge saß versteckt auf dem Fenstersims und lauschte den Worten des Herzogs, während unten im Hof die Pagen Fackeln aufsteckten und die beiden jungen Mönche Goldberg und Bleibtreu im Schatten der Mauer an einem seltsamen Gerüst herumhantierten. Wie weit soll ich ihn denn wegschaffen?, hatte der Herzog unglücklich gefragt. Und Heinrich vom Rabenstein hatte Faucas empfohlen, denn dort, so hatte er gemeint, würde Crudo es nicht wagen anzugreifen.

»Crudo wird es nicht wagen«, krächzte Goldauge leise und verächtlich, während er seine Schwingen ausbreitete und lautlos in die heraufziehende Nacht glitt. Der Winter hatte in den letzten Tagen weite Teile des Landes freigegeben, nur in den schattigsten Winkeln lagen noch Reste schmutzigen Schnees. Doch jetzt, da die Dunkelheit über die Burg und über den Wald kroch, wurde es mit einem Mal wieder klirrend kalt. Dem stolzen Raben machte das nichts. Im Gegenteil: Goldauge liebte die klare, trockene Winterluft. Ludovico weit wegschicken, dachte er, das klang nicht nach einem guten Plan. Der Junge, der einmal Herzog werden würde, war am besten in der Nähe seiner wahren Freunde aufgehoben.

Goldauge segelte hinüber zum Turm, der Schloss Falkenhorst den Namen gegeben hatte, und drehte eine kurze Runde über der Bucht, ehe er zurückkam und beschloss, sich mit seinem Freund Marius zu beraten. Er war gerade im Anflug auf den zweiten Turm, als ein Blitz an ihm vorbeischoss, gleißend hell und heiß wie Höllenglut. »Was?«, entfuhr es ihm, und er sah dem Blitz nach, der ihn nur um Haaresbreite verfehlt hatte.

Doch er konnte kaum Luft holen nach dem Schreck, da zischte ein weiterer Flammenstrahl an ihm vorbei und dann noch einer – und plötzlich sah Goldauge sich inmitten eines Infernos, wie er es noch nie erlebt hatte. Auf allen Seiten zuckten grelle Blitze durch die Luft, es roch beängstigend nach Schwefel und ein ohrenbetäubender Lärm erfüllte den Himmel. »Heiliger Abraxas!«, rief der Rabe und flatterte verzweifelt bald hierhin, bald dorthin. Doch wohin er auch taumelte – überall krachten gleißende Blitze wie Flammenschwerter durch die Nacht. Goldauge war der Ohnmacht nahe – und er hätte sich ihr vielleicht ergeben, wenn er nicht auf einmal Schreie gehört hätte. »Ahhh!«

– »Ohhh!« Jemand war in Not! Das gab ihm Kraft. Ein Rabe, ein königlicher Rabe zumal, ließ niemanden in Not im Stich. Goldauge nahm all seinen Mut und all seine Kraft zusammen und versuchte herauszufinden, woher die Rufe kamen. Dann schoss er hinab in den Burghof, ohne auch nur im Geringsten auf die tödliche Gefahr des Höllenfeuers zu achten.

»Ohhh!«, hörte er es wieder und: »Ahhh!« Es musste vom Burgtor her kommen. Und tatsächlich konnte der Rabe in den Rauchschwaden ein paar Jungen zwischen den Zinnen erkennen, die Köpfe zum Himmel gereckt, die Augen weit aufgerissen, starr vor Schreck. Fast schon war er bei ihnen, da hörte er plötzlich einen Diener, der auf den Hof torkelte, rufen: »Feu ... Feu ... Da ... da ist... ein Feu ... Feuer ...!!!« Dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Das Rabenorakel

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