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Nacht im Schloss

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Marius brachte Xenia zu ihrer Kammer, weil sie müde war. Er war es nicht. Die Geschehnisse des Tages und die bevorstehende Reise beschäftigten ihn viel zu sehr, als dass er an Schlaf denken konnte. Er betrachtete die Briefe, die ihm Bewohner der Burg im Laufe des Tages zugesteckt hatten. Denn Marius war ja eigentlich von Beruf Bote, das wussten die meisten. Und sie wussten auch von seiner Reise nach Faucas, weshalb er um allerlei Botendienste gebeten wurde, zumal nur selten jemand vom Falkenhorst ins Fauconische Reich reiste. Schön und weniger schön beschriftete Pergamente hatten sich auf seiner Truhe gesammelt, stolz gesiegelt oder nur verschnürt und mit einigen Tropfen Wachs verklebt, mit ungelenken und mit schwungvollen Adressen versehen: Dem Schneider Buchberger zu Faucas; An die Wirtin Zum Wilden Eber, Faucas; Den Brüdern Falkner, Burgtorgasse, Faucas – so und ähnlich waren die Briefe beschriftet, die Marius sorgsam in ein sauberes, festes Leinentuch schlug und mit einem kräftigen roten Bindfaden verschnürte. So würden sie die Reise sicher und ordentlich überstehen. Den Brief des Herzogs aber legte er zur Seite. Den würde er in sein Hemd stecken und bei sich am Leib tragen, wie er es mit besonders wichtigen Schreiben stets tat. Nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch weil er so immerfort daran erinnert wurde, dass er auch auf sich selbst achtgeben musste, war er doch in besonderem Auftrag unterwegs.

Nachdenklich schritt Marius die Stufen des Turmes hinab. Am Treppenabsatz im Hof blieb er stehen und genoss den kühlen Wind, der ihm ins Gesicht blies. Er kam von der Seeseite her und führte den Geruch von Salz und Tang mit sich. Vom Palas, dem Haupthaus, drangen Stimmen herüber. Zwei Männer torkelten schwerfällig über den Hof, offenbar waren sie auf dem Weg zum Heimlichen Gemach, dem Stillen Örtchen. Marius konnte kaum erkennen, ob sie sich einander abwechselnd voranstießen oder ob sie versuchten, sich gegenseitig vor dem Hinfallen zu bewahren. Wäre die Szene nicht so traurig anzuschauen, er hätte darüber lachen mögen. Das Stille Örtchen lag drüben neben den Stallungen. Die beiden Kerle johlten und amüsierten sich prächtig über ihren Unfug.

»Heda!«, rief einer und polterte mit der Faust gegen die verschlossene Tür des Holzverschlags. »Jetzt sind wir dran!«

Es dauerte kaum einen Atemzug, da ging die Tür auch schon auf, und eine kleine Gestalt sprang heraus, die Hose mit beiden Händen festhaltend. Es war ein Junge, den Marius schon einmal gesehen hatte und der oft mit seinen Freunden neben dem Kräuterhof Ball spielte, wenn er nicht Aufgaben als angehender Page zu erfüllen hatte. »Wird auch Zeit«, raunzte der eine Betrunkene und schubste den Jungen, worauf der gegen den anderen Mann taumelte. »Was?«, rief der. »Willst du frech werden, Bürschchen?«

»Ich ...«, stotterte der Junge, der den beiden kaum bis zur Brust reichte. »Ich ...«

»Ja, du! Denkst wohl, du bist ein besonderes Früchtchen, was?« Der kräftige Mann packte den Jungen am Kragen, hob ihn in die Luft und schüttelte ihn wie eine Puppe hin und her.

»E ... E ... Entsch ... schuldigung!«, stotterte der Junge und ruderte mit den Armen in der Luft.

»He!«, rief Marius. Er wollte die Männer auf sich aufmerksam machen. Doch die hörten nichts und hatten scheinbar auch vergessen, dass sie eigentlich auf den Abort mussten. Stattdessen legten sie sich weiter mit dem Burschen an, jetzt griff auch der zweite zu und packte und zerrte ihn am Bein. Dabei grölte er: »Entschuldigung? Du meinst, wir entschuldigen das einfach so?«

»Tut mir l-l-leid ...«, ächzte der Junge verzweifelt.

Wenn Golo doch jetzt da wäre, dachte Marius, fasste sich dann aber selbst ein Herz. Golo hin oder her, hier musste etwas geschehen. Mit einem Satz sprang er über die Mauer und hätte sich beinahe den Knöchel verstaucht. Zwei, drei Schritte humpelte er, dann ging es wieder besser und er eilte mit hoch erhobenem Kopf schnurstracks auf die drei zu. »Meine Herren«, sagte er mit fester Stimme. »Was geht hier vor?«

Es dauerte einen Augenblick, bis den Männern überhaupt klar wurde, dass jemand sie angesprochen hatte. Völlig entgeistert stierten sie Marius mit glasigen Augen an. Wie viele Becher Wein mussten sie hinuntergestürzt haben? »Wer von Euch hat hier das Sagen?«

»Äh ... hier ... ich«, stotterte der eine und senkte seinen Arm, wodurch der Fuß des Jungen wieder den Boden berührte.

»Aha. Wie gut«, sagte Marius und wandte sich zu dessen großem Erstaunen an den anderen Mann. Dann sprach er so schnell, dass der grobe Kerl aufpassen musste, damit er ihn überhaupt verstand: »Habt Dank, dass Ihr diesen schlimmen Burschen festgenommen habt. Der Herzog wird das gerne hören und sich sicherlich erkenntlich zeigen. Selten, dass man so aufgeweckte Männer auf der Burg sieht. Und diese Kampftechnik, wirklich ganz ausgezeichnet. Ihr habt es dem Schurken gezeigt, das muss man Euch lassen.« Er wandte sich wieder dem Ersten zu und schaute ihm fest in die Augen. »Natürlich müsst Ihr mir Euren werten Namen sagen, auf dass ich dem Herzog von Eurer Heldentat berichten kann.«

»Äh ...«

»Ausgezeichnet, ausgezeichnet«, unterbrach ihn Marius, noch ehe der Mann überhaupt einen Satz formuliert hatte, und wandte sich dem anderen zu: »Und Ihr?«

»Öh ...«

»Ganz ausgezeichnet! Das wird man sich merken. Und woher kommt Ihr, wenn man fragen darf, ich habe Euch nämlich noch nie hier auf der Burg zu Gesicht bekommen. Sicher seid Ihr edle Gäste aus ferneren Gefilden des Reiches.«

»Also eigentlich ...«

»Ganz vortrefflich! Ja, wirklich. Also, wir wissen, was wir zu tun haben. Ihr seid die besten Männer des Herzogs. Nochmals teuersten Dank. Nicht auszudenken, was der Bengel hier noch alles ausgefressen hätte. Ich werde berichten, ich werde berichten. Und du ...« Jetzt packte Marius den Jungen am Wams und befreite ihn mit einem kräftigen Ruck aus den Fängen des Mannes. »... du kommst mit mir und siehst deiner gerechten Strafe entgegen. Dir wird wohl klar sein, dass daran kein Weg vorbeiführt?«

»Ich ... ich«, stotterte der Junge.

»Na bitte. Ich ahnte, dass du Vernunft annimmst. Und Ihr, werte Herren, werdet mir sicher zustimmen, dass die härteste Strafe für diesen übermütigen Kerl gerade die richtige ist.«

»Wie, äh ...«

»Wunderbar. Wunderbar. Wir sind uns also einig. Nun dann, eine ruhige Nacht ohne weitere Störungen wünsche ich.« Damit zerrte er den völlig verwirrten Jungen von den Betrunkenen weg und verschwand mit ihm, so schnell er konnte, hinter dem Durchgang zum Kräutergarten. Zurück blieben die beiden Männer und rieben sich die Augen, ob das eben alles bloß ein merkwürdiger Traum gewesen war.

»So«, sagte Marius, als sie um die Ecke in Sicherheit waren. »Jetzt warten wir erst einmal, bis die Grobiane weg sind, und dann bringe ich dich zu deiner Kammer.«

»U ... u ... und die Stra ... a ... afe?«

»Was für eine Strafe? Das war doch bloß Unsinn, damit die Kerle nicht merken, dass ich hier nichts zu sagen habe.«

»Da ... da ... dann wa ... wa ... war da ... da ... das aber s ... sehr n ... nett.«

»Kein Problem. Diese betrunkenen Burschen bist du jedenfalls los.«

»Be ... be ... bestimmt...«, sagte der Junge und glotzte ihn mit großen Augen an. »Be ... stimmt ... nicht.« In dem Moment legte sich eine Hand auf Marius’ Schulter, und der zuckte zusammen, während er innerlich das Stottern des kleinen Pagen verwünschte.

»Gut gemacht, mein Freund«, hörte Marius eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um, und der Junge machte sich sofort aus dem Staub, als wäre der Teufel hinter ihm her.

»Goldberg!«, rief Marius aus. »Ich dachte schon ...«

»Nein, nein, wir sind’s nur«, sagte Goldberg und lachte ihn fröhlich an. »Ich und der verschlafene Bruder Bleibtreu.«

»Verschlafen?«, murrte Bleibtreu hinter ihm. »Wer musste hier denn wen aus seinen süßen Träumen aufrütteln?«

»Tja, das wird wohl für immer unser beider Geheimnis bleiben, was?«, lachte Goldberg und klopfte Bleibtreu, der jetzt neben ihn getreten war und Marius musterte, mit der anderen Hand auf die Schulter. »Alles in Ordnung?«

»Alles bestens«, versicherte Marius. »Die Kerle waren viel zu betrunken. Wenn sie mich hätten verprügeln wollen, so wäre ich ihnen ganz einfach entkommen.«

»Nicht sehr ritterlich, aber ein weiser Gedanke«, sagte Goldberg und lachte. »Dürfen wir dich auf einen Becher Wein einladen?«

»Nett von euch, aber lieber nicht«, sagte Marius und rang mit sich, ob er es den Freunden verraten sollte. Aber morgen früh würden sie es ohnehin erfahren, also fügte er hinzu: »Ich möchte einen klaren Kopf behalten, weil ich morgen einige Besorgungen erledigen muss.«

»Besorgungen?«, fragte Bleibtreu, dem der seltsame Unterton in Marius’ Rede nicht entgangen war. »Es ist doch die Zeit der Feierlichkeiten. Welche Art von Besorgungen solltest du da so dringend erledigen müssen?«

»Nun, ich muss einige Gespräche führen.« Marius schlenderte mit den beiden jungen Mönchen hinüber zum Wagen des Billigen Jakob, den sie während ihres Aufenthaltes auf der Burg als Unterkunft benutzten. »Muss bei einigen Menschen Rat einholen und vielleicht auch den einen oder anderen Auftrag.«

»Wie wär’s, wenn du dann heute Abend schon anfängst und zuerst einmal unseren Rat einholst?«, meinte Goldberg launig und schob Marius auf den Wagen.

»Ja«, ergänzte Bleibtreu. »In welcher Sache kann dir denn mit Rat gedient werden?«

»Es geht um eine Reise. Ich muss nach Faucas.«

»Nach Faucas?«

»Ja. Ich soll Ludovico begleiten. Sein Vater schickt ihn zu König Falk, damit er dort das Handwerk des Regierens lernt.«

Einen Augenblick sahen sich Goldberg und Bleibtreu verblüfft in die Augen. Dann richteten sie ihre neugierigen Blicke wieder auf Marius. Goldberg pfiff durch die Zähne. »Das ist ziemlich mutig, nicht wahr? Ich meine, er hat seinen Sohn doch eben erst wieder zu sich geholt.«

»Und du sollst Ludovico begleiten?«, fragte Bleibtreu.

Marius nickte mit etwas bedrückter Miene.

»Na, das ist doch großartig«, rief Bleibtreu erfreut aus und stieß seinen Freund Goldberg an, der auch breit grinste. »Dann können wir zusammen reisen. Wir wollten ja sowieso nach Faucas.«

»Aber ich, ich dachte, ihr wolltet noch eine Weile hierbleiben, um ...«

»Ach, das ist nicht so wichtig«, wehrte Goldberg ab. »Wir hatten zwar vor, nach dem Feuerwerk heute Abend noch ein paar andere Sachen auszuprobieren, ehe wir unser Geschäft in Faucas eröffnen ...«

»... aber alles Wichtige haben wir dabei«, vollendete Bleibtreu den Satz und klopfte auf eines der Bündel, die hinter ihm auf einem Wagen lagen. »Damit können wir sozusagen jederzeit loslegen in der großen Stadt unserer Träume.«

Die Stadt ihrer Träume, dachte Marius. Wenn die mal nicht die Stadt meiner Albträume wird. Er beneidete die Freunde darum, dass sie sich ihrer Sache so sicher waren. Goldberg und Bleibtreu hatten beschlossen, dem Kloster zu Buchberg den Rücken zu kehren und nach Faucas zu gehen, um dort einen Laden zu eröffnen, wie es jetzt immer mehr Händler taten, die sich nicht mit einem Marktstand zufriedengaben. Aber so ein Marktstand wäre für jene Art Waren, wie sie die Klosterbrüder feilbieten wollten, sicher auch nicht das Richtige gewesen. Sie handelten ja mit allerlei gefährlichen Stoffen. Marius musste an den Feuerzauber denken, den sie auf Burg Wrunkenstein veranstaltet hatten. Und dann dieses Feuerwerk heute Abend auf Schloss Falkenhorst! Nein, ein Wagen mit derartigem Feuerzeugs mitten auf einem belebten Markt war sicher nicht das Passende. Ihre Ankündigung jedoch, ebenfalls schon jetzt nach Faucas zu reisen, hörte sich für ihn an wie ein Hoffnungsschimmer, der seiner Reise sogleich einiges von ihren Schrecken nahm.

»Ihr meint, wir könnten zusammen reisen?«, fragte er. »Aber womit werdet ihr eure Sachen befördern?«

»Nun, der Wagen des Billigen Jakob hat sich bewährt«, sagte Bleibtreu vertrauensselig.

»Wird er denn dorthin reisen wollen?«

»Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben«, erklärte Goldberg und klopfte sich auf den Bauch, wo er seine Geldkatze trug. Das Klirren schwerer Münzen erinnerte Marius daran, dass die beiden Brüder des Klosters zum Heiligen Zarontius waren – und der war schließlich der Schutzheilige der Reichen. Die Mönche dort gelobten zwar Armut und Demut und hatten keinerlei eigenen Besitz, aber wie man Geld machte und ein Kloster reich und mächtig, das konnte man dort wohl lernen. Es gehörte sozusagen zur klösterlichen Grundausbildung. Und die beiden Freunde konnten diese Kenntnis des Geldmachens nun, da sie die Klostermauern hinter sich gelassen hatten, endlich für sich selbst einsetzen. Wer weiß, dachte Marius, welch einträgliche Geschäfte sie seit ihrer Abreise schon gemacht haben. Der Billige Jakob, selbst ein ziemlich verschlagener Händler, konnte sicherlich noch so manches von den Brüdern lernen.

So saßen die Freunde die halbe Nacht beisammen, bis sie schließlich fast gleichzeitig vor Müdigkeit hinsanken. Während Goldberg und Bleibtreu aber schon wenige Augenblicke später um die Wette schnarchten, lag Marius noch längere Zeit wach und betrachtete, eine Hand auf das goldene Amulett auf seiner Brust gelegt, die Sterne am Himmel. Die glitzernden Gestirne trösteten ihn. Es war noch nicht sehr lange her, da hatten die Klosterbrüder zu Buchberg einen Stern mit langem Schweif entdeckt. Auch Marius hatte ihn gesehen. Doch jetzt konnte er ihn nirgends finden. Vielleicht hatte er seine Bahn beendet. Oder er war einfach hinter einem der Türme verborgen. Marius fühlte das Gold des Amuletts unter seinen Fingern. Er hatte nie etwas von Wert besessen – außer eben diesen Talisman, seinen Glücksbringer. Er dachte an Xenia, die ebenfalls so ein Amulett trug, das Gegenstück.

Oben in der Kammer der Großeltern brannte noch Licht. Marius fragte sich, ob er das Fenster jemals dunkel gesehen hatte. Schliefen die beiden überhaupt einmal? Er glaubte den Schatten seines Großvaters Horatius Tyk hinter dem Fenster zu sehen. Doch vielleicht war es auch nur das Flackern des Kaminfeuers, das einen Schatten an die Zimmerdecke malte.

Beinahe wäre er eingeschlafen, da spürte er plötzlich einen Lufthauch neben sich, ein vertrautes Flattern. »Goldauge!«, stieß er leise aus.

»Er war nicht leicht zu finden«, entgegnete der Rabe anstelle eines Grußes.

»Ich habe mich ein wenig mit den Freunden hier unterhalten.«

»Und darüber hat er seine anderen Freunde vergessen?«

»Nun sei nicht beleidigt, Goldauge. Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht gesucht hätte. Du warst nur nirgends zu finden.«

»Mhm«, machte der Rabe und spreizte die Federn, als sei das nun wirklich völlig nebensächlich. »Weshalb hat er mich denn gesucht?«

»Es gibt einiges zu besprechen, mein guter Freund.«

»Mein guter Freund?« Goldauge musterte Marius mit seinem goldenen Auge, das im Sternenlicht blitzte. »Wenn er so spricht, hat er meist ein schlechtes Gewissen.«

»Überhaupt nicht, Goldauge. Ich wüsste nicht, weshalb. Aber es ist trotzdem etwas Unangenehmes, was wir besprechen müssen.«

Goldauge sagte nichts, ließ sein Auge auf dem Freund ruhen und legte den Kopf etwas schief.

»Der Herzog will mich nach Faucas schicken«, erklärte er.

»Ein Auftrag! Wirst du als Bote unterwegs sein?« Die Neugier des Raben war geweckt, wie Marius unschwer an der veränderten Art erkannte, mit der Goldauge ihn jetzt ansprach. Er hatte das Er vergessen.

»Ich soll Ludovico begleiten.« Und dann berichtete Marius seinem Freund die ganze Geschichte. Zum wievielten Mal erzählte er sie in dieser Nacht? Meister Goldauge lauschte aufmerksam, stellte ab und zu eine kurze Frage und ließ Marius ausreden, ehe er sagte: »Dann werden wir uns also schon bald wieder auf Reisen befinden.«

»Ich bin nicht sicher, Goldauge.«

»Wie jetzt?« Der Rabe war verwirrt.

»Es ist wegen meiner Großeltern.« Marius zögerte. Doch dann schüttete er dem Freund sein Herz aus. »Ich mache mir Sorgen um sie. Sie sind alt. Und wenn ich Jahre weg bin, wer weiß, ob ich ... Sie könnten krank werden, Hilfe brauchen, in Schwierigkeiten geraten.« Er sah den Raben eindringlich an. Doch der verstand nicht, worauf er hinauswollte. »Nun, ich brauche jemanden, der ihnen helfen und mich holen kann, wenn es nötig ist«, sagte Marius.

Jetzt endlich fiel der Kreuzer und Goldauges güldenes Auge blitzte auf. »Er will also, dass ich hierbleibe und auf die alten Leutchen aufpasse?«

Marius seufzte. »Ja, Goldauge. Das würde ich mir wünschen, wenn ich denn einen Wunsch frei hätte. Wenn ich mir unserer alten Freundschaft wegen etwas wünschen dürfte, wenn du mir nach allem, was wir gemeinsam erlebt und überlebt haben, einen Gefallen tun wolltest, dann wäre es das, worum ich dich bitten würde.«

»Oh Mann!«, stöhnte Meister Goldauge. »Du machst es aber echt dramatisch. Da kann ja nicht einmal der königlichste Rabe Nein sagen.«

»Ehrlich? Mensch, Goldauge? Das ist wirklich unglaublich nett von dir!«, rief Marius erleichtert aus.

»Rabe Goldauge, wenn schon«, nörgelte dieser und putzte sich etwas wichtigtuerisch die Schwanzfedern, ehe er sie versehentlich Goldberg ins Gesicht streckte und den damit zum Niesen brachte. »Aber ich werde dich nicht alleine reisen lassen. Ich kann dann ja zurückkehren.«

Faucas – das bedeutete einen mühsamen und gefährlichen Weg. Marius ahnte, dass es keine leichte Reise werden würde. Wie gefährlich sie aber war, das ahnte er nicht.

Das Rabenorakel

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