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PROLOG

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Endlich. Endlich waren sie in das schützende Dunkel des Rabenwaldes eingetaucht. Sie hörten noch die Hunde hinter sich bellen, hörten noch das Klirren der gepanzerten Reiter und den Schrei der Falken, die wieder und wieder aufgestiegen waren, um aus dem düsteren Winterhimmel auf sie herabzustürzen.

Nicht alle hatten es geschafft, einige waren zurückgeblieben. Sie würden diese Flucht nicht überleben. Sie selbst aber waren in Sicherheit, nun, da das Dickicht dieses verzauberten Waldes sie umschloss, hier, wo die Hunde Angst hatten und die Pferde sich auf engen Pfaden bewegen mussten, wo vor allem aber die Falken aus der Luft nichts mehr erkennen konnten. Nun würden sie sich sammeln, kurz innehalten und dann den Weg suchen, der sie zu dem geheimnisvollen Ort führte, an dem ihr neues Leben beginnen konnte.

»Wir sind gerettet«, keuchte einer der Jungen.

»Ja. Das sind wir.« Das Mädchen mit den eisblauen Augen sah die Gefährten an. »Sie werden uns nicht mehr finden.«

»Aber werden wir überleben?«

»Das weiß der liebe Gott. Ich weiß nur, dass wir tot wären, wenn sie uns erwischt hätten.«

Die Kinder murmelten Zustimmung. Ein Schatten zog über die Bäume. Sie duckten sich schweigend ins Unterholz und mussten an jene denken, die es nicht geschafft hatten.

»Sie sind nicht umsonst gestorben«, sagte das Mädchen mit stolzer Stimme und streckte die Faust zum Himmel. »Sie werden uns jeden Tag daran erinnern, was uns geschehen ist und wie unmenschlich unsere Feinde sind! Von dieser Stunde an sind wir die Freien des Waldes. Wir werden unsere eigenen Gesetze schaffen und unser Leben danach leben. Und es wird keine Macht auf Erden geben, die uns unterdrückt oder verfolgt. Was wir brauchen, werden wir uns holen, was wir wollen, werden wir erreichen. Dies sei unser Königreich!«

In den Augen der Kinder glimmte Hoffnung auf und auch ein wenig Stolz. Ja, sie würden ihr eigenes Königreich gründen. Sie würden ihr eigenes Leben leben, das Leben freier Räuber im Wald. Klang das nicht abenteuerlich? War es nicht das Beste, was sie tun konnten?

»Und die Freunde, die es nicht hierher geschafft haben?«, fragte der Junge. »Wollt ihr für sie nichts mehr unternehmen?«

»Sie sind verloren«, antwortete das Mädchen schroff und lauschte auf seine eigenen Worte. Und dann fügt es hinzu: »Wenn wir zurückgingen, wäre das der Tod für uns alle. Rache – das ist das Einzige, was wir jetzt noch für sie tun können. Rache.« Sie seufzte kurz und wiederholte flüsternd, aber fest:

»Rache!«

»Rache? Wem soll das nützen?«, erwiderte der Junge, dessen rotes Haar wirr vom Kopf abstand. »Wenn du Rache nehmen willst, dann bringst du nur dich selbst wieder in Gefahr, und all deine Freunde, die es geschafft haben.« Er zeigte auf die anderen, die sich unter den tief hängenden schwarzen Zweigen einer Tanne zusammengedrängt hatten. Ihr Anblick nach der wilden Flucht war etwas furchterregend. Und sie sahen verloren aus in der Schattenwelt des Rabenwaldes, der sich von hier weit übers Land erstreckte, so weit, dass keiner von ihnen jemals das andere Ende gesehen hatte.

»Nun, du kannst ja auf sie aufpassen, Bruderherz«, sagte das Mädchen.

Doch der Junge schüttelte den Kopf. »Das kann ich leider nicht. Denn ich werde nicht bei euch bleiben.«

Das Rabenorakel

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