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Der Deal mit der Bank
Die Lösung: Private Insolvenz?

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Nachdem ich sechs Wochen lang so im Dunkeln gelegen hatte, spürte ich zaghaft und langsam wieder Leben in mir. Ich schämte mich, und ich war wütend: auf die Bank, auf die Welt, vor allen Dingen aber auf mich selbst. Aber es hilft nichts, sich depressiv im Kopfkissen zu vergraben. Es hilft nichts, mit den Fäusten auf den Schreibtisch zu trommeln. Es hilft nichts, mit leeren Augen an die Decke zu starren. Was war bloß aus mir geworden? So konnte es nicht bleiben – so wollte ich nicht sein.

Für eines bin ich unendlich dankbar: In diesen schwierigen Wochen und Monaten haben mir meine Eltern niemals das Gefühl gegeben, versagt zu haben. Ich bin nie besonders religiös gewesen – aber das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn passt hier durchaus. Der hatte ebenfalls sein Vermögen verprasst, kam als Schweinehirte zu seinem Vater zurück und wurde dennoch aufgenommen. Auch ich war immer noch der Sohn meiner Eltern, ich war immer noch Teil dieser Familie. Sie hatten diesmal keine Lösung für mich, aber gemeinsam würden wir es irgendwie schaffen. Es hatte einfach nur noch keiner einen Plan. Ich glaube, mein Vater hoffte als bekennender Rheinländer auf den Artikel 3 des »Kölschen Grundgesetzes«: »Et hätt noch emmer joot jejange« (»Es ist noch immer gut gegangen«). Dieses – durch keinerlei Fakten gestützte – Gefühl hat mir geholfen. Ich bilde mir ein, deswegen neben dem Unternehmergen auch das »Stehaufmännchen«-Gen zu haben.

Natürlich fühlte es sich immer noch grausam an, aber als ersten Schritt ließ ich wieder etwas Licht in mein Zimmer. Irgendwann war ich wieder in der Lage, aufzustehen, zu frühstücken und mich sogar mit einem befreundeten Anwalt zu treffen. Er berichtete mir von anderen Personen, die aus ähnlichen Situationen wieder ins Leben zurückgefunden hatten. Ich sprach mit weiteren Anwälten, anderen Unternehmern und auch mit Severin über mögliche Wege, wieder auf die Beine zu kommen. Da ich mit der Bank nur einen einzigen Gläubiger hatte und wir dem Staat keine Sozialabgaben für unsere Mitarbeiter schuldeten, kristallisierte sich eine Lösung heraus, von der ich bis dahin noch nicht gehört hatte: die private Insolvenz. Private Insolvenz, das hieß damals: Man lebt sieben Jahre am Existenzminimum, keinerlei Kreditwürdigkeit, kein Autoleasing, selbst für einen Handyvertrag würden meine Eltern haften müssen. Bei guter Führung könnten es sechs Jahre werden, wobei eine einzige Geschwindigkeitsüberschreitung oder Schwarzfahren alles wieder zunichtemachen könnte. Wenn ich diese sieben Jahre überstehen würde, wäre ich mit Anfang dreißig wieder frei. Vor allen Dingen wieder schuldenfrei. Um diese Möglichkeit auszuloten, musste ich erneut zum Amtsgericht, diesmal allerdings nicht in das Zimmer für Firmen, sondern in das Zimmer daneben – für Privatpersonen. Zunächst aber ließ ich mich nur beraten. Ich war ja noch sehr jung und wollte die Jahre nutzen, um zu studieren, eventuell sogar zu promovieren. Zeit war ja genug. Vielleicht könnte ich dann doch noch eine späte Karriere in einem großen Konzern machen, mir ein kleines Reihenhäuschen leisten und mit etwas Glück sogar noch eine Frau finden. Der Plan stand. Es war nicht das, was ich mir vor wenigen Monaten noch erträumt hatte, aber ich fasste langsam wieder Mut. Vielleicht könnte ich meinen Eltern doch noch zeigen: Euer Sohn ist kein Versager.

Und dann eröffnete mir dieser Plan eine weitere Option. Ein anderer Anwalt hatte mir berichtet, dass man mit der Bank alternativ zur privaten Insolvenz einen »Vergleich« schließen könne: Sie verzichten auf den größten Teil ihrer Forderungen, da sie im Fall der Privatinsolvenz gar nichts bekommen würden, der Rest wird nach und nach abbezahlt. So wären meine Schulden überschaubar, und ich könnte die Insolvenz sogar vermeiden. Natürlich nur, wenn sich die Bank darauf einließe. Das hörte sich verrückt an. Aber es war einen Versuch wert. Ich wollte alles versuchen, bevor ich sieben Lebensjahre abschrieb. Ich ging also zur Bank und spielte hohes Risiko: »Wenn ihr das gesamte Geld und die Zinsen von mir haben wollt, bekommt ihr gar nichts, weil ich dann Privatinsolvenz anmelden werde und studieren gehe. Nach sechs oder sieben Jahren bin ich wieder schuldenfrei, habe ein abgeschlossenes Studium und ihr null Komma null Euro.« Das Problem war, dass die Zeit gegen mich lief. Jeden Tag, an dem ich nicht zum Amtsgericht ging, starteten die sieben Jahre nicht. Wenn ich aber jetzt schnell private Insolvenz angemeldet hätte, wäre die Möglichkeit eines Deals mit der Bank sofort weg gewesen. Ich setzte mir eine Deadline von drei Monaten. Nach vielen Treffen und schmerzhaftem Warten bot mir die Bank eine Woche vor dem Verstreichen dieser Frist folgenden Vergleich an: Ich sollte 60.000 Euro zahlen, zinsfrei in 120 Monatsraten à 500 Euro. Also zehn Jahre lang jeden Monat 500 Euro. Das konnte ich als Programmierer verdienen. Der Deal wurde gemacht – und am Ende war es sogar für die Bank ein annehmbares Geschäft: 60.000 Euro sind besser als gar nichts.

Und so startete ich mit 26 Jahren in mein zweites Leben. In wenigen Monaten war ich vom arroganten Multimillionär auf Pump zum bodenständigen Softwareentwickler mit Ford Ka geworden. Finanziell war das ein großer Verlust, charakterlich aber der vielleicht größte Gewinn meines Lebens. Wer so hart aufschlägt wie ich, der ist für alle Zeiten geerdet. Dennoch: Wenn jemand aus dieser Geschichte etwas lernen will, dann das: Kopiere nicht meinen Lebenslauf.

Nun hieß es also: Neustart! Frank 2.0 musste zwar monatlich 500 Euro bezahlen, aber das traute ich mir zu. Das war nämlich nicht der unbezwingbare Berg von einer Million Euro Schulden, sondern eine langwierige, harte Forderung, aber machbar. Und Arbeit hatte ich ja nie gescheut. Was tat ich also mit diesem Ticket für mein neues Leben? Statt mir eine Festanstellung zu suchen oder einen Job mit sicherer Perspektive und soliden Aufstiegsmöglichkeiten, entwickelte ich einfach ein neues Produkt. Eigentlich nicht gut nach all den Erfahrungen, die ich gemacht hatte. Aber ich kann einfach nicht anders, in mir brennt dieses Feuer. Was mir damals vielleicht fehlte, war das Gespür, Risiken abzuschätzen. Ab und zu, aber viel seltener, fehlt mir das auch heute noch. Manche sehen Hindernisse und Wände, ich sehe neue Möglichkeiten. Und deshalb laufe ich immer wieder los. Manchmal kriege ich einen vor den Bug, manchmal erreiche ich aber auch Ziele, die viele für unerreichbar gehalten haben.

Was ich durchlebt habe, findet selten ein Happy End. In komprimierter Form habe ich erfahren, welchen Schaden es anrichten kann, zu viel Geld in zu kurzer Zeit und zu jungem Alter in die Hände zu bekommen. Wie es ist, im Rausch große Teams aufzubauen, bejubelt zu werden und sich selbst zu überschätzen – und schließlich nach freiem Fall aus dieser Höhe auf nacktem Beton aufzuschlagen. Was ich an Niederlagen erlebt habe, gönne ich meinem ärgsten Feind nicht.

Die Lehre daraus: Es gibt keinen einfachen Weg zum schnellen Erfolg – aber sicher effektivere als meinen. Und wenn ich aus dieser Geschichte etwas gelernt habe, dann das: Frank 2.0 kam von ganz tief unten und wusste bei jedem Meter, den er aufstieg, wie unfassbar schnell es jeden Tag wieder nach unten gehen kann.

Es ging mir nun zwar noch nicht wirklich gut, aber ich hatte wieder eine Perspektive und die Hoffnung, doch noch ein normales Leben führen zu dürfen.

Übrigens, die monatlichen 500 Euro habe ich tatsächlich zehn Jahre lang abbezahlt, auch wenn ich die Summe später leicht auf einen Schlag hätte tilgen können. Doch ich wollte, dass mich die monatliche Überweisung an diese schwere Zeit in meinem Leben erinnert und mahnt, die Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Frank Thelen – Die Autobiografie

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