Читать книгу Frank Thelen – Die Autobiografie - Frank Thelen - Страница 27
Die Lehmschicht
ОглавлениеIch hatte vor unserem Verkauf noch nie davon gehört, aber heute weiß ich, die »Lehmschicht« hat Ausdauer, wird von starken Seilschaften zusammengehalten und kann fast jede Innovation lebend verschlingen. Du ahnst, ich spreche vom mittleren Management großer Konzerne.
Fujifilm hatte vor unserer Übernahme bereits eine eigene Fotoservice-Software entwickelt, die nicht nur aus meiner Sicht wirklich unterirdisch schlecht war – genau aus diesem Grund wurden wir ja auch gekauft, um das schlechte durch ein gutes System zu ersetzen. Das obere Management hatte diese vorausschauende Entscheidung getroffen. Aber die mittlere Managementebene wollte ihr eigenes System behalten. Das ist ein gar nicht so ungewöhnliches Phänomen: In der Businesswelt wird es das »Not-invented-here-Syndrom« genannt. Wenn große Unternehmen kleinere übernehmen, besteht die wahre Führung aus einer in 20 Jahren oder länger gewachsenen Lehmschicht des mittleren Managements. Ich wurde sogar viele Male davor gewarnt, gewisse Themen nicht mit dem CEO, sondern nur mit der mittleren Ebene zu besprechen: »Sonst verlierst du unsere Unterstützung.« Aus diesem Grund würde ich keine Woche als DAX-CEO überleben – und ich könnte mir vorstellen, dass René Obermann als Chef der Deutschen Telekom damals ähnlich schwierige Situationen im Sinn hatte, als er sagte, er habe manchmal das Gefühl, »mit Handschellen im Boxring zu stehen«.
Aber zurück zu meinen konkreten Problemen mit der japanischen Lehmschicht. Nach einigen Monaten bekam ich die für mich erschütternde Nachricht: »Frank, we decided to stick to the old system for our biggest japanese customer«, also: »Frank, wir haben uns entschieden, mit dem alten System bei unserem größten Kunden in Japan weiterzumachen.« Es war zwar nur ein Kunde von vielen Hunderten, aber diesen einen wichtigen Kunden in Japan hatte die Lehmschicht gewonnen. Wirklich frustrierend. Finanziell hätte es mir egal sein können – aber eigentlich war ich ja angetreten, um alle Kunden auf unser IPS-Produkt zu bringen. Daraus wurde jetzt nichts. Es war für mich eine schwierige Erfahrung, die es mir heute jedoch ermöglicht, unsere Gründer effektiv zu unterstützen, wenn sie in eine ähnliche Situation kommen. Aber alles in allem war ip.labs eine tolle Erfolgsgeschichte, an die ich gerne zurückdenke, denn sie hat mir gezeigt: Mit Passion und den richtigen Co-Foundern kann man auch ohne externes Kapital einen Weltmarktführer aufbauen.