Читать книгу Frank Thelen – Die Autobiografie - Frank Thelen - Страница 23
PMA – Vegas, Baby!
ОглавлениеBonn und Las Vegas, 2006
Wir arbeiteten rund um die Uhr. Stündlich poppte ein neues, aktuelles Problem hoch, das dringend behoben werden musste. Das Tagesgeschäft fraß uns auf, sodass wir kaum Zeit hatten, uns strukturiert mit der Konkurrenz oder der Marktsituation zu befassen. Wir wussten überhaupt nicht, wie gut wir waren. Eines Abends aber – es war wirklich schon sehr spät – fand ich Informationen über einen Verband für Photomarketing (die PMA, die Photo Marketing Association) und dessen jährlich stattfindende Messe in Las Vegas. Dort mussten wir hin! Und zwar nicht als Besucher, sondern mit eigenem Messestand! Und von dort würden wir die Welt erobern… Ich griff sofort zum Telefon – und wegen der Zeitverschiebung bekam ich sogar noch jemanden ans Ohr, dem ich ganz beseelt von unserer Software und unserer Marktführerschaft in Europa berichtete. Irgendwie stieß ich aber kommunikativ auf eine Wand aus Eis. Mein Telefonpartner konnte überhaupt nichts mit mir anfangen. Die einzige Rückfrage, die ich bekam, war, ob wir irgendwelche amerikanischen Kunden hätten.
»No, but we work for T-Mobile!«
T-Mobile hatte er wohl schon mal gehört: »Okay«, antwortete er schlecht gelaunt, »I will check if we can send you an offer for a booth.«
Also, er würde mal nachhorchen, ob er uns ein Angebot für einen Messestand schicken könne. Mehr nicht. Das ist übrigens eine Erfahrung, die ich danach noch oft machen musste: Für die meisten US-Amerikaner ist Europa kaum existent. Zuerst kommt in der Wahrnehmung der Binnenmarkt, dann kommen Kanada und Mexiko. Danach Südamerika, die Karibik und Asien. Und erst ziemlich zum Schluss das kleine Europa. Es ist wirklich schwer, europäische Erfolge in die USA zu bringen. Aber: Wir hatten Glück und durften 8.000 US-Dollar ausgeben, um einen winzig kleinen Stand auf der großen Messe aufzubauen. Marc und ich flogen nach Las Vegas, natürlich Economy. Im Gepäck hatten wir zwei Notebooks, einen Monitor, zwei Werbebanner und ein Poster, das unser IPS-Produkt erklärte. Fertig.
Um sechs Uhr morgens durften wir in die Halle und unseren Stand aufbauen. Ab neun Uhr wurde die Messe eröffnet. Jetlag, kaum geschlafen, wir waren etwas durch, aber gut gelaunt. Ich glaube sogar, wir waren die aktivsten Verkäufer auf der gesamten Messe. Hewlett-Packard und Fujifilm hatten gigantische Stände – und wir nur unsere kleine Theke an der Ecke neben den Toiletten. Das war mit Sicherheit der billigste Stand – aber er bot einen riesigen Vorteil: Hier mussten alle mal vorbei! Wir sprachen jeden an. Wir sprudelten vor Energie und wussten, dass wir nur drei Tage Zeit hatten, um potenzielle Kunden zu treffen und sie von unserer Plattform, dem IPS, zu überzeugen. Der Laden brummte: Wir schafften es tatsächlich, mit zwölf heißen Leads nach Hause zu kommen und in der Folge fünf davon zu unseren Kunden zu machen. Ja, es war ein Glücksspiel, nach Las Vegas zu fahren – aber wir hatten unseren ganz persönlichen Jackpot geknackt.
In den nächsten vier Jahren besuchten wir jedes Jahr die Messe in den USA, und unser Stand wurde von Jahr zu Jahr größer. Im zweiten Jahr waren wir sogar mit zwei Muttersprachlern und zwei Projektmanagern zu sechst auf der Messe. Das Team hatte sich natürlich gefreut: Las Vegas! Die Casinos! Partys ohne Ende! Und in der Tat ließen es unsere großen Partner wie Hewlett-Packard und Microsoft immer ordentlich krachen. Aber wir waren ja nicht zum Spaß da, und ich musste leider den Spielverderber geben. Die Konkurrenz konnte sich ruhig gehen lassen, für mein Team beendete ich jede Party um Punkt 23 Uhr. Schließlich würden wir am nächsten Morgen um 8:30 Uhr wieder in der Messehalle stehen müssen – im besten Fall fit, ausgeschlafen und ohne Alkoholfahne. Also ab ins Hotel. Nur ein einziges Mal konnte »Daddy« nicht aufpassen. Ich musste einen Tag früher heimfliegen, weil ich in Europa einen wichtigen Kunden treffen musste. Das Team nutzte die Chance und feierte im berühmten Tao Nightclub bis in die frühen Morgenstunden. Am nächsten Morgen verpassten alle ihren Rückflug. Ich habe bis heute nie nach Details gefragt und bin auch nicht sicher, ob ich sie überhaupt wissen möchte… Wie heißt es so schön: »What happens in Vegas stays in Vegas.«