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a) Begriff des öffentlichen Amtes

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Art. 34 S. 1 GG verlangt zunächst, dass „jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ gehandelt hat. Die Abweichung des grundgesetzlichen Texts von § 839 BGB ist nicht nur sprachlicher, sondern auch inhaltlicher Natur. Während § 839 BGB bei der Eigenhaftung eines öffentlich Bediensteten (eine Eigenhaftung kommt bspw. bei fiskalischem Handeln in Betracht) nur eingreift, wenn der Handelnde Beamter im staatsrechtlichen Sinn ist, also nach den Beamtengesetzen wirksam zum Beamten ernannt worden ist (ansonsten kommen §§ 823 ff BGB zur Anwendung), erweitert Art. 34 S. 1 GG die mittelbare Staatshaftung gegenüber der Beamtenhaftung dahingehend, dass es allein darauf ankommt, ob jemand mit der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe betraut ist (auch als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn bezeichnet). Danach kann „jemand“ ein Beamter, ein Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst, eine Person, die in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht, sein[9].

Beispiele

Minister[10];
Parlamentsabgeordnete[11];
Mitglieder einer Gemeindevertretung[12] oder eines Kreistags[13].

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Hinzu kommen Privatpersonen, die hoheitlich tätig werden bzw. eine hoheitliche Funktion wahrnehmen. Zu diesen zählen sowohl Beliehene als auch Verwaltungshelfer (zur allerdings nicht unproblematischen weiteren Fallgruppe der sonstigen Erfüllungsgehilfen s.u. Rn 942).

Beispiele:

für Beliehene: Luftfahrzeugführer (§ 12 Abs. 1 LuftSiG); Jagdaufseher (§ 25 Abs. 2 BJagdG); TÜV-Sachverständiger[14];
für Verwaltungshelfer: Winterdienst für die Straßenräumung[15]; Notarzt im Rettungswesen[16]; sonstige Ersthelfer im Rahmen mobiler Ersthelfersysteme[17]; Schülerlotsen[18]; aufsichtführender Schüler[19].
kein Verwaltungshelfer ist hingegen ein privates Bauunternehmen bei der behördlich genehmigten Aufstellung eines mobilen Halteverbotsschildes[20].

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Entscheidend für das Eingreifen eines Amtshaftungsanspruchs ist daher, dass ein öffentliches Amt ausgeübt wird, also der Handelnde hoheitlich tätig ist oder sein Handeln einem Hoheitsträger als hoheitliches Handeln zugerechnet wird[21]. Damit wird die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln des Staats auch im Staatshaftungsrecht zu einem zentralen Problem. Diese Abgrenzung erfolgt grundsätzlich nach den allgemeinen Theorien (s.o. Rn 31 ff)[22]. So ist bei Behandlungsfehlern im Rettungsdiensteinsatz darauf abzustellen, ob der Rettungsdienst nach dem jeweiligen Landesrecht der hoheitlichen Betätigung zuzurechnen ist[23]. Handelt der Beamte im privatrechtlichen Funktionskreis der Verwaltung, greift Art. 34 GG nicht[24]. Der Beamte haftet dann aus § 839 BGB persönlich[25].

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Der Begriff des Amtes hat zwar in erster Linie Ämter im Bereich der Exekutive im Blick. Er ist jedoch nicht von vornherein darauf beschränkt. Für Ämter im Bereich der Judikative ergibt sich dies indirekt aus dem Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB: Danach besteht bei Amtspflichtverletzungen in diesem Bereich nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Einstandspflicht (s.u. Rn 967 f). Auch der Erlass einer Rechtsnorm ist ein „öffentliches Amt“. Allerdings dienen hier die einschlägigen Amtspflichten regelmäßig lediglich dem Allgemeininteresse. Sie sind damit nicht drittbezogen (s.u. Rn 954)[26]. Der genaue Anwendungsbereich des Amtshaftungsanspruchs ist jüngst erörtert worden anhand bewaffneter Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte[27]. Hier hat der BGH eine Erstreckung der Amtshaftung auf Soldaten abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass bei der Entstehung beider Normen Streitkräfte nicht im Blickpunkt des Gesetzgebers standen und dass weder aus dem Völkerrecht noch aus dem Grundgesetz ein Gebot abzuleiten sei, bei jeder Grundrechtsverletzung einen individuellen Schadensersatzanspruch zu schaffen[28].

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