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4. Verschulden

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Der Amtswalter muss schuldhaft gehandelt haben. Die Amtshaftung ist keine objektive Staatshaftung, sondern eine Verschuldenshaftung. Zwar erwähnt Art. 34 S. 1 GG das Verschulden nicht, jedoch ist Art. 34 S. 1 GG lediglich eine Zurechnungsnorm, welche die Amtswalterhaftung auf den Staat überleitet – eine Amtswalterhaftung besteht nach § 839 BGB aber nur im Fall einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Amtspflichtverletzung. Allerdings verzichtete bereits das Reichsgericht im Interesse des Geschädigten auf die Individualisierung des konkret verantwortlichen Amtswalters[84].

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Ob Fahrlässigkeit gegeben ist, beurteilt sich nach objektiven Maßstäben. Es wird nicht auf die Kenntnisse und Fähigkeiten des konkret handelnden Bediensteten, sondern auf diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten abgestellt, die im Durchschnitt für die Führung des jeweiligen Amts erforderlich sind (sog. „pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter“)[85]. Die Haftungsbegrenzung nach § 680 BGB auf grobes Verschulden ist weder unmittelbar noch analog anwendbar[86].

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Mangelhafte Rechtskenntnis ist fahrlässig, da erwartet werden muss, dass der Amtswalter die für die Ausübung seines Amts einschlägigen Rechtsvorschriften kennt und anwenden kann[87]. Verschulden wegen fehlerhafter Rechtsanwendung soll ferner vorliegen, wenn der Amtswalter von einer höchstrichterlichen Entscheidung[88] oder von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung[89] abweicht. Diese Aussage bedarf jedoch der Einschränkung; sie gilt nur, wenn der Amtswalter sich mit dieser Rechtsprechung nicht ernsthaft auseinandersetzt und zu keiner rechtlich gut vertretbaren anderen Auffassung gelangt. Wird ein Amtshaftungsanspruch auf ein rechtswidriges Verwaltungshandeln gestützt, ist ferner zu beachten, dass die Rechtsprechung ein Verschulden des Bediensteten wegen unrichtiger Rechtsanwendung immer dann verneint, wenn ein Kollegialgericht sein Verhalten als rechtmäßig beurteilt[90]; zu bedenken ist der reduzierte Prüfungsmaßstab des Kollegialgerichts gegenüber dem Prüfungsmaßstab der Beamten[91]. In neueren Entscheidungen zeigt sich aber die Tendenz, diesen Grundsatz einzuschränken[92].

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Eine Besonderheit stellt das sog. Organisationsverschulden dar. Mängel innerhalb der Verwaltung werden dem jeweiligen Vorgesetzten bzw. dem für die Mängel Verantwortlichen als Verschulden zugerechnet. Es ist ausreichend, wenn der Geschädigte die schuldhafte Amtspflichtverletzung damit begründet, das Gesamtverhalten der Verwaltung habe objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht entsprochen. Die Nennung des Namens des Verantwortlichen ist auch hier nicht erforderlich[93].

Beispiel:

Die personelle Unterbesetzung einer Behörde führt zu einer amtspflichtwidrigen Verzögerung der Bearbeitung von Anträgen. Die verzögerte Bearbeitung kann hier nicht als verschuldete Amtspflichtverletzung des zuständigen Bearbeiters angesehen werden, da dieser keinen Einfluss auf die personelle Besetzung der Behörde hat. Es liegt aber ein Organisationsverschulden vor, das derjenigen Person zugerechnet wird, die für eine ausreichende personelle Ausstattung hätte sorgen müssen.

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