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Stefano steckte das Geld in den ledernen Beutel, den er unter seiner Jacke trug, und füllte die Lunge mit der frischen klaren Luft der voranschreitenden Nacht. Eigentlich verabscheute er die Gesellschaft dieser überheblichen Nichtstuer, doch wenn er sie binnen weniger Stunden um ein solch hübsches Sümmchen erleichtern konnte, so war es durchaus erträglich. Jetzt aber war es Zeit geworden zu verschwinden. Die Gespräche, nachdem der Wein ihre Zungen gelockert und ihre letzten Hemmungen vertrieben hatte, waren ihm zuwider. Sie betrogen ihre Frauen, ihre Geschäftspartner, ihre eigenen Familien, hurten herum, wie es ihnen gefiel und waren auf diese Lebensweise sogar noch stolz. Während er durch die nun fast menschenleeren Straßen schritt, dachte er unweigerlich an seinen hart arbeitenden, grundehrlichen Vater und dessen Freunde. Wie unterschiedlich sie waren und wie ungerecht das Leben sich stets aufs Neue zeigte. Nein, mit diesen Menschen würde er nie gut auskommen. Doch als Geldquelle waren sie nun einmal nicht zu verachten, und ihren Reichtum etwas zu schmälern, stellte durchaus einen interessanten Zeitvertreib dar. Stefano schüttelte sich. Das Gehörte verärgerte ihn nachhaltig. Außerdem war der Durst zurückgekehrt. Zwar wären einige Möglichkeiten geboten gewesen, doch das alkoholgeschwängerte Blut dieser Kerle wollte er lieber nicht anrühren. Lucas Warnung war ihm noch gegenwärtig. So zog er seine Jacke enger um sich und stapfte missmutig durch die Nacht.

Er roch sie sofort und er roch den Tod, der sie umgab. Das Parfüm, das sie umwallte wie ein Nebel, war abstoßend, zumindest für seine feine Nase. Eine Frau und der Tod? Sie war nur wenige Schritte von ihm entfernt, huschte gerade aus einem großen, edlen Palais zu einem wartenden Boot. Stefano folgte dem Boot über Brücken und Dächer – sein Jagdinstinkt war geweckt! Als er erkannte, wo es anlegen würde, sprang er mit einem Riesensatz auf das gegenüberliegende Dach, ließ sich in die Tiefe fallen und schlenderte auffällig langsam am Anleger vorbei. Ihm war bewusst, dass sie ihn bereits wahrgenommen hatte. Er erschien ihr durchaus begehrenswert und ihr Geist öffnete sich ihm unwillkürlich. Stefano ging noch langsamer, wie in Gedanken versunken, wartete, bis das Boot wieder verschwunden war und sie ganz allein neben der kleinen Brücke stand. Er hob den Kopf und sah sie an. Eine junge Frau von vielleicht zweiundzwanzig Jahren und doch spürte er nur Böses. Sie war hübsch, ziemlich hübsch, jedoch von der Art, die ihn zurückstieß. Er lächelte, um sie zu beruhigen, gleichzeitig aber las er in ihren Gedanken und bereute es im selben Augenblick. Seine Empfindungen waren wie immer richtig gewesen, sie trogen ihn nie. Stefano spürte, wie Zorn in ihm aufstieg. Ihr Leben lief vor seinen Augen ab und er sah Dinge, die er eigentlich nie hatte sehen wollen. Während er auf sie zutrat, sie höflich lächelnd fragte, ob sie denn so allein in der Nacht Hilfe benötigte, gesellte sich Abscheu zu dem Zorn in seinem Innern. Er sah die Neugeborenen, die sie ohne einen Funken von Reue in einem Wasserbecken ertränkt und wie Abfall entsorgt hatte. Drei Kinder hatte sie zur Welt gebracht und sie alle getötet, da sie ihr im Weg gewesen wären. Doch als sei das noch nicht genug, sah Stefano den Alten, den sie mit einem Kissen erstickte – sie war auch die Mörderin ihres eigenen Vaters.

Mit aller Macht versuchte Stefano sich zu beruhigen, doch diese Frau vor ihm war für den Tod von vier Menschen verantwortlich, sie war gierig nach Geld, süchtig nach Leben. Nach einem Leben, das sie in seinen Augen verwirkt hatte. Irgendwo in seinem Kopf meldete sich die leise Stimme, dass er niemals eine Frau töten wollte und er versuchte auf diese Stimme zu hören, doch es gelang ihm nicht mehr. Als sie ihm zuraunte, dass ihr Heim nur wenige Schritte von hier sei und man sich dort durchaus noch vergnügen könne, riss er sie an sich, sprang über das Brückengeländer und von dort aus in die absolute Dunkelheit hinter einem Torbogen.

»Weib, du hast lange genug dein Unwesen getrieben und bist immer davongekommen. So leid es mir tut, doch Blut ist Blut und deines wird meinen Durst ebenso stillen wie jedes andere.«

Und nun erkannte wohl auch die junge Frau, dass sie hier keinem großzügigen Galan begegnet war, sondern jemandem, der ihr kaum die Taschen füllen würde. Ihr Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, in die Stefano seine Eckzähne geschlagen hatte, und die Empfindungen, zu denen er ihr verhalf, waren mehr als trügerisch. Als ihr Blut durch seine Kehle zu rinnen begann, ließ der Vampir alle Zurückhaltung fahren. Er drückte sie gegen die Wand, zog mit einer ungehaltenen Bewegung ihren weiten Rock hoch und stieß gefühllos sein Knie zwischen ihre Beine, während er gleichzeitig seine Hose öffnete. Als er in sie eindrang, spürte Stefano ihre Erregung, doch statt ihn zu befriedigen, machte ihn das nur noch wütender. Sie umklammerte seine Schultern in einer Mischung aus Ekstase und Panik und er verschaffte ihr den wahrscheinlich unglaublichsten, jedoch letzten Höhepunkt ihres Lebens. Stefano trank, bis fast kein Blut mehr in ihren Adern floss, erst dann zog er seine Zähne zurück, ohne ihre Wunden zu verschließen. Sie war bei Bewusstsein, die Kraft zu schreien fehlte ihr aber. So musste sie mit weit aufgerissenen Augen mit ansehen, wie der Vampir mit bösem Lächeln seine Hose wieder schloss, den Kopf leicht schief legte und sie mit kaltem Blick musterte. Seine Stimme war eisig, als er sich an sie wandte. »Du hast nur noch wenige Augenblicke zu leben und doch fühle ich, dass du nichts bereust, sondern nur um dein verfluchtes Leben fürchtest.« Sein Gesicht näherte sich dem der verblutenden Frau. »Ich wünsche dir, dass deine toten Kinder dich im Jenseits Tag und Nacht verfolgen. Miststück!«

Er sah reglos zu, wie sie starb, schloss dann ihre Wunden, nahm sie auf die Arme und lief über die Dächer zurück zu dem Palais, aus dem sie gekommen war. Er kannte die Bewohner nur zu gut. Sie hatten ihren Reichtum durch Sklaven, die für sie ihre Plantagen auf Madagaskar bewirtschafteten, eingefahren. Dort warf er sie kurzerhand vom Dach, direkt vor den Eingang. »Habt noch ein wenig Freude mit ihr, Bastarde!«

Gesättigt, jedoch unzufrieden und mit diesem nagenden Gefühl der Verzweiflung in seinen Eingeweiden, machte sich Stefano auf den Heimweg.

Geschenk der Nacht

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