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Auf schwankendem Grund

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Chièvres war stets bemüht, die Karriere seines Neffen voranzutreiben – vielleicht, weil er selbst keine Kinder hatte. So hatte er Karl bereits dazu gebracht, Guillaume zum Abt von zwei der reichsten Klöster der Niederlande zu ernennen, außerdem zum Erzbischof von Cambrai, zum Bischof von Coria (in Kastilien) und schließlich zum Kardinal. Nun bat Chièvres Karl also auch noch darum, er möge seinen Neffen zum Erzbischof von Toledo machen.20 Vital zufolge »wollte der König es zunächst weder gewähren noch verwehren, sondern sagte, er müsse darüber nachdenken«, weil auch andere ihr Interesse an dem Posten bekundet hatten. Karl »bat [deshalb] seinen Rat um eine Einschätzung, wem er den Posten am ehesten übertragen sollte, denn er wollte zunächst ihre Meinungen hören«. Wie Vital weiter ausführt, stürzte jedoch »die Vielzahl der Bewerber den König und seinen Rat in große Verwirrung«. Dies spiegelte die tiefen Gräben innerhalb des königlichen Rates wider. Erasmus sollte später behaupten, er habe Karls Einladung, ihn nach Spanien zu begleiten, vor allem deshalb abgelehnt, weil »ich den Hof in so viele Fraktionen zersplittert sah: in Sekten von Spaniern, Juden und Franzosen, in die Anhänger Chièvres’ und die des Kaisers [Maximilian], in Neapolitaner, Sizilianer und wer weiß was noch alles«. Bei der Wahl des neuen Erzbischofs von Toledo jedenfalls setzten sich, wie vielleicht zu erwarten war, die »Anhänger Chièvres’« durch.21

Schon zuvor hatte Karl Landesfremden zu kastilischen Bischofswürden verholfen – dem Italiener Luigi Marliano etwa, den er zum Bischof von Tui ernannte, oder eben Guillaume de Croÿ selbst bei dessen Erhebung zum Bischof von Coria. Stets war dies in klarem Widerspruch zum letzten Willen der Königin Isabella geschehen. Diese hatte nämlich testamentarisch verfügt, dass in ihrem Königreich nur gebürtige Kastilier in Amt und Würden kommen sollten – und das betraf kirchliche und weltliche Posten gleichermaßen. Da die Missachtung dieser Vorschrift ein feindliches Echo hervorrief, ließ Karl Croÿ noch vor dessen Ernennung zum Erzbischof von Toledo sicherheitshalber rasch naturalisieren; dennoch blieb die Entscheidung für Croÿ kontrovers. Als die Nachricht eintraf, Alfonso de Aragón – illegitimer Sohn König Ferdinands, Erzbischof von Saragossa und seit dem Tod seines Vaters Regent von Aragón – befinde sich auf dem Weg nach Tordesillas, um das Bistum Toledo für sich zu erbitten, sandte der König ihm, wie Eleonores Sekretär Sancho Cota berichtet, »eine Botschaft, dass er nicht kommen solle, weil er schon einen anderen zum Erzbischof bestimmt habe«. Dieses wenig sensible Vorgehen verärgerte Alfonso natürlich: Karl sollte ihn später vergebens um seine Unterstützung bitten, als er die Aragonier für sich gewinnen wollte. In Valladolid, teilte Pedro Mártir de Anglería mit, »meinen alle, dass der König sich [gegenüber seinem Onkel Alfonso] unhöflich und grob verhalten habe«. Mártir sprach zudem klar aus, dass die Ernennung Croÿs »die Gesetze und Bräuche dieses Königreiches noch unverhohlener verletzt, sodass es eines Tages zu einer großen Erregung kommen könnte«. Düster weissagte er weiter: »Allein die Zeit wird zeigen, welche Früchte aus dieser Saat erwachsen werden.«22

Während die Saat noch keimte und spross, kümmerte Karl sich um Familienangelegenheiten. In Tordesillas verbrachten Eleonore und er Zeit mit ihrer Schwester Catalina, die inzwischen zehn Jahre alt war, und veranlassten außerdem eine späte Begräbnisfeier für ihren Vater, dessen Leichnam Johanna in Tordesillas aufbewahrte. Das Grabmal selbst war zwar eher schlicht, da Karl vorhatte, Philipp später nach Granada umbetten zu lassen, wo er an der Seite der Katholischen Könige ruhen sollte. Aber allein der Umstand, dass er den Bestattungsritus für den verstorbenen König halten ließ, bevor er selbst vor die Cortes trat, unterstrich Karls Anspruch und Legitimität als neuer Souverän. Anschließend verließen Karl und Eleonore Tordesillas, um ein weiteres ihrer Geschwister zu treffen: ihren inzwischen vierzehnjährigen Bruder Ferdinand. Der König umarmte ihn, schlug ihn zum Ritter vom Goldenen Vlies und »erklärte [ihm] einige löbliche, würdige und ritterliche Dinge über den Orden«. Dann zogen die drei Enkelkinder von Königin Isabella in Begleitung eines Gefolges von 6000 Personen mit großem Zeremoniell nach Valladolid hinein. Vital zufolge sagten selbst »die älteren Bürger und Kaufleute« der Stadt, dass niemand in Kastilien »je den Einzug eines solch noblen und sieghaften Königs gesehen hatte, wie dieser einer war«.23

Die Cortes von Kastilien bewilligten beinahe sofort Hilfsgelder in Höhe von 600 000 Dukaten – und damit deutlich mehr als bei jeder früheren Gelegenheit – und erkannten Karl als König an (gemeinsam mit seiner Mutter). Zugleich legten sie ihm freilich auch fast hundert Beschwerden über Missstände vor, mit der Bitte um baldige Abhilfe. Einige waren altbekannt und wenig kontrovers (»dass Euer Hoheit die Würfelspiele verbiete«; »dass Ihr die Prägung von Kupfermünzen und anderem Kleingeld anordnet, denn das Königreich hat Mangel daran«). Andere waren zwar kritischer, stellten aber dennoch keine Bedrohung dar (»man ersucht Euer Hoheit untertänigst, uns doch die Ehre zu erweisen und Kastilisch zu sprechen« sowie »mindestens zweimal in jeder Woche eine öffentliche Audienz zu gewähren«). Nur aus ein paar wenigen sprach Beunruhigung über die jüngsten Entwicklungen: »Wir ersuchen Euer Hoheit … gnädigst zu gewähren, dass der Infant Ferdinand diese Königreiche nicht verlassen möge, bevor Ihr nicht verheiratet seid und eigene Erben habt«; dass keinerlei Posten in Kastilien, egal ob weltlich oder kirchlich, »mit Fremden besetzt werden solle«; »dass Fremden keine Naturalisierungsbriefe gewährt werden dürften und dass alle bereits verliehenen Briefe widerrufen werden müssten«; und schließlich, dass »der Erzbischof von Toledo kommen und in diesen Königreichen seinen Wohnsitz nehmen solle«.24

Einige dieser Punkte nahm Karl gleich in Angriff, darunter seine Unkenntnis der spanischen Sprache. Schon im Frühjahr 1518 war der König einem burgundischen Minister zufolge in der Lage, »sich mit seinen Edelleuten auf Kastilisch zu unterhalten, und hat sowohl die Sprache als auch die Bräuche jenes Landes nun vollkommen gemeistert«. Mártir pflichtete dem in einem Brief an die Markgrafen von Los Vélez und Mondéjar bei: »Der König hat ganz plötzlich begonnen, Spanisch zu sprechen, und drückt sich nun aus, als ob er unter Euch geboren und aufgewachsen wäre. Es scheint, dass seine Lehrzeit ungewöhnlich kurz gewesen ist.« Karl ging nun auch dazu über, bei Audienzen für sich selbst zu sprechen, wenn auch oft in kurzen und formelhaften Sätzen, anstatt wie zuvor andere in seinem Namen sprechen zu lassen.25

An Ferdinands fünfzehntem Geburtstag richtete Karl seinem Bruder einen eigenen Hofstaat ein, bevor die drei Geschwister – Karl, Ferdinand und Eleonore – in Richtung Saragossa aufbrachen, wo sie mit den Cortes des Königreichs Aragón zusammentreffen wollten. Unterwegs jedoch und augenscheinlich ohne jede Vorwarnung setzte sich Karl über den ausdrücklichen Wunsch der kastilischen Cortes hinweg und befahl seinem Bruder, sein Geburtsland Spanien zu verlassen und auf dem Seeweg in die Niederlande zu reisen, wo er bei ihrer Tante Margarete bleiben solle. Damit erfüllte Karl das Versprechen, das er seinen niederländischen Untertanen vor seiner Abreise gegeben hatte (siehe Kap. 3); aber die abrupte Umsetzung ließ doch auch so etwas wie Furcht erkennen. Karls Chronist Alonso de Santa Cruz berichtet:

»In einer Unterredung mit Mitgliedern der Cortes in Valladolid erfuhren Chièvres und der Großkanzler [Le Sauvage] … dass König Karl von vielen gehasst, sein Bruder Ferdinand hingegen von allen geliebt werde … Sie empfahlen deshalb, Ferdinand aus dem Königreich wegzuschicken, damit, falls eines Tages irgendwelche spanischen Vasallen sich erheben sollten, sie nicht Ferdinand als ihren Anführer wählen können. Seine Hoheit hielt das für einen guten Vorschlag.«

Sancho Cota, der noch immer im königlichen Gefolge reiste, teilte mit, dass die plötzliche Abreise des Infanten »einen jeden Spanier zutiefst berührte, Edelleute ebenso wie den gemeinen Mann, weil sie alle Ferdinand sehr lieb hatten«. Der französische Botschafter gab immerhin zu Protokoll, dass »die Leute hier nicht sehr glücklich darüber sind«.26

Selbst Laurent Vital, normalerweise ein Ausbund von Kriecherei und Unterwürfigkeit, bemerkte eine wachsende Feindseligkeit gegenüber seinem Herrn. Während des Aufenthalts in Valladolid weigerten sich mehrere Geistliche, dem königlichen Gefolge Unterkunft zu gewähren, und exkommunizierten Karls Amtsträger, die mit der Quartiersuche beauftragt waren. An den Kirchenportalen in Valladolid tauchten Plakate auf, die einem wachsenden Unmut darüber Ausdruck verliehen, dass im Königreich nun Fremde herrschten. Und unmittelbar, nachdem der König die Stadt verlassen hatte, hielt ein Ordensbruder eine Reihe von Predigten, in denen er mit teils »ungeheuerlichen Worten« gegen die Niederländer wetterte, die den neuen König »eingesperrt« und die Gesetze des Königreichs Kastilien missachtet hätten, indem sie Fremde in Amt und Würden setzten. Karl ließ den aufsässigen Mönch gefangen nehmen und »seine Bestrafung als ein Exempel statuieren, damit andere in Zukunft nichts als die Wahrheit predigen«. Die Abneigung beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit: Mártir zufolge begegneten Karls aus den Niederlanden mit ihm nach Spanien gekommene Ratgeber, von denen ja viele ein Jahrzehnt zuvor unter unwürdigen Umständen selbst aus dem Land geflohen waren, »den Spaniern mit einer Verachtung, als wenn jene Kloaken und Jauchegruben entstiegen wären«.27

Übertrieben diese Beobachter vielleicht? Wenn man Lord Berners glauben darf, einem englischen Gesandten an Karls Hof, dann befanden sich im September 1518 »alle Angelegenheiten in Spanien auf einem guten Weg«, abgesehen von »ein wenig Eifersucht und Misstrauen zwischen den Spaniern und den Burgundern«; der Engländer rechnete fest damit, dass die Anmut und Geschicklichkeit des Königs bei den »täglichen Festzügen und Turnierspielen, allerlei Wettkämpfen und dem Rohrstockspiel (juga de kanes)« schon dafür sorgen würden, dass ihm die Herzen aller Zuschauer zuflögen.28 Gleichwohl, fuhr Berners ein wenig unwirsch fort, seien die Aragonier »das stolzeste, störrischste Volk der Welt«, und obwohl »sie ihm als ihrem König gehuldigt haben, ihm als seine Untertanen gehuldigt haben, geben sie ihm nun weder Gehorsam noch Geld«. Zwei Monate später bezeichnete ein anderer frustrierter Diplomat die aragonische Ständeversammlung hellseherisch als »unendlich und, wie ich glaube, ohne Ende [d. h. Zweck] (wiewohl der König zwei oder dreimal die Woche in eigener Person daran teilnimmt)«.29

Die Ursachen für diese Verzögerungen lagen tief. Wie der Historiker Manuel Rivero Rodríguez angemerkt hat, war die Lage nach König Ferdinands Tod diese:

»Die Aragonier betrachteten Karl lediglich als Prinzen, und deshalb öffneten die Vertreter der Obrigkeit seine Verordnungen, Edikte und Vollmachten nicht etwa, sondern bewahrten sie verschlossen auf, bis er als König auch tatsächlich anerkannt sein würde. Verordnungen, die er als König (und nicht als Prinz) erließ, wurden gar zurückgesandt. … Da das Erbfolgerecht die Vererbung über eine weibliche Linie ausschloss, behandelten sie den Treueeid sowohl Johanna als auch Karl gegenüber als vorläufig.«30

Auf seiner langsamen Reise in Richtung der aragonischen Grenze bestellte Karl im März 1518 seinen Onkel Alfonso zu sich, um ihm Gefolgschaft zu schwören; der jedoch war noch immer verletzt von der unfeinen Behandlung, die ihm in der Angelegenheit des Toledaner Bischofsstuhls zuteilgeworden war, und blieb dem befohlenen Treffpunkt fern. Eine ganze Woche lang wartete die königliche Reisegesellschaft mit wachsender Ungeduld, dann traf ein Brief ein, in dem die bereits in Saragossa versammelten Delegierten mitteilten, bevor sie einen Eid auf Karl ablegen könnten, müssten sie zunächst einen Eid auf Johanna leisten – und zwar in deren persönlicher Gegenwart. Obgleich die Cortes schließlich einsahen, dass sie damit Unmögliches forderten – und nach einiger Zurückhaltung Karls eigenen Schwur akzeptierten, sämtliche Gesetze des Königreiches achten zu wollen –, weigerten sie sich auch weiterhin, Karl als »König« anzusprechen, solange seine Mutter noch lebte. Als Karl diese Weigerung überwunden hatte, verlangten sie noch, mit seiner Zustimmung den Infanten Ferdinand als »Kronprinzen« anerkennen zu dürfen. In den Straßen von Saragossa kam es zu Handgemengen zwischen kastilischen und aragonischen Höflingen, und obwohl es Karl gelang, die beiden verfeindeten Lager innerhalb seines Gefolges wieder zu versöhnen, zogen sich die Verhandlungen mit den Cortes über den ganzen Rest des Jahres hin.

Der langwierige Machtkampf von Saragossa erlaubte es den Diplomaten, die an Karls Hof akkreditiert waren, zum ersten Mal, die Entscheidungsprozesse im neuen Habsburgerstaat ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Der venezianische Gesandte Francesco Corner bemerkte wiederholt, Chièvres sei an Karls Hof so etwas wie ein »zweiter König«, während Mártir anfing, den leitenden Minister als »den Geißbock« zu bezeichnen (ein Wortspiel auf Grundlage des französischen Worts chèvre, »Ziege«), und außerdem – mit einer hemmungslosen Paarung zweier Metaphern – behauptete, Chièvres sei »die Kette, die [Karl] hinter Schloss und Riegel bringt«. Der französische Botschafter echote, es seien »nur wenige Personen an der Führung der Geschäfte dieses jungen Fürsten beteiligt«, und fügte hinzu, dass der Einfluss Chièvres’ ungebrochen sei. Wo er recht hatte, hatte er recht: Gegen Ende des Jahres 1518 schuf Karl eigens für Chièvres den Titel eines Markgrafen von Aarschot und machte ihn zudem zum Grafen von Beaumont und Herrn von Heverlee – untrügliche Zeichen seiner anhaltenden Gunst.31

Viele hielten den Großkanzler Le Sauvage für genauso einflussreich wie Chièvres; allerdings starb er im Juni 1518. Manche rechneten auch damit, dass Mercurino Arborio de Gattinara, der vier Monate nach Le Sauvages Tod das Großkanzleramt übernahm, Chièvres herausfordern werde; aber stattdessen entwickelte er sich zu dessen wichtigstem Unterstützer. Der gebürtige Italiener Gattinara hatte nach einer juristischen Ausbildung als Diplomat in Maximilians Dienst gestanden; Margarete von Österreich stand er als ein vertraulicher Berater zur Seite. Nach Aussage des englischen Botschafters war »Meister Mercurius« bei seiner Ankunft an Karls Hof »ein Mann von sechzig Jahren, sehr gravitätisch und hochgelehrt, ein guter Lateiner«. Ein venezianischer Gesandter ging sogar noch weiter: Der neue Kanzler sei »klug, sehr gebildet (sagt man), gerecht, und er versteht Latein, Spanisch, Französisch und Deutsch« – von seiner italienischen Muttersprache einmal abgesehen –, »und wegen seiner vielen Sprachen heißt ihn jedermann hier willkommen«. Letzteres war eine kaum verhüllte Kritik an Karls anderen, zumeist nur einsprachigen Ministern und Räten.32 Gattinara hatte im Dezember 1516 am Hof bereits für einiges Aufsehen gesorgt. Grund war ein recht kurioses Manuskript, das »dem göttlichen Karl dem Größten, dem katholischen König«, gewidmet war und den Titel trug: Oratio supplicatoria somnium interserens de novissima orbis monarchia et futuro Christianorum triumpho« – »Flehende Ansprache, darin enthalten ein Traum von der letzten Weltmonarchie und dem künftigen Triumph der Christenheit«. Gattinara versprach, in diesem Traktat zugleich »die Mittel zur Erreichung« dieses Ziels zu liefern. Obwohl die Denkschrift in lateinischer Sprache verfasst war – was sie als Lektüre für ihren erklärten Adressaten denkbar ungeeignet erscheinen ließ –, traf Gattinara alle Vorkehrungen und schickte sie seinem Landsmann Luigi Marliano, Karls Leibarzt und Ratgeber, zu in der Hoffnung, dass sie auf diesem Weg »die Ohren eines gewissen Jünglings erreichen möge«. Der Inhalt von Gattinaras Traktat ist schnell umrissen: Nach der eingehenden Wiedergabe eines Traumes, in dem Karl als der Messias auftritt, der Italien befrieden, die Kirche reformieren, die Christenheit einen und letztlich den Weltfrieden bringen soll, kam Gattinara auf die überlegenen Ressourcen zu sprechen, die dem tatsächlichen Karl in Europa und in Amerika zur Erreichung dieser Ziele zur Verfügung standen, und verglich sie mit denen anderer christlicher Herrscher. Damit wollte er aufzeigen, wie aus dem Traum Wirklichkeit werden konnte – ein Vorhaben, dem Gattinara den ganzen Rest seines Lebens widmen sollte.33

Auch einige Spanier stießen zu Karls Beraterstab. Francisco de Los Cobos entwarf nun die meisten der offiziellen Schreiben, die mit Kastilien zu tun hatten (einschließlich jener, in denen der Marqués von Denia angewiesen wurde, Königin Johanna in ihrer Scheinwelt gefangen zu halten). Und zu Beginn des Jahres 1519 rief Karl, in Vorbereitung auf ein geplantes Treffen mit Franz I., bei dem die beiden Könige einige noch ausstehende Fragen klären wollten, »vier oder fünf der ranghöchsten Kirchenmänner von Kastilien und Aragón zusammen, um mit ihnen über seinen Anspruch auf das Königreich Neapel zu diskutieren« (die hochwürdigen Herren empfahlen ihm, keinerlei Zugeständnisse zu machen – ein Ratschlag, den Karl nur zu gern befolgte).34 Jedoch teilten so gut wie alle der am politischen Entscheidungsprozess Beteiligten den »burgundischen Wertekanon« von Männern wie Karl, Chièvres und Gattinara.

Schließlich verließ Karl Saragossa und zog mitsamt seinem Gefolge nach Barcelona, wo er noch eine weitere Versammlung beunruhigter Untertanen – katalanischer diesmal – von seinem Thronanspruch zu überzeugen und zur Bewilligung von Steuergeldern zu bewegen hoffte. Bis zu seiner Ankunft in Katalonien sollte der hoffnungsvolle Thronerbe allerdings zwei weitere Familienmitglieder verlieren: seine Schwester Eleonore sowie seinen einzig verbliebenen Großelternteil. Im Oktober 1518 sandte er nämlich Eleonore, von Geburt an seine ständige Begleiterin und treue Gefährtin, fort zu ihrem zukünftigen Ehemann, König Manuel von Portugal. Und wie schon das Exil des jungen Ferdinand, so wurde auch Eleonores Abreise »vom ganzen Hof und dem ganzen Königreich missbilligt«.35 Vier Monate darauf, er befand sich bereits in der Gegend von Barcelona, erfuhr Karl vom Tod seines Großvaters Maximilian. Das war ein Einschnitt, der sowohl sein persönliches Leben als auch das europäische Gleichgewicht nachhaltig beeinflussen sollte.

Der Kaiser

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