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Kaiser, Papst und König – in Harmonie vereint

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Der Kaiser beeilte sich, diesen unverhofften Vorteil zu seinen Gunsten auszunutzen. »Es hat dem Herrn gefallen, uns nicht nur zu dieser hohen Kaiserwürde zu erheben«, äußerte er gegenüber dem neuen Pontifex, »sondern zugleich vorherzubestimmen, dass wir die Kaiserkrone aus der Hand eines Mannes empfangen, den wir so gut kennen, der unserer eigenen Nation entstammt, der uns erzogen und von Kindheit an gelehrt hat und der eine große und aufrichtige Liebe für uns empfindet: Ich meine natürlich Eure Heiligkeit.« Etwas spitzer fügte er hinzu, Hadrian VI. möge sich »an das erinnern, was Ihr mir einst sagtet, als ich Euer Schüler war, und was sich für mich seither stets bewahrheitet hat – und damit Ihr Euch ganz sicher daran erinnert, will ich es Euch noch einmal wiederholen: dass [die Franzosen] zwar liebenswürdig und freundlich daherreden; aber am Ende wollen sie einen doch nur täuschen und betrügen«. Ohne Frage jedoch, schloss Karl, »ist Eure Heiligkeit schlau genug, dass Ihr alles vermeiden werdet, was mir Schaden oder Kummer bereiten könnte«.15

Die Wahl Hadrians schuf für seinen einstigen Schützling jedoch ein drängendes Problem: Der neue Papst konnte unmöglich weiter als sein Statthalter in Kastilien amtieren, was den Druck auf Karl erhöhte, möglichst bald nach Spanien zurückzukehren. Dies wiederum machte es erforderlich, dass er in den Niederlanden und im Reich fähige Regenten ernannte, die ihn während seiner Abwesenheit vertreten konnten. Im ersteren Fall entschied der Kaiser sich für Margarete, die sowohl fähig als auch willens war, diese Aufgabe noch einmal zu übernehmen; die zweite Aufgabe übertrug er Ferdinand. Auf dem Wormser Reichstag hatte er seinem Bruder bereits den größten Teil der österreichischen Erblande abgetreten; jetzt übertrug Karl – der bestrebt war, möglichst bald nach Spanien zu kommen – Ferdinand und seinen Nachfahren auch noch seine restlichen österreichischen Territorien. Auch erneuerte Karl sein Versprechen, die Wahl seines Bruders zum römisch-deutschen König zu betreiben, sobald er selbst zum Kaiser gekrönt worden sei.16 Außerdem setzte er sein erstes Testament auf. Darin benannte Karl seinen Bruder Ferdinand zum Alleinerben und Nachfolger; und wie vor ihm schon sein Vater legte er fest, wo er begraben werden wollte: Falls er in Spanien stürbe, verfügte Karl, solle man ihn in Granada an der Seite der Katholischen Könige beisetzen; bei einem Tod in den Niederlanden jedoch wollte er in Brügge neben seiner Großmutter Maria von Burgund bestattet werden. Und »für den Fall, dass zum Zeitpunkt unseres Todes das Herzogtum Burgund wiederum unserem Gehorsam unterstellt ist, wünschen wir, dass unser Leichnam in der Kapelle der Kartause von Dijon zur letzten Ruhe gebettet wird neben den Leibern unserer Vorgänger, der Herzöge Philipps des Kühnen, seines Sohnes Johann sowie Philipps des Guten«. Auch als Kaiser sah sich Karl noch immer und in erster Linie als ein Herzog von Burgund.17

Der Kaiser und sein Gefolge segelten von Calais nach Dover. Das war am 27. Mai 1522 die erste Etappe ihrer Rückreise nach Spanien. Großzügig gab Erasmus dem Wetter die Schuld an der verspäteten Abreise – »Winde sind die einzigen Wesen, die einen Kaiser nicht erkennen, wenn sie ihn sehen« –, aber das war wohl nur ein Teil der Erklärung. Eine gewisse Verzögerung ergab sich dadurch, dass der Kaiser sich so oft von seinem Schreibpult entfernte. Binnen zwölf Monaten zeugte er mindestens drei illegitime Kinder (siehe Kap. 14) und frönte daneben weiterhin seinen sonstigen Leidenschaften: Turnieren, der Jagd mit Falken und mit Hunden – und dem Tennisspiel. Ein englischer Gesandter, der im Februar 1522 an Karls Hof kam, konnte dort nicht gleich sein Beglaubigungsschreiben übergeben, weil Karl »beim Jeu de Paume war«, ebenjener Urform des Tennisspiels, und so musste der Diplomat geduldig »dem Spiel zusehen, bis es schon beinahe dunkel war, woraufhin Seine Majestät sich in Ihre Gemächer zurückzog«.18 Einen Monat darauf führten Karl und sein Bruder bei einem großen Turnier jeder eine ganze Mannschaft an:

»Nachdem sie die Damen begrüßt und Feld und Tilt [die Schranke zwischen den Kontrahenten] abgeritten hatten, begann der Kaiser mit dem Wettstreit und ließ seine Lanze recht lustig auf einem aus der Truppe seines Bruders zerbersten; und im nächsten Durchgang tat der Infant das Gleiche auf einem aus der Truppe des Kaisers, und so dauerte der Wettstreit gegen zwei Stunden lang an, dass die einhundert Lanzen, die man bereitgelegt hatte, eine nach der anderen zersplittern mussten.«

Karls ständiges Training machte sich zweifellos bezahlt:

»Seine Majestät entledigte sich seiner Aufgabe auf das Galanteste und zerbrach mehr Lanzen als irgendein anderer, und zum Schluss, als all die besagten Lanzen zerbrochen waren, schwang der Kaiser sich, nachdem man ihm seinen Helm und Schild abgenommen hatte, auf ein Pferd, das schon bereitstand, und auf diesem Pferd vergnügte er sich, nachdem er abermals die Damen gegrüßt hatte, auf dem besagten Platz wie ein Fürst, der zugleich auch König der Reiter genannt werden könnte.«

Dem venezianischen Botschafter zufolge waren »sämtliche Anwesenden« der Meinung, dass Karl »alle anderen bei diesem Turnier übertroffen« und zudem Reitkunststücke vorgeführt hatte, »die außer ihm niemand vollbringen konnte«.19

Aber nicht immer zog Karl das Vergnügen der Arbeit vor. Als etwa am 13. April 1522 »morgens früh Post eintraf« aus England, haben »seitdem der Kaiser und sein Rat ihre Zeit mit Beratungen zugebracht, früh und spät, sodass sie spät zu Mittag essen, spät zu Abend essen und spät ins Bett gehen«. Zwei Tage später schrieb Karl einen eigenhändigen Brief, in dem er Kardinal Wolsey mitteilte, er wolle in Zukunft, wann immer »eine Sache mich persönlich angeht … dieses Zeichen ƹ,; schreiben«. Über ein Jahr lang enthielten seine eigenhändigen Schreiben an Wolsey daraufhin tatsächlich oft »das Zeichen ƹ das Ihr und ich beide kennen, und das anzeigt, dass diese Angelegenheit mir überaus wichtig ist«.20 Der Kaiser brachte auch viel Zeit damit zu, sich mit weniger bedeutenden Angelegenheiten persönlich zu beschäftigen. So beaufsichtigte Karl, wie der verblüffte englischen Botschafter mitteilte, höchstpersönlich die Einschiffung seines Gefolges für die Reise nach England – und als die Diplomaten Zweifel daran erkennen ließen, zeigte man ihnen eine Passagierliste, in der sie zahlreiche Eintragungen »von des Kaisers eigener Hand« entdeckten.21 Aber der hauptsächlich Grund für die Verzögerung der Abreise war schlicht und ergreifend ein Mangel an Geld.

Nach einem von Gattinara aufgesetzten Dokument hatten die Kosten des jüngsten Feldzuges in Verbindung mit dem Aufwand für die bevorstehende Spanienreise dem Kaiser so wenig finanziellen Spielraum gelassen, dass »wir Gefahr laufen, nicht nur das zu verlieren, was wir erobert haben, sondern auch noch all unsere ererbten Herrschaftsgebiete aufs Spiel zu setzen, unsere ganzen Angelegenheiten in Trümmern liegen zu sehen und uns ganz der Gnade der Vorsehung anzuvertrauen. Außerdem wissen wir nicht, wie uns unsere spanischen Untertanen empfangen werden.« Karl wandte sich zunächst an den portugiesischen König Manuel und bat diesen um ein Darlehen, doch dann bot ihm Heinrich VIII. nicht nur 150 000 Dukaten, um die kaiserliche Flotte zusammenzustellen, sondern auch eine Eskorte, um Karls Schiffe vor einem möglichen Angriff der Franzosen zu schützen. Karl nahm dankend an, obwohl (wie er selbst meinte) die Abmachung »einige ziemlich harsche Bedingungen« umfasste, darunter das Versprechen an Heinrich, ohne dessen Wissen und Zustimmung »keinen Frieden oder Waffenstillstand mit Frankreich zu schließen« und außerdem auf dem Weg nach Spanien noch einen Abstecher nach England zu unternehmen.22

Dennoch ließ das Jahr 1522 sich für Karl gut an. Im April fiel nach einem Sieg über die Franzosen und ihre Verbündeten bei Bicocca nicht nur die Lombardei, sondern auch Genua in habsburgische Hand. Im Monat darauf setzte Karl nach England über, und am 6. Juni ritten Heinrich und er nach London ein, »nicht nur einmütig wie Brüder, sondern sogar gleich gekleidet und mit aller üblichen zeremoniellen Form, als wenn dem Kaiser als König von England gehuldigt werden sollte«. Zehn Tage später erklärte Heinrich dem französischen König den Krieg und bestätigte zugleich, dass Mary Karl heiraten werde, sobald sie zwölf Jahre alt sei. Die Prinzessin trug von nun an eine Brosche, deren Juwelen die Worte »the emp[er] our« ergaben (Abb. 11). Heinrich stellte seinem Schwiegersohn in spe »als Hilfe bei der Befriedung seiner Staaten« einen Zug der schlagkräftigen englischen Artillerie zur Verfügung und entsandte ein Expeditionsheer zum Angriff auf die Bretagne. Noch dazu vereinbarten die beiden Monarchen, dass sie 1524 ein »Großes Vorhaben« lancieren würden: eine Doppelinvasion Frankreichs, wobei Heinrich von Calais und Karl von der nordspanischen Provinz Vizcaya (Bizkaia) aus auf Paris vorstoßen sollte.23

Nachdem er sechs Wochen lang in England geschlemmt, gespielt und verhandelt hatte, empfing Karl die heilige Kommunion und ging an Bord einer Flotte, die 3000 deutsche Landsknechte mit sich führte – wesentlich mehr, als sein Vater achtzehn Jahre zuvor bei sich gehabt hatte. Am 16. Juli 1522 ging er in Santander an Land und begab sich auf den Weg in das Landesinnere, wobei er »jagte und sich vergnügte«, bis er drei Wochen später in Palencia ankam. Heinrich berichtete er, dass zahlreiche »Granden, Edelleute, Prälaten und einflussreiche Personen an unseren Hof gekommen sind und dabei die denkbar größte Demut und Ergebenheit an den Tag gelegt haben, und alle, groß und klein, haben sich als unsere treuen Untertanen und Diener erwiesen«. Daher fühlte Karl sich sicher genug, seine deutschen Truppen zur Verteidigung der spanisch-französischen Grenze abzukommandieren, während er selbst »anfing, Ordnung in diese Königreiche zu bringen«.24

Der Kaiser

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