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Das »Große Vorhaben«

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Im Sommer 1522 gingen am spanischen Hof geheime Berichte ein, denen zufolge Herzog Charles III. de Bourbon, der Connétable von Frankreich, eine Rebellion gegen seinen König vorbereitete. Auf den ersten Blick schien diese Nachricht zu schön, um wahr zu sein. Der Herzog von Bourbon war ein »Prinz von Geblüt«, Neffe Ludwigs XII. sowie Cousin Franz’ I., für den er bei Marignano die Vorhut kommandiert hatte und auf dem »Feld des goldenen Tuches« im Turnierkampf angetreten war. Ende 1521 noch hatte der Herzog im Namen des Königs Hesdin erobert – einer der wenigen französischen Erfolge jenes Jahres –, aber schon wenige Monate später sollte der Tod seiner Gemahlin Suzanne, die der älteren Linie des Hauses Bourbon entstammte, alles verändern. Sobald sie vom Tod Suzannes erfahren hatte, reichte Luise von Savoyen, die Mutter des Königs, beim Parlement von Paris, dem obersten Gericht des Königreiches, ihren Anspruch ein: Sie sei es nun, der das bourbonische Erbe mit dem größten Recht zustehe. Franz seinerseits vertrat die Auffassung, dass der gesamte Besitz der Bourbonen – als ein Lehen der französischen Könige an ihre Gefolgsleute – nun an die Krone »heimgefallen« sei.

Vielleicht griffen der König und seine Mutter zu derart verzweifelten Mitteln, weil sie beide so gut wie bankrott waren. Franz hatte für seine Krönungsfeierlichkeiten, den Marignano-Feldzug sowie für das Spektakel auf dem Camp du Drap d’Or Unsummen ausgegeben; der ein ganzes Jahr andauernde Mehrfrontenkrieg, der darauf folgte, war ebenfalls nicht billig gewesen. Infolgedessen hatte der König Schulden angehäuft, die seine Jahreseinkünfte weit überstiegen. Dennoch: Franz’ Versuch, sich nun den Besitz seines mächtigsten Gefolgsmannes und wichtigsten Heerführers unter den Nagel zu reißen – in Kriegszeiten zumal –, war ein äußerst leichtsinniger Schritt. Der Herzog, der sich um das Erbe seiner verstorbenen Frau betrogen sah, wandte sich umgehend mit einem Hilfegesuch an den Kaiser. Im August 1522 schickte Karl einen Sondergesandten, der »mit dem Herzog von Bourbon sprechen und das Vorhaben zur Reife bringen soll, das dieser begonnen hat«.36 Der Herzog schlug vor, »das Bündnis mit dem Kaiser durch [dessen] Heirat mit einer seiner Schwestern zu besiegeln«. Er nahm auch direkten Kontakt mit König Heinrich VIII. auf und bot diesem an, »sich dem König und dem Kaiser mit seiner eigenen Macht und Stärke anzuschließen, sobald diese zu einem Feldzug nach Frankreich kämen«. Die Bündnispartner einigten sich schließlich darauf, ihr »Großes Vorhaben« – die Invasion Frankreichs – bereits 1523 stattfinden zu lassen (ein Jahr früher als ursprünglich geplant) und mit einem zusätzlichen Beteiligten: Während Heinrich von Calais aus angreifen wollte und Karl aus dem Süden nach Frankreich hinein vorstoßen würde, sollte der Herzog von Bourbon auf seinen im Herzen des Landes gelegenen Besitzungen 500 Reiter und 10 000 Fußsoldaten aufstellen und geradewegs nach Paris marschieren.37

Zur Finanzierung dieser Initiative berief Karl die Cortes von Kastilien ein, deren Sitzung im Juli 1523 mit einem prahlerischen Resümee Gattinaras über Karls Errungenschaften seit dem letzten Zusammentreten der Delegierten eröffnet wurde – schließlich sei »die Hand Gottes stets bei Eurer Majestät« gewesen (Gott kam in Gattinaras Ansprache nicht weniger als neunzehnmal vor). Eine gewisse Passage im Entwurf der Rede war offenbar auf Karls Veto hin entfallen: Darin hatte der Kanzler einräumen wollen, dass beim letzten Aufenthalt des Königs im Land Fehler gemacht worden waren. Die Schuld für die Unannehmlichkeiten hatte er »fremden Ministern, die nicht hier geboren sind« und die deshalb »die Gesetze, Verordnungen und die Gebräuche [Kastiliens] nicht kannten«, geben wollen. Da diese Entschuldigung unausgesprochen blieb, zeigten die Delegierten sich nur wenig begeistert. Zwar erkannten sie an, dass ihr König in einem ganz besonderen Verhältnis zu Gott stand – »das Wort aus dem Mund Eurer Majestät ist zugleich das Wort Gottes, der Euch an Seiner statt hier eingesetzt hat« –, aber sie riefen Karl doch auch in Erinnerung, dass bei dem letzten Zusammentreten der Cortes »die Delegierten nicht so angehört wurden, wie sie es gewünscht hatten«, und verlangten, dass der König diesmal zuerst ihre Beschwerden anhören und ihnen Abhilfe schaffen sollte, bevor sie ihm weitere Gelder bewilligten. Dem offiziellen Sitzungsprotokoll zufolge antwortete Karl darauf sogleich und in fließendem Kastilisch:

»Was scheint euch besser: dass ihr mir dieses Geld nun gleich bewilligt (da ich euch schon gestern versprochen habe und heute gleich noch einmal verspreche, dass ich die Cortes nicht auflösen werde, bevor ich auf alles, was ihr von mir verlangt, gebührend eingegangen bin und entsprechend gehandelt habe) … sodass es aussehen wird, als ob sich meine Zugeständnisse und Belohnungen an euch allein meinem Wohlwollen verdanken? Oder hättet ihr es lieber, dass ich mich zuerst den Beschwerden zuwende, die ihr vorbringt, sodass alle sagen werden, ich hätte es nur getan, damit ihr mir das Geld bewilligt?«

Er erinnerte die Delegierten daran, dass »bislang noch immer zuerst die Subsidien bewilligt wurden«, und wollte gern wissen: »Warum zwingt ihr mir eine solch tief greifende Neuerung auf?« »Nichts bleibt ewig geheim«, fuhr er dann fort, »und wenn die Nachricht von diesem Vorgang anderen Herrschern zu Ohren kommt, osmanischen wie christlichen, so wird die Tatsache, dass ihr mich nicht behandelt wie die anderen Könige, meine Vorgänger, für mein Ansehen überaus nachteilig sein, und die Bösen werden frohlocken.«38

Nach einem ganzen Monat Streiterei konnte Karl sich schließlich durchsetzen: Die Cortes bewilligten ihm ein hübsches Sümmchen; im Gegenzug befasste der Kaiser sich mit mehr als einhundert unterschiedlichen Beschwerden und Forderungen: Er solle seinen Hofstaat mit Kastiliern besetzen, jede Woche eine öffentliche Audienz halten, alle Naturalisierungsbriefe an Fremde widerrufen (und keine neuen mehr gewähren) und ausschließlich »solche, die in diesem Königreich geboren sind«, auf jede Art von weltlichen, kirchlichen und diplomatischen Posten berufen. Außerdem versprach Karl, die Verteidigung des Königreiches sowie das Rechtswesen zu stärken, das Tragen von Waffen und Masken in der Öffentlichkeit zu untersagen (Letzteres eine Mode, die »erst jüngst in diesem Königreich aufgekommen« war) und fähige Gelehrte damit zu beauftragen, die Gesetze des Königreiches niederzuschreiben und seine Chronik zu vervollständigen. Nur sehr wenige der Beschwerden befassten sich mit handfesten politischen Fragen. Die Delegierten forderten, Karl solle seine Cousine, Isabella von Portugal, heiraten und Spanien zu seinem ständigen Hauptsitz machen; auch dürfe er »keine Vereinbarung mit Portugal über den Gewürzhandel treffen, damit wir weder unseren Vorteil noch unseren Ruf verlieren (in Anbetracht der Kosten an Männern und Geld, die zur Entdeckung [der Molukken] nötig waren)«. Er sollte »mit christlichen Herrschern Frieden schließen, den Heiden aber den Krieg erklären« (wie es auch das Mantra Ferdinands von Aragón gewesen war). Schließlich verlangten sie von Karl, »dass Euer Majestät den Befehl gibt, die Subsidien, die wir bewilligen – zu einer Zeit, da das Königreich derart erschöpft, ja ruiniert ist –, für die Rückeroberung von Fuenterrabía einzusetzen«.39

Bedenkt man, dass seit der Niederschlagung des Comuneros-Aufstands kaum ein Jahr ins Land gegangen war, schien die relative Zurückhaltung der Cortes bei der Formulierung ihrer Beschwerden für eine weitgehende Versöhnung der Kastilier mit ihrem König zu sprechen. Manche von Karls Untertanen waren indes noch immer verärgert. Im März 1523 bemerkten die englischen Gesandten am kastilischen Hof »keine sehr große Zuneigung zwischen den Edelleuten aus Spanien und denen aus Flandern«, während vier Monate darauf Salinas berichtete, mehr als tausend Soldaten seien durch die Straßen von Valladolid gezogen und hätten dabei gebrüllt: »Lang lebe der König, aber Tod den Flamen!« Dabei habe es mehrere Tote gegeben. Im August äußerte Salinas Beunruhigung darüber, »was man in den Straßen und von den Kanzeln hört« –, vielleicht weil er sich nur allzu gut an die Hetzpredigten erinnern konnte, die während Karls vorherigem Besuch in der Stadt gehalten worden waren.40 All diesen Warnsignalen zum Trotz verließ Karl im Oktober erneut Kastilien, wobei er seine Schwester Eleonore zur Regentin während seiner Abwesenheit ernannte, und begab sich nach Navarra, um die Rückeroberung der Stadt Fuenterrabía von den Franzosen zu befehligen, ganz wie es die Cortes gefordert hatten.

Obgleich der Kaiser dieses beschränkte Ziel schließlich erreichen sollte, hatte sein Erfolg doch fatale Auswirkungen auf das »Große Vorhaben« der Verbündeten gegen Franz I. Karl blieb auf spanischem Boden, während Heinrich (wie Wolsey schrieb) »ein mächtiges Heer [aufstellte] mit so groß gewachsenen, tüchtigen und auserwählten Soldaten, mit so erfahrenen und fähigen Hauptleuten, wie es aus diesem Königreich schon seit hundert Jahren nicht mehr ausgesandt wurde«. Dieses »mächtige Heer« rückte zügig vor und zwang unterwegs zahlreiche französische Städte zur Kapitulation, die daraufhin »Heinrich, dem König von Frankreich«, ihre Gefolgschaft schwören mussten, bis es schließlich im Oktober 1523 die Stadt Montdidier einnahm, die gerade einmal achtzig Kilometer von Paris entfernt liegt.41 Während sich in der französischen Hauptstadt schon Panik ausbreitete, schlugen die siegreichen Invasoren den Weg nach Osten ein, um sich dort mit den Truppen des Herzogs von Bourbon zu vereinigen – aber da war es schon zu spät: Franz hatte von dem Verrat des Herzogs Wind bekommen und war auf habsburgisches Territorium geflohen.

Der Kaiser

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