Читать книгу Was ist diesmal anders? - Группа авторов - Страница 20
3.2.1 Das vorläufige Ende der Garantien
ОглавлениеLegendär ist die Überlieferung, wie die Auktionshäuser sich der Garantien entledigten. Mit dem Aufziehen der Krise stieg die Zahl der unverkauften Werke, die als garantierte Lose ins Eigentum der Versteigerer übergingen. Nach dem ersten Sichtbarwerden der Gefährdung während der »Impressionist and Modern Art«-Auktionen in New York im November 2007, in denen bereits eine ungewöhnlich hohe Zahl der angebotenen Werke nicht verkauft wurde, war klar, dass die Unternehmen mittelfristig derartig riskante Mindestpreisgarantien nicht mehr würden geben können. In einem umkämpften Markt jedoch zögern alle Anbieter, den ersten Schritt zu tun, in der Angst, die Konkurrenz könnte die Situation zur Akquise nutzen und zumindest kurzfristig Marktanteile erobern. Gleichzeitig waren alle Marktteilnehmer demselben Kostendruck und identischen Risiken ausgesetzt. Eine industrieweite Verabredung zu dieser Maßnahme war aus kartellrechtlichen Gründen nicht zulässig.
Bonhams, als kleinstes der internationalen Häuser wohl mit den geringsten Reserven ausgestattet, machte den ersten Schritt, als Chairman Robert Brooks bereits im November 2007 erklärte, sein Haus werde künftig keine Garantien mehr abgeben. Es dauerte weitere 12 Monate, bis die größeren Konkurrenten den Ernst der Lage erkannt hatten. Im November 2008, nach einer nochmals verlustreicheren New Yorker Herbstauktion, entschied Christie’s, die Garantievergabe komplett einzustellen, in der Hoffnung, dass die Konkurrenz folgen würde. Diesen Plan verkündete der damalige CEO des Unternehmens, Edward Dolman, in einem Interview mit Carol Vogel von der New York Times unmittelbar am Morgen nach dem Desaster einer Abendauktion, die nur rund die Hälfte der angebotenen Werke hatte verkaufen können. Offenbar war er zuversichtlich, dass die Konkurrenz dies als Signal deuten und die richtigen Schlüsse ziehen würden, anderenfalls hätte Christie’s über Nacht wieder in den Wettbewerb eintreten können. Die erhoffte Folge trat ein, für mindestens zwei, vielleicht drei Kunstmarktsaisons gab es keine Mindestpreisgarantien mehr, in denen die Versteigerer eigenes Kapital riskierten – wie der Sotheby’s Verantwortliche für die Auktionssparte Mitchel Zuckerman, CEO William Ruprecht und auch David Nash, in 2008 Abteilungsleiter Impressionist and Modern Art, später bestätigten. Als die Auktionsunternehmen um 2011 zur Praxis der Garantievergabe zurückkehrten, waren die hauseigenen Verpflichtungen großteilig durch Garantien außenstehender Dritte ersetzt worden.88