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Affektbestimmte Wirklichkeitskonstruktion

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Affekte beeinflussen unsere Konstruktion der Wirklichkeit andauernd in hohem Maß. Denn sie wirken auf Denken und Handeln keineswegs nur als allgegenwärtige »Motoren« (Piaget 1995) oder (z. B. in depressiver Verstimmung) als »Bremser«. Sie funktionieren zugleich als primäre Organisatoren und Reduktoren der Komplexität von Wahrnehmung und Denken: Unbewusste Schalt- und Filterwirkungen von Affekten auf Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis bestimmen weitgehend, was wir in der Umwelt selektiv beachten, speichern oder mobilisieren und schließlich zu größeren Gedankengebäuden – d. h. zu einer Logik im weiten Sinn – zusammenbauen. Kognitive Inhalte mit ähnlicher Affektfärbung werden bevorzugt miteinander verbunden (»ein netter Mensch«, »ein wunderbares Land«). So entstehen mit der Zeit – gewissermaßen über affektspezifische Schienen – personen- wie gruppenspezifische affektiv-kognitive Eigenwelten, die z. B. von einer Logik der Angst, der Wut, der Scham oder Freude beherrscht sind. Krasse Beispiele hierfür liefern extreme politische oder religiöse Ideologien, ferner die abwechselnd euphorischen und melancholischen Fühl-Denk-Welten von manisch-depressiv Erkrankten oder auch die von einer Logik der Wut, der Scham oder der Liebe beherrschten Fühl-, Denk- und Verhaltenssysteme von Verbitterten oder Verliebten. Praxisrelevant ist ferner, dass alle solchen Eigenwelten typischen Systemen im Sinn der Systemtheorie entsprechen, die ständig von einer Vielzahl von selbstorganisatorischen Feedbackmechanismen stabilisiert werden.

Systemerhaltend wirken dabei nicht nur die konservative affektiv-kognitive Mitte mitsamt ihren obligaten blinden Flecken, sondern durchaus auch Extrempositionen, welche die Grenzen eines bestimmten Fühl-Denk-Verhaltens-Systems sowohl bezeichnen wie auch befestigen.

Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch

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